Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde; Verfahrensmängel; Art und Weise der Gewährung von Akteneinsicht; Grenzen und Pflicht zur Terminsverlegung bei Verhinderung des Prozeßbevollmächtigten; keine Aussetzung des Verfahrens wegen Musterverfahren beim BFH; zur Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage
Leitsatz (NV)
1. Das FG handelt nicht ermessensfehlerhaft, wenn es die vom Prozeßbevollmächtigten beantragte Versendung der Akten an ein anderes Gericht ablehnt, weil wegen der bevorstehenden mündlichen Verhandlung deren rechtzeitige Rücksendung nicht mehr gewährleistet ist.
2. Wird die Akteneinsicht unter zeitlichen Umständen gewährt, die die Einsichtnahme praktisch unmöglich machen, so liegt darin keine Verletzung rechtlichen Gehörs, wenn der Prozeßbevollmächtigte die zeitlichen Umstände zu vertreten hat.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung ist wegen dienstlicher Verhinderung des Prozeßbevollmächtigten nur dann zu verlegen, wenn nach den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalles die Verlegung des anderen Termins oder die Vertretung durch einen anderen Prozeßbevollmächtigten nicht zumutbar ist.
4. Ein Klageverfahren ist nicht wegen eines beim BFH anhängigen Verfahrens auszusetzen.
5. Kein Grund für die Erhebung der Untätigkeitsklage ist die im Einspruchsverfahren, nicht jedoch im finanzgerichtlichen Verfahren bestehende Verböserungsmöglichkeit.
Normenkette
FGO §§ 74, 78, 155; ZPO § 227
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob mit Schriftsatz vom 23. Oktober 1990 Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1989 u.a. mit der Begründung, der Grundfreibetrag sei zu niedrig, die beschränkte Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip und der Bescheid sei nicht ordnungsgemäß adressiert. Gleichzeitig bat er für den Fall, daß dem Einspruch nicht stattgegeben werde, ohne weiteren Schriftwechsel um eine klagefähige Entscheidung. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.
Mit Schriftsatz vom 24. Juni 1991 erhob der Kläger Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Mit Schreiben vom 30. Juli 1991 teilte der Vorsitzende des . . .Senats des Finanzgerichts (FG) dem Prozeßbevollmächtigten vorsorglich mit, er habe, in Abstimmung mit den vom Prozeßbevollmächtigten am 1. Juli 1991 mitgeteilten Daten über dessen Jahresurlaub und dessen Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen für die zahlreichen vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers vertretenen Klageverfahren Termine zu mündlichen Verhandlungen anberaumt, u.a. auf den 2. Oktober 1991. Die Ladung wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 4. September 1991 zugestellt.
In einem Schreiben vom 6. September 1991, das beim FG am 23. September 1991 einging, beantragte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers Akteneinsicht beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) oder beim Amtsgericht A für die Zeit nach dem 26. September 1991. Der Senatsvorsitzende des FG teilte dem Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 24. September 1991 mit, wegen des bevorstehenden Termins zur mündlichen Verhandlung könnten die Akten nicht mehr versandt werden. Er stellte dem Prozeßbevollmächtigten anheim, die Akten am 27. September 1991 in der Geschäftsstelle des FG einzusehen. Der Prozeßbevollmächtigte nahm die Möglichkeit der Akteneinsicht nicht wahr. Er behauptete, das Schreiben des Vorsitzenden über die Gewährung der Akteneinsicht erst am 28. September 1991 erhalten zu haben.
Mit dem Antrag auf Akteneinsicht hatte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers den Antrag verbunden, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 1991 aufzuheben, weil es ihm aus nicht näher bezeichneten organisatorischen Gründen in der Zeit zwischen dem Ende seines Urlaubs am 26. September 1991 und dem 2. Oktober 1991 kaum möglich sei, die Akten einzusehen. Diesen Antrag lehnte der Senatsvorsitzende des FG mit Entscheidung vom 24. September 1991 ab. Dem Prozeßbevollmächtigten sein noch vor Antritt seines Urlaubs, bereits mit Schreiben vom 30. Juli 1991, mitgeteilt worden, daß u.a. am 2. Oktober 1991 mündliche Verhandlungen über mehrere der von ihm eingereichten zahlreichen Untätigkeitsklagen vorgesehen seien. Wenn er trotzdem keine organisatorischen Vorkehrungen getroffen habe, um die Akten in den tatsächlich zum 2. Oktober 1991 anberaumten Sachen rechtzeitig einsehen zu können, habe er dies zu vertreten.
