Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwendung von Eingangsleistungen bei Fehlmaßnahme
Leitsatz (NV)
Nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1991 ist die Steuer für Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Maßgebend ist die erstmalige Ver wendung. Leistungsbezüge, die in keine Ausgangsumsätze gegenständlich eingehen (hier: vergebliche Planungsaufwendungen), sind denjenigen Ausgangsumsätzen zuzurechnen, zu denen sie nach Kostenzurechnungsgesichtspunkten gehören. Als solche kommen auch die laufenden (Ausgangs-) Umsätze in Betracht.
Normenkette
FGO § 69; UStG 1991 § 15 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) erwarb im Jahre 1991 ein bebautes Grundstück in X für 21 Mio. DM, das im Streitjahr (1993) zu 81 v. H. steuerpflichtig vermietet war. Das Grundstück sollte für ... DM (netto) umfassend umgebaut und restauriert und anschließend steuerpflichtig vermietet werden. Der damit beauftragte Generalunternehmer ... stellte mit Rechnung vom 14. Dezember 1993 die bis dahin erbrachten Planungsleistungen mit ... DM nebst ... DM Umsatzsteuer in Rechnung.
Seit ... 1994 steht inzwischen fest, daß die Umbaumaßnahme von der Antragstellerin nicht durchgeführt werden kann.
Im ... 1996 wurde das Grundstück zwangsversteigert. Den Zuschlag erhielt die ... , die das Grundstück weiterveräußert hat.
Bereits zuvor vermutete der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --), das Gebäude werde (unmittelbar) von einem Bundesland für hoheitliche Zwecke erworben werden. Im Hinblick hierauf versagte das FA der Antragstellerin den Vorsteuerabzug für die genannten Planungsleistungen (geänderter Umsatzsteuerbescheid für 1993 vom 10. November 1995).
Die Antragstellerin hat gegen den Umsatzsteuerbescheid nach erfolglosem Einspruch Klage eingelegt, über die das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden hat.
Während des Klageverfahrens hat die Antragstellerin beim FG die Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids beantragt. Das FG ging davon aus, die Antragstellerin habe die Aussetzung der Vollziehung in Höhe von ... DM (= 81 v. H. von ... DM) begehrt, und gab diesem Antrag in vollem Umfang statt (Beschluß des FG vom 11. Dezember 1996).
Hiergegen wendet sich das FA mit der -- vom FG zugelassenen -- Beschwerde. Das FA meint, der Vorsteuerabzug hinsichtlich der Planungskosten sei zu versagen, weil diese der steuerfreien Grundstückslieferung zuzuordnen seien. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 29. Februar 1996 Rs. C-110/94 -- INZO -- (Slg. 1996, I--857, BStBl II 1996, 655) habe keine Auswirkung auf die Beurteilung von Fällen, in denen der Unternehmer Vorsteuern aus Eingangsleistungen geltend mache, die er zwar für beabsichtigte steuerpflichtige Ausgangsumsätze beziehe, es dann aber nicht zu diesen, sondern zu -- den Vorsteuerabzug ausschließenden -- steuerfreien Ausgangsumsätzen (steuerfreie Grundstücksveräußerung) komme.
Die Antragstellerin bejaht weiterhin ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids in Höhe des Vorsteuerbetrags von ... DM.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes soll auf Antrag ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen (§ 69 Abs. 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Ernstliche Zweifel bestehen, wenn bei Prüfung der Sach- und Rechtslage erkennbar wird, daß aus gewichtigen Gründen Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 16. Oktober 1991 I B 227/90, I B 228/90, BFH/NV 1992, 341).
Entgegen der Auffassung des FA ist nicht zweifelsfrei, daß der von der Antragstellerin begehrte Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993) ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift ist die Steuer für Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Maßgebend ist die erstmalige Verwendung (BFH- Urteil vom 30. November 1989 V R 85/84, BFHE 159, 272, BStBl II 1990, 345; vgl. auch § 15 a UStG 1993). Nach der Rechtsprechung des Senats sind Leistungsbezüge, die in keine Ausgangsumsätze gegenständlich eingehen (sog. Fehlmaßnahmen), denjenigen Ausgangsumsätzen zuzurechnen, zu denen sie nach Kostenrechnungsgesichtspunkten gehören (BFH-Urteil vom 15. September 1994 V R 12/93, BFHE 176, 149, BStBl II 1995, 88). Als solche kommen auch die laufenden (Ausgangs-)Umsätze in Betracht (vgl. BFH in BFHE 176, 149, BStBl II 1995, 88 unter II. 3. b).
Nach dem dem Senat vorliegenden Sachverhalt ist davon auszugehen, daß die Antragstellerin das Gebäude im Jahre 1993 (teils steuerfrei und teilweise unter Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1993) vermietet hat. Eine derartige Vermietung erfolgte möglicherweise bis zur Veräußerung des Grundstücks im Jahre 1996. Demnach kommt ernsthaft in Betracht, daß die Antragstellerin die im Jahre 1993 bezogenen Planungsleistungen für die damals getätigten Mietumsätze und nicht für die Grundstückslieferung im Jahre 1996 i. S. des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1993 erstmals verwendet hat.
Fundstellen
Haufe-Index 422384 |
BFH/NV 1997, 912 |