Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine einstweilige Anordnung gegen Verwertung von Auskünften im Rahmen einer Betriebsprüfung
Leitsatz (NV)
1. Außenprüfungsergebnisse, die rechtswidrig erlangt sind und die auf Prüfungsmaßnahmen beruhen, die als selbständige Verwaltungsakte in einem besonderen Verfahren angefochten werden können, dürfen nicht verwertet werden, wenn der Steuerpflichtige in dem dafür vorgesehenen Verfahren gegen die Rechtswidrigkeit der Prüfungsmaßnahme erfolgreich vorgegangen ist.
2. Sind vor Abschluß des Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme unter Zugrundelegung der Prüfungsfeststellungen geänderte Bescheide ergangen, kann das Verwertungsverbot der Prüfungsfeststellungen in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen diese Bescheide durchgesetzt werden. Beruht die umstrittene Tatsachenfeststellung nicht auf einem selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt, kann die Rechtswidrigkeit der Prüfungshandlung im Veranlagungsverfahren eingewendet werden.
3. Bei dieser Sachlage ist für eine Anordnung nach § 114 FGO kein Raum. Vorläufiger Rechtsschutz kann dadurch erlangt werden, daß die Aussetzung der Vollziehung des Bescheids begehrt wird, sobald ein auf den Prüfungsfeststellungen beruhender Änderungsbescheid ergangen ist.
Normenkette
AO 1977 §§ 93, 397 Abs. 3; FGO § 114 Abs. 1, 5
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Automatenaufsteller. Am 7. Oktober 1983 ordnete der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) bei ihm eine Beriebsprüfung an. Im Rahmen der Betriebsprüfung fand am 23. November 1983 zwischen dem steuerlichen Berater des Antragstellers und dem Prüfer eine Besprechung statt, in der der Prüfer Listen über die Automatenbestände erbat.
Die Bußgeld- und Strafsachenstelle des FA verfügte am 25. Januar 1984, daß dem Antragsteller mitzuteilen sei, gegen ihn sei ein Strafverfahren eingeleitet. Bekanntgegeben wurde die Einleitung dem Antragsteller am 21. Mai 1984.
Im April 1984 richtete das FA verschiedene Auskunftsersuchen an Gastwirte, Automatenaufsteller und Automatenhändler. Es wies die Betroffenen darauf hin, daß es nicht um ihre Besteuerung ginge. Ein Teil der um Auskunft Ersuchten trat daraufhin an den Antragsteller heran. Dieser gab ihnen nach seinen Unterlagen bestimmte Werte an, die die um Auskunft Ersuchten dem FA mitteilten.
Gegen die Art und Durchführung der Betriebsprüfung legte der Antragsteller am 14. Mai 1984 Beschwerde ein. Am 23. Mai 1984 stellte er beim Finanzgericht (FG) den Antrag, im Wege der einstweiligen Anordnung ein Verwertungsverbot über die vom FA seit dem 24. Januar 1984 ermittelten Tatbestände zu verfügen. Er meint, er sei auf kaltem Weg zur Aussage veranlaßt worden, ohne daß ihm mitgeteilt worden sei, gegen ihn sei ein Strafverfahren eröffnet.
Das FG lehnte den Erlaß einer einstweiligen Anordnung ab. Es fehlten sowohl ein Anordnungsgrund wie ein Anordnungsanspruch i. S. von § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Ein Anordnungsgrund bestehe nicht, weil der Antragsteller sein Anliegen im Hauptverfahren gegen die Art und Weise der Betriebsprüfung noch geltend machen könne. Für eine vorläufige Regelung fehle ein Anlaß. Es bestehe aber auch kein Anordnungsanspruch. Es lasse sich nämlich nicht erkennen, woraus sich ein Verwertungsverbot herleiten lasse. Nach § 93 der Abgabenordnung (AO 1977) sei es nicht ausgeschlossen, Auskünfte einzuziehen, wenn das Strafverfahren eingeleitet, dies aber dem Steuerpflichtigen nicht mitgeteilt sei.
