Entscheidungsstichwort (Thema)
Erneute Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage; Bezeichnung der Divergenz
Leitsatz (NV)
1. Der für die Abgrenzung der Grundstücksarten "Einfamilienhaus" und "Zweifamilienhaus" verwendete Wohnungsbegriff und sein zeitlicher Anwendungsbereich sind durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt. Unter einer Wohnung ist die Zusammenfassung von mehreren Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist. Zum Begriff der Wohnung gehört weiter, daß sie gegen andere Wohnungen und Wohnräume abgeschlossen ist und einen selbständigen Zugang hat. Zudem erfordert der Wohnungsbegriff das Vorhandensein der notwendigen Nebenräume (Toilette, besondere Waschgelegenheit, Küche). Dieser Wohnungsbegriff ist erstmalig bei der Bewertung von Wohngrundstücken anzuwenden, die im Laufe des Jahres 1973 bezugsfertig errichtet, aus- oder umgebaut wurden, und zwar für Stichtage ab 1. Januar 1974 (vgl. Urteile vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151; vom 12. Februar 1986 II R 192/78, BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320; vom 3. März 1993 II R 34/91, BFH/NV 1994, 9, und vom 4. August 1993 II R 23/91, BFH/NV 1994, 531). Damit ist nicht nur die materiell bewertungsrechtliche Frage des Wohnungsbegriffs, sondern auch die Anwendung dieser Rechtsprechung auf vorher errichtete oder geplante Gebäude geklärt (BFH-Beschluß vom 21. 1. 1996 II B 107/95, BFH/NV 1996, 459).
2. Die erneute Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage wird nicht dargelegt, wenn sich der Beschwerdeführer mit der Behandlung der Rechtsfrage in der einschlägigen neueren Rechtsprechung nicht auseinandersetzt.
3. Für die Frage, ob das angegriffene FG- Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht, kommt es auf den neuesten Stand der Rechtsprechung des Revisionsgerichts im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an (BFH-Beschluß vom 18. Mai 1994 II B 183/93, BFH/NV 1994, 887).
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 3; BewG § 75
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen (§115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Die von den Klägern und Beschwerdeführerin (Kläger) in der Beschwerdeschrift behauptete grundsätzliche Bedeutung ist nicht schlüssig dargelegt.
Eine Sache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. von §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die Entscheidung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Diese grundsätzliche Bedeutung muß in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu reicht die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht aus. Erforderlich ist vielmehr die schlüssige und substantiierte Darlegung der bezeichneten Voraussetzungen für das Vorliegen einer grundsätzlichen Bedeutung. Der Beschwerdeführer muß dabei konkret auf die Rechtsfrage und auf ihre Klärungsbedürftigkeit sowie auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen. Daran fehlt es im Streitfall.
Die Kläger haben mit der Frage, ob die neuere Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung der Grundstücksarten "Einfamilienhaus" und "Zweifamilienhaus" auch rückwirkend anwendbar ist, zwar eine konkrete Rechtsfrage herausgestellt, die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage jedoch nicht dargelegt. Der für die Abgrenzung der Grundstücksarten "Einfamilienhaus" und "Zweifamilienhaus" verwendete Wohnungsbegriff und sein zeitlicher Anwendungsbereich wurden durch die Rechtsprechung des BFH bereits hinreichend geklärt. Unter einer Wohnung ist die Zusammenfassung von mehreren Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist. Zum Begriff der Wohnung gehört weiter, daß sie gegen andere Wohnungen und Wohnräume abgeschlossen ist und einen selbständigen Zugang hat. Zudem erfordert der Wohnungsbegriff das Vorhandensein der notwendigen Nebenräume, wie Toilette, eine besondere Waschgelegenheit und eine Küche. Dieser Wohnungsbegriff entspricht der nunmehr ständigen Rechtsprechung des BFH und ist nach dieser Rechtsprechung erstmalig bei der Bewertung von Wohngrundstücken anzuwenden, die im Laufe des Jahres 1973 bezugsfertig errichtet, aus- oder umgebaut wurden, und zwar für Stichtage ab 1. Januar 1974 (vgl. Urteile vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151; vom 12. Februar 1986 II R 192/78, BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320; vom 3. März 1993 II R 34/91, BFH/NV 1994, 9, und vom 4. August 1993 II R 23/91, BFH/NV 1994, 531). Damit ist nicht nur die materiell bewertungsrechtliche Frage des Wohnungsbegriffs, sondern im bezeichneten Umfang auch die Anwendung dieser Rechtsprechung auf vorher errichtete oder geplante Gebäude geklärt (Senatsbeschluß vom 31. Januar 1996 II B 107/95, BFH/NV 1996, 459).
