Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerung eines Grundstücks "im Rahmen der Aufgabe eines Betriebs"
Leitsatz (NV)
1. Veräußert der Steuerpflichtige in zeitlichem Zusammenhang mit der Aufgabe des Betriebes ein Betriebsgrundstück, ist bei der Ermittlung des Aufgabegewinns grundsätzlich der Veräußerungspreis anzusetzen.
2. Nur für den in § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG geregelten Fall, daß Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens diese Rechtsqualität nicht durch einen entgeltlichen Umsatzakt, sondern durch eine Entnahme verlieren, schreibt das Gesetz einen Ansatz mit dem gemeinen Wert vor (Abgrenzung zu den BFH-Urteilen vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456 und vom 2. März 1989 IV R 201/85, BFH/NV 1990, 88).
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3; FGO § 69 Abs. 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1991 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. In der Einkommensteuer-Erklärung 1991 gab der Antragsteller an, er habe zum 1. Januar 1991 seinen gewerblichen Gärtnereibetrieb aufgegeben und das Betriebsgrundstück in das Privatvermögen überführt. Er setzte nach Rücksprache mit dem Bezirksamt einen Entnahmelohn in Höhe von ... DM (X DM/qm) an.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) stellte im Rahmen einer betriebsnahen Veranlagung fest, daß der Antragsteller mit notariellem Vertrag vom 19. Januar 1990 das Grundstück an eine Bauträgergesellschaft zum Preis von ... DM veräußert hatte. Die Erwerberin hatte sich ein Rücktrittsrecht bis zum 19. August 1990 ausbedungen; dieses später vereinbarungsgemäß bis zum 31. Dezember 1991 verlängerte Recht hat sie nicht ausgeübt. Der vereinbarte Kaufpreis ist am 15. Januar 1992 hinterlegt worden.
Die zeitliche Streckung der Abwicklung des Kaufvertrages war, so mutmaßt das Finanzgericht (FG), dadurch verursacht, daß das Grundstück im Bebauungsplan als "nicht überbaubare private Frei- und Grünfläche mit der Zweckbindung Gärtnerei" ausgewiesen war. Die Erwerberin hat erfolglos eine Umwidmung in Bauland für eine Wohnbebauung beantragt.
Das FA legte der Veranlagung einen "Entnahmewert" in Höhe von ... DM (Y DM/qm) zugrunde. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid, mit dem der Antragsteller vortrug, er habe den über X DM/qm hinausgehenden Kaufpreis nichtsteuerbar "als Privatmann" erhalten, hatte keinen Erfolg. Über die Klage hat das FG noch nicht entschieden.
Die Antragsteller haben beim FG die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1991 beantragt. Das FG hat den statthaften Antrag als unbegründet abgelehnt. Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde beantragen die Antragsteller, den Beschluß des FG aufzuheben und die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1991 anzuordnen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) an der Recht mäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides. Das FA hat bei der Ermittlung des Aufgabegewinns zutreffend gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes -- EStG -- 1990 den tatsächlich erzielten Veräußerungspreis angesetzt. Entgegen der Auffassung der Antragsteller liegt hier der in § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG geregelte Fall, daß die Wirtschaftsgüter "nicht veräußert" werden und mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Aufgabe anzusetzen sind, nicht vor.
1. Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG gilt als Veräußerung auch die Aufgabe eines Gewerbebetriebs. Eine Aufgabe des Gewerbebetriebs i. S. des § 16 Abs. 3 EStG liegt vor, wenn aufgrund eines Entschlusses des Betriebsinhabers, den Betrieb aufzugeben, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang entweder veräußert oder in das Privatvermögen überführt werden und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört.
Der Aufgabegewinn ist nach § 16 Abs. 3 Sätze 2 und 3 i. V. m. Abs. 2 EStG zu ermitteln. Werden die einzelnen dem Betrieb gewidmeten Wirtschaftsgüter "im Rahmen der Aufgabe des Betriebs veräußert", "so sind die Veräußerungspreise anzusetzen" (§ 16 Abs. 3 Satz 2 EStG). Im Streitfall kann nicht zweifelhaft sein, daß der Antragsteller die stillen Reserven des Betriebsgrundstücks durch einen in dieser Vorschrift vorausgesetzten entgeltlichen Umsatzakt realisiert hat. Dies ist ungeachtet dessen anzunehmen, daß die Erwerberin sich den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten hatte. Der Antragsteller selbst hatte sich durch den rechtswirksamen Kaufvertrag, der schließlich wie vereinbart durchgeführt worden ist, gebunden. In Anbetracht dessen ist es unerheblich, daß er bis zur Übergabe des Grundstücks dessen wirtschaftlicher Eigentümer geblieben war.
Die Annahme, daß das Grundstück "im Rahmen der Aufgabe des Betriebs" veräußert worden ist, ist nach dem derzeitigen Sachstand unbedenklich. Es ist nicht ersichtlich, daß der Antragsteller das Grundstück entgegen seiner eigenen Erklärung bereits vor dem 19. Januar 1990 objektiv erkennbar in sein Privatvermögen überführt hätte. Allenfalls ist in Betracht zu ziehen, daß er das Grundstück noch vor der endgültigen Einstellung der gewerblichen Tätigkeit veräußert hat mit der steuerrechtlichen Folge, daß der Veräußerungsgewinn dem laufenden Gewinn zuzurechnen ist. Letztere Frage kann im Hinblick auf das im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Verböserungsverbot dahingestellt bleiben.
2. Nur in dem in § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG geregelten Fall, daß Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens diese Rechtsqualität nicht durch einen entgeltlichen Umsatzakt verlieren, schreibt das Gesetz einen Ansatz mit dem gemeinen Wert (§ 9 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes -- BewG --) vor. Eine zeitlich nachfolgende Veräußerung findet nicht mehr "im Rahmen der Aufgabe des Betriebs" statt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456, unter 4.). Hiervon geht auch das BFH- Urteil vom 2. März 1989 IV R 201/85 (BFH/NV 1990, 88) aus, auf welches sich die Antragsteller berufen. In jenem Falle hatte der Kläger ein zunächst in das Privatvermögen überführtes Grundstück ein Jahr nach der Entnahmehandlung veräußert. Es war darüber zu befinden, ob der gemeine Wert i. S. des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG i. V. m. § 9 Abs. 2 BewG aus dem bei einem zeitnahen Verkauf des zu bewertenden Grundstücks tatsächlich erzielten Kaufpreis abgeleitet werden kann. Hierzu führte der BFH aus, in einem solchen Falle dürfe allerdings der erzielte Veräußerungserlös nicht als für die Bestimmung des objektiven Verkehrswerts unbeachtlicher Spekulationspreis anzusehen sein. Letzteres hänge davon ab, ob bereits im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe objektive Anhaltspunkte für eine künftige werterhöhende Erweiterung des Umfangs der baulichen Nutzung bestünden. Anderenfalls sei der von einem Erwerber in spekulativer Absicht gezahlte Kaufpreis nicht geeignet, "einen auf den Entnahmezeitpunkt zurückwirkenden wertbestimmenden Umstand abzugeben". Im vorliegenden Streitfall dagegen geht es nicht -- bei der Bezifferung des gemeinen Werts gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG -- um die Rückwirkung von wertbildenden Umständen auf einen früheren Entnahmezeitpunkt. Maßgebend ist vielmehr wie dargelegt der erzielte Veräußerungspreis.
3. Der von den Antragstellern gerügte Mangel bei der Zitierung des einschlägigen Gesetzes ist kein Formmangel, der zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 421478 |
BFH/NV 1996, 881 |