Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorbehalt der Nachprüfung; Unbestimmtheit des Aufhebungsbescheids
Leitsatz (NV)
1. Da die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, ist gegen sie der Einspruch gegeben, mit dem sowohl die Aufhebung des Vorbehalts als auch die Steuerfestsetzung als solche angegriffen werden kann. Das gilt selbst dann, wenn über die Rechtmäßigkeit des Vorbehaltsbescheids -- zu denselben Streitfragen -- bereits rechtskräftig entschieden ist.
2. Die Behauptung, das FG wäre bei Würdigung eines handschriftlichen Zusatzes des FA zur Rechtsbehelfsbelehrung "in seiner gesamten Aussage" zu einem anderen Ergebnis (nämlich Unbestimmtheit und damit Nichtigkeit des Bescheids) gekommen, betrifft einen materiell-rechtlichen Fehler und keinen Verfahrensfehler. Es fehlt schon die schlüssige Behauptung, das FG habe bei der Beweiswürdigung für die Entscheidung wesentliche Bestandteile der Akten nicht berücksichtigt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3; AO 1977 §§ 125, 164
Verfahrensgang
Tatbestand
Geschäftsgegenstand der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist das Aufstellen von Geldspielgeräten.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) hatte die Umsatzsteuer für die Streitjahre 1985 bis 1987 gegen die Klägerin jeweils unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. Die Einsprüche dagegen blieben erfolglos. Die Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 1991 enthielt keine Aussage über den Fortbestand des Vorbehalts.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 1991 -- nach Abschluß einer Betriebsprüfung -- hob das FA den Vorbehalt auf. Der Bescheid enthielt eine Rechtsmittelbelehrung und den handschriftlichen Vermerk: "Die anhängigen Rechtsbehelfsverfahren werden hierdurch nicht erledigt." Den Einspruch vom 23. August 1994 gegen diesen Bescheid verwarf das FA als unzulässig. Dagegen erhob die Klägerin Klage vor dem Finanzgericht -- FG --.
Die vorliegende Entscheidung des Senats betrifft das Klageverfahren der Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 1991 aufgrund der mit Schriftsatz vom 8. Juni 1995 erhobenen Klage.
Die Klägerin machte geltend, aufgrund der sog. Emmott-Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Juli 1991 Rs. C-208/90 (Slg. 1991, I-4269, 4292, Umsatzsteuer-Rundschau 1993, 315) habe die Klagefrist gegen die Einspruchsentscheidung nicht zu laufen begonnen.
Das FG wies die Klage ab mit der Begründung, sie sei unzulässig; da der Bescheid vom 28. Oktober 1991 als neuer Bescheid an die Stelle der Vorbehaltsfestsetzungen getreten sei, hätten diese ursprünglichen Bescheide die Klägerin nicht mehr beschwert.
Der Bescheid vom 28. Oktober 1991 über die Aufhebung des Vorbehalts sei nicht nichtig gewesen. Der handschriftliche Vermerk ergebe lediglich einen Begründungsmangel, der nicht zur Nichtigkeit führe.
Mit der Beschwerde beantragt die Klägerin Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und Verfahrensfehler.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) ist die Revision nicht zuzulassen.
a) Grundsätzliche Bedeutung hat nach dem Vortrag der Klägerin der vom FG aufgestellte Rechtssatz, "von einer Einspruchsentscheidung, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, gehe dann keine Beschwerde (gemeint: Beschwer) mehr aus, wenn später der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wird".
Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Anfechtbarkeit einer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einspruchsentscheidung nach Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung liege nicht vor. Es handle sich um eine Rechtsfrage, die sich in zahlreichen anderen Verfahren wiederholen könne.
Der vom FG herangezogene Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. November 1982 II R 172/80 (BFHE 137, 6, BStBl II 1983, 237) betreffe eine andere Fallgestaltung. Bei dieser sei die Veranlagung während des Verfahrens geändert worden. Im vorliegenden Fall habe das FA die Einspruchsentscheidung nicht geändert, sondern lediglich für vorbehaltlos erklärt.
b) Die für eine Revisionszulassung erforderliche Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage fehlt. Die Frage kann aus dem Gesetz sowie aufgrund bisheriger BFH-Rechtsprechung so beantwortet werden, wie es das FG getan hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §115 Rz. 9).
Nach §164 Abs. 3 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) steht die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; §157 Abs. 1 Satz 1 und 3 AO 1977 gilt sinngemäß. Die Aufhebung hat somit in Form eines Steuerbescheids -- schriftlich und mit Rechtsbehelfsbelehrung -- zu erfolgen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß der Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts (wie auch der Aufnahme des Vorbehalts in den Steuerbescheid) keine selbständige Bedeutung zukommt und daß sie nur gemeinsam mit der Steuerfestsetzung angefochten werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 1996 I R 5/96, BFHE 181, 100, BStBl II 1997, 5).
Da die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, ist gegen sie der Einspruch gegeben, mit dem sowohl die Aufhebung des Vorbehalts als auch die Steuerfestsetzung als solche (nach Grund und Höhe) angegriffen werden kann (Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, 17. Aufl. 1995, §164 Bem. 6 b). Das gilt selbst dann, wenn über die Rechtmäßigkeit des Vorbehaltsbescheids -- zu denselben Streitfragen -- bereits rechtskräftig entschieden ist (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1987 IX R 255/84, BFH/NV 1987, 751; Kühn/Hofmann, a. a. O., Bem. 6 e).
2. Der Vortrag der Klägerin, das FG habe -- soweit es die Nichtigkeit des Bescheids über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung verneine -- verfahrensfehlerhaft entgegen §96 FGO nicht seine aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene Überzeugung zugrunde gelegt, führt nicht zur Zulassung der Revision nach §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
a) Nach Auffassung der Klägerin hat das FG den handschriftlichen Zusatz des Bescheids über die Aufhebung des Vorbehalts (lt. Feststellung des FG: "Die anhängigen Rechtsbehelfsverfahren werden hierdurch nicht erledigt.") für eindeutig gehalten. Mit seiner anschließenden Ausführung: "Der Vermerk über die Anhängigkeit anderer Rechtsbehelfe macht den Verwaltungsakt nicht unbestimmt.", habe das FG den Zusatz nicht in seiner gesamten Aussage gewürdigt. Der Zusatz betreffe nicht nur die Anhängigkeit anderer Rechtsbehelfe, sondern enthalte die Aussage, daß sich diese Rechtsbehelfe nicht erledigten. Hätte das FG auch diesen Teil der Aussage gewürdigt, wäre es zum Ergebnis gekommen, der Zusatz sei so zu verstehen, daß die Veranlagung weiterhin offenbliebe und durch Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht bestandskräftig würde. Dies hätte einen unlösbaren Widerspruch zur übrigen Aussage des Bescheids ergeben, daß der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben, die Veranlagung also aufgrund dieses Bescheids endgültig sein solle. Diese Unbestimmtheit führe zur Nichtigkeit des Bescheids nach §125 AO 1977.
b) Der Vortrag der Klägerin zeigt, daß sie letztlich nur eine andere Würdigung des festgestellten Sachverhalts anstrebt, als vom FG vorgenommen. Es fehlt schon an einer schlüssigen Behauptung, das FG habe bei der Beweiswürdigung für die Entscheidung wesentliche Bestandteile der Akten nicht berücksichtigt (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Rz. 26). Behauptet wird somit lediglich ein materiell-rechtlicher Fehler, nicht aber ein Verfahrensfehler.
Fundstellen