Es ist zwar nicht ausgeschlossen, daß auch eine durch Rechtsprechung des BFH geklärte Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn neue gewichtige Gesichtspunkte und Stimmen auftauchen, die diese Rechtsprechung in Frage stellen und eine erneute Überprüfung in einem Revisionsverfahren als veranlaßt erscheinen lassen. Solche gewichtige Zweifel haben die Kläger indes nicht dargetan. Die Kläger haben sich mit der neueren Rechtsprechung im Gegenteil überhaupt nicht auseinandergesetzt.
2. Auch soweit die Kläger ihre Beschwerde auf Divergenz der Vorentscheidung zu Entscheidungen des BFH stützen, ist sie nicht ordnungsgemäß erhoben (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Wird als Zulassungsgrund Divergenz geltend gemacht, so muß die Beschwerdeschrift die Entscheidung des BFH, deretwegen Abweichung geltend gemacht wird, bezeichnen. Darunter ist zu verstehen, daß die Abweichung kenntlich gemacht wird. Dies erfordert, daß der Beschwerdeführer abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils abstrakten Rechtssätzen aus derjenigen BFH-Entscheidung gegenüberstellt, zu der er eine Abweichung geltend macht (vgl. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 5. Juni 1991 II B 180/90, BFH/NV 1992, 397). Die Entscheidung muß auf der Abweichung beruhen. Das ist der Fall, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß das Urteil des Finanzgerichts (FG) bei Zugrundelegung der divergierenden Ansicht des BFH anders ausgefallen wäre, d. h. wenn sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Abweichung und dem Ergebnis der Entscheidung nicht ausschließen läßt. Für die Frage, ob das angegriffene FG- Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht, kommt es auf den neuesten Stand der Rechtsprechung des Revisionsgerichts im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an (Senatsbeschluß vom 18. Mai 1994 II B 183/93, BFH/NV 1994, 887).
Es kann offenbleiben, ob die Divergenzrüge nicht schon deshalb unzulässig ist, weil die Kläger ausdrücklich eine Divergenz zu einer früheren, inzwischen modifizierten Rechtsprechung des BFH behaupten. Denn die Kläger haben jedenfalls nicht erkennbar gemacht, inwiefern die behauptete Abweichung entscheidungserheblich sein könnte. Das FG hat sein Urteil auf zwei selbständige Begründungen gestützt und dargelegt, daß das Wohngrundstück der Kläger sowohl nach der neueren als auch nach der älteren Rechtsprechung des BFH als Einfamilienhaus zu bewerten ist. Soweit das FG seine Entscheidung damit auch auf die ältere Rechtsprechung des BFH gestützt hat und davon ausgegangen ist, daß die Abgeschlossenheit der Räume nicht zum Wohnungsbegriff gehört, kann das Urteil des FG nicht auf der vom Kläger behaupteten Abweichung beruhen. Denn das FG hat insoweit gerade die Rechtsprechung angewandt, von der die Kläger eine Abweichung behaupten.
3. Soweit die Kläger im übrigen rügen, das FG habe die -- ältere -- Rechtsprechung des BFH und die dazu ergangenen Verwaltungsregelungen nicht oder nur unvollständig berücksichtigt bzw. seine Entscheidung auf einen unvollkommenen Sachverhalt gestützt, haben sie keinen Zulassungsgrund i. S. des §115 Abs. 2 FGO dargetan. Sinngemäß behaupten die Kläger insoweit nur, das FG habe sachlich falsch entschieden. Darin liegt jedoch kein Zulassungsgrund i. S. des §115 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 66535 |
BFH/NV 1998, 436 |