Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufiger Rechtsschutz gegen Feststellungsbescheid
Leitsatz (NV)
1. Setzt das FA in Bescheiden zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die Werbungskosten niedriger als erklärt an, so ist hiergegen vorläufiger Rechtsschutz im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
2. Eine einstweilige Anordnung mit demselben Ziel kommt auch dann nicht in Betracht, wenn das FG bereits einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung rechtskräftig abgelehnt hat.
3. Eine Umdeutung des durch einen Prozeßbevollmächtigten des Steuerpflichtigen gestellten Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung in einen erneuten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist grundsätzlich nicht möglich.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a; FGO §§ 69, 114
Tatbestand
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erwarben als Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) am 16. November 1982 ein bebautes Grundstück zum Kaufpreis von 780 000 DM. Mit Artfortschreibung auf den 1. Januar 1983 ist das Gebäude als Zweifamilienhaus bewertet worden. Die Antragsteller schlossen Mietverträge über die Hauptwohnung im Erdgeschoß und ersten Obergeschoß sowie die Einliegerwohnung im zweiten Obergeschoß mit der Antragstellerin zu 1. Die Einliegerwohnung wurde sodann an die Mutter der Antragstellerin erheblich verbilligt vermietet. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) setzte in den Bescheiden zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für die Jahre 1982 und 1983 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abweichend von den durch die Antragsteller geltend gemachten Werbungskostenüberschüssen nur in Höhe von 262 DM bzw. 33 797 DM fest. In der Einspruchsentscheidung setzte das FA die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung jeweils auf 0 DM herab. Einen Antrag der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung hat das Finanzgericht (FG) mit Beschluß vom 7. April 1987 als unbegründet abgewiesen. Denn angesichts des krassen Mißverhältnisses zwischen dem Mietwert der Einliegerwohnung und dem vereinbarten Mietzins seien die Voraussetzungen einer dauernden Vermietung i. S. von § 21 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht erfüllt. Das FG hat die Beschwerde gegen diesen Beschluß nicht zugelassen.
Nunmehr beantragten die Antragsteller bei dem FG den Erlaß einer einstweiligen Anordnung dahingehend, daß das FA die erklärten Werbungskostenüberschüsse vorläufig festzustellen habe. Das FG wies diesen Antrag als unzulässig ab. Denn für die beantragte Regelungsanordnung i. S. von § 114 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sei ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich. Dieser sei zwingend erforderlich, um eine Regelungsanordnung zu treffen. Die Antragsteller hätten einen derartigen besonderen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Mit ihrer Beschwerde hiergegen machen die Antragsteller im wesentlichen geltend: Würde ihr gesamter Verlust aus dieser Einkunftsquelle nicht berücksichtigt, bestünde z. B. für eine Mitunternehmerschaft, bezüglich derer eine einheitliche Gewinnfeststellung durchzuführen ist, ein erheblicher rechtlicher Nachteil gegenüber dem Einzelkaufmann, weil dieser vorläufigen Rechtsschutz ohne weiteres in der Form einer Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids erlangen könnte.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß, im Wege der einstweiligen Anordnung dem FA aufzugeben, vorläufig Werbungskostenüberschüsse in Höhe von 56 490 DM (1982) und 78 081 DM (1983) festzustellen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Im Hinblick auf Feststellungsbescheide seien einstweilige Anordnungen i. S. des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO unzulässig, soweit gegen diese die Anfechtungsklage gegeben sei. Die Antragsteller hätten gegen die Feststellungsbescheide 1982 und 1983 Klage erhoben, mit der sie höhere Verluste begehrten, als mit der Einspruchentscheidung festgestellt worden seien. Insoweit liege eine Anfechtungsklage vor. Hierbei sei der vorläufige Rechtsschutz jedoch nicht durch eine einstweilige Anordnung, sondern durch die Aussetzung der Vollziehung der Feststellungsbescheide zu gewähren. Daß die Antragsteller tatsächlich die Aussetzung der Vollziehung begehrten, gehe auch aus ihrer Beschwerdebegründung hervor.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.
Wird der Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, ist gemäß § 128 Abs. 1 FGO die Beschwerde gegeben (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. April 1967 VI B 3/66, BFHE 88, 231, BStBl III 1967, 343, 344; Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 114 Anm. 106). Ob vorläufiger Rechtsschutz durch einstweilige Anordnung oder Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist, hat der Senat entgegen der Ansicht des FA im Rahmen der Begründetheit der Beschwerde zu prüfen.
Die Beschwerde kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Erlaß einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 Abs. 5 FGO nicht zulässig ist, wenn vorläufiger Rechtsschutz nach § 69 FGO zu gewähren ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Januar 1984 II B 35/83, BFHE 139, 508, BStBl II 1984, 210, und vom 12. Juni 1986 VII B 12/86, BFH/NV 1987, 180). Wird vorläufiger Rechtsschutz begehrt, weil das FA einen Verlust - oder Werbungskostenüberschuß - niedriger als erklärt festgestellt hat, so ist nach ständiger Rechtsprechung vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids zu gewähren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. Juli 1979 VIII B 84/78, BFHE 128, 164, BStBl II 1979, 567; vom 25. Oktober 1979 IV B 68/79, BFHE 129, 47, BStBl II 1980, 66, Ziff. 1 der Gründe, und vom 22. Oktober 1980 I S 1/80, BFHE 131, 455, BStBl II 1981, 99, Ziff. 1 a der Gründe). Im Beschluß vom 14. April 1987 GrS 2/85 (BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637) hat der Große Senat des BFH diese Rechtsprechung bestätigt und für den hier nicht vorliegenden Fall des sog. negativen Feststellungsbescheids fortentwickelt. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist bereits aus diesem Grunde unzulässig, so daß es keiner Stellungnahme zur Begründung der Vorentscheidung bedarf.
Eine Umdeutung des durch einen Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller ausdrücklich gestellten Antrags in einen erneuten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist grundsätzlich nicht möglich (vgl. BFH-Beschluß vom 25. September 1985 VII B 77/85, BFH/NV 1986, 223).
Fundstellen
Haufe-Index 415869 |
BFH/NV 1989, 86 |