Mit der Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht der Antragsteller geltend, die Voraussetzungen für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung seien entgegen der Auffassung des FG gegeben. Ein Anordnungsgrund bestehe, weil die Finanzbehörden offensichtlich angewiesen seien, auch aus angefochtenen und vom Tatsachenvortrag her fehlerhaften Steuerbescheiden vorläufig zu vollstrecken. Dies könne im Einzelfall für den betroffenen Steuerpflichtigen zum wirtschaftlichen Ruin führen. Es bestehe auch ein Anordnungsanspruch. Das FA habe sich in unzulässiger Weise vom Antragsteller Auskünfte beschafft, die dieser dem FA nicht gegeben hätte und auch nicht hätte geben müssen, wenn ihm die Einleitung des Strafverfahrens so rechtzeitig mitgeteilt worden wäre, wie dies nach der AO 1977 gesetzlich vorgesehen sei. § 397 Abs. 3 AO 1977 sei eine eindeutige Schutzvorschrift für den Betroffenen, der auch nach Einleitung oder gerade nach Einleitung eines Strafverfahrens imstande sein soll, seine Rechte gegenüber der ermittelnden Behörde ungehindert wahrzunehmen. Dies sei insbesondere im Zusammenhang mit der sonst geltenden umfangreichen Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen zu sehen. Mit der Einleitung eines Strafverfahrens sei auch ein Steuerverfahren nicht mehr vorrangig steuerrechtlich, sondern vorrangig strafrechtlich zu sehen. Im Strafverfahren habe jeder Beschuldigte, wie sich insbesondere aus den §§ 136 und 136 a der Strafprozeßordnung (StPO) ergebe, ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen.
Das FA hält den Erlaß einer einstweiligen Anordnung für nicht berechtigt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Der Erlaß einer einstweiligen Anordnung setzt nach § 114 Abs. 1 FGO das Vorliegen eines Anordnungsgrundes voraus. Es muß entweder eine Gefährdung des Anordnungsanspruchs durch Veränderung des bestehenden Zustands gegeben sein (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO) oder es muß notwendig sein, durch die vorläufige Regelung eines Zustands wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern (§ 114 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß ein Anordnungsgrund nicht besteht, weil der Antragsteller sein Anliegen - Verbot der Verwertung der erlangten Auskünfte - in einem anderen Verfahren geltend machen kann.
Außenprüfungsergebnisse, die rechtswidrig erlangt sind und die auf Prüfungsmaßnahmen beruhen, die als selbständige Verwaltungsakte in einem besonderen Verfahren angefochten werden können, dürfen nicht verwertet werden, wenn der Steuerpflichtige in dem dafür vorgesehenen Verfahren gegen die Rechtswidrigkeit der Prüfungsmaßnahme erfolgreich vorgegangen ist. Wird die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festgestellt, ist das FA gehindert, die Prüfungsfeststellungen in Änderungsbescheiden zu verwerten (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Juni 1973 V R 64/72, BFHE 109, 500, BStBl II 1973, 716; vom 9. Mai 1978 VII R 96/75, BFHE 125, 144, BStBl II 1978, 501; vom 27. Juli 1983 I R 210/79, BFHE 139, 221, BStBl II 1984, 285). Sind vor Abschluß des Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Maßnahme unter Zugrundelegung der Prüfungsfeststellungen geänderte Bescheide ergangen, kann das Verwertungsverbot der Prüfungsfeststellungen in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen diese Bescheide durchgesetzt werden. Beruht die umstrittene Tatsachenfeststellung nicht auf einem selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt, kann die Rechtswidrigkeit der Prüfungshandlung im Veranlagungsverfahren eingewendet werden (BFH-Urteil vom 14. August 1985 I R 188/82, BFHE 144, 339, BStBl II 1986, 2, m.w.N.).
Bei dieser Sachlage ist für eine Anordnung nach § 114 FGO kein Raum (BFH-Beschlüsse vom 11. Juli 1979 I B 10/79, BFHE 128, 170, BStBl II 1979, 704; vom 24. Juni 1982 IV B 3/82, BFHE 136, 192, BStBl II 1982, 659). Die Rechte des Antragstellers, die er gegen die Verwertung der erlangten Auskünfte zu haben behauptet, werden durch das Eingehen der Prüfungsfeststellungen in Änderungsbescheide weder vereitelt noch wesentlich erschwert. Der Antragsteller kann vorläufigen Rechtsschutz dadurch erlangen, daß er, sobald ein auf den Prüfungsfeststellungen beruhender Änderungbescheid ergangen ist, die Aussetzung der Vollziehung dieses Bescheids begehrt. Die Möglichkeit der Aussetzung der Vollziehung geht nach § 114 Abs. 5 FGO dem Erlaß einer einstweiligen Anordnung vor.
Ist somit schon kein Anordnungsgrund i. S. des § 114 Abs. 1 FGO gegeben, braucht auf die vom FG und vom Antragsteller eingehend erörterte Frage, ob ein Anordnungsanspruch besteht, nicht mehr eingegangen zu werden.
Fundstellen
Haufe-Index 414769 |
BFH/NV 1987, 23 |