Mit einem auf den 4. September 1991 datierten Schreiben, das beim FG erst am 25. September 1991 einging, beantragte der Prozeßbevollmächtigte nochmals die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung. Nunmehr begründete er den Antrag damit, er sei am 2. Oktober 1991 dienstlich verhindert. Er führe am 2. Oktober 1991 in der Zeit von 12 Uhr bis 19 Uhr öffentliche Beratung für den A-Verein durch. Dieser Termin sei bereits Ende 1990 vereinbart worden. Auf diese Verhinderung habe er das FG bereits mit Schreiben vom 1. August 1991 hingewiesen. Der Senatsvorsitzende wies diesen Antrag mit Entscheidung vom 1. Oktober 1991 zurück. Er wies darauf hin, daß er auf die vom Prozeßbevollmächtigten angeführte, beim FG am 12. August 1991 eingegangene Mitteilung vom 1. August 1991 mit Schreiben vom 14. August 1991 angeregt habe, einen Fachkollegen mit der Terminsvertretung zu beauftragen, falls er eine fachliche Vertretung der Mandanten in der mündlichen Verhandlung für erforderlich halte. Ein Prozeßbevollmächtigter, der innerhalb weniger Wochen mehr als 1000 Untätigkeitsklagen erhebe, müsse sich auf gerichtliche Termine einstellen. Gerichtstermine seien gegenüber anderen Terminen vorrangig.
Am 2. Oktober 1991 - kurz vor der mündlichen Verhandlung - ging beim FG ein weiterer Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten ein, in dem er seinen Antrag auf Terminsaufhebung unter Hinweis auf seine dienstliche Verhinderung nochmals wiederholte. Zugleich beantragte er, das Verfahren gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die dort anhängigen Musterverfahren u.a. betreffend die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages auszusetzen. Das FG lehnte in der mündlichen Verhandlung, in der der Kläger nicht vertreten war, sowohl den nochmaligen Antrag auf Terminsaufhebung als auch den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ab.
Das FG wies die Klage als unzulässig ab.
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Untätigkeitsklage seien nicht erfüllt. Die Tatsache, daß vor dem BVerfG in derselben Rechtsfrage (hier wegen der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages) Verfahren anhängig seien, sei nicht nur für das FG Grund zur Aussetzung des Verfahrens, sondern erst recht für das FA ein hinreichender Grund dafür, daß es über den Einspruch noch nicht entschieden habe. Das FA habe den Kläger ausdrücklich mit seinem Schriftsatz vom 14. März 1991 auf die Gründe hingewiesen, die es an einer Entscheidung hinderten.
Die Klage sei auch nicht mit Rücksicht auf Prozeßzinsen zulässig, die dem Kläger entgehen könnten. § 46 FGO bezwecke, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit der Anrufung des Gerichts dann zu geben, wenn ohne Vorliegen eines zureichenden Grundes die Behörde über einen Rechtsbehelf nicht entscheide. Liege ein zureichender Grund vor, sei die Untätigkeitsklage unzulässig ohne Rücksicht darauf, ob im außergerichtlichen Verfahren vergleichbare Zinserstattungsansprüche bestünden.
Das FG ließ die Revision nicht zu.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat. Der Kläger stützt die Beschwerde auf Verfahrensmängel, auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Abweichung des Urteils von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH).
Verfahrensmängel sieht der Kläger darin, daß die beantragte Akteneinsicht nur auf der Geschäftsstelle des FG ermöglicht worden ist. Das FG habe Akteneinsicht unter zeitlichen Umständen gewährt, die einer Verweigerung gleichkämen. Es hätte, nicht nur um dem Prozeßbevollmächtigten ordnungsgemäße Akteneinsicht zu ermöglichen, sondern auch wegen dessen beruflicher Verhinderung den Termin zur mündlichen Verhandlung aufheben müssen. Das Gericht müsse auf die beruflichen Belange des Prozeßbevollmächtigten so weit wie möglich Rücksicht nehmen, insbesondere, wenn es sich um früher anberaumte anderweitige Termine handele. Durch die Nichtgewährung der Akteneinsicht und die Nichtaufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung sei der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt worden.
Es sei ein weiterer Verfahrensmangel, daß das FG das Verfahren nicht, wie beantragt, nach § 74 FGO ausgesetzt habe. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH (Hinweis auf Beschlüsse vom 18. Juli 1990 I R 12/90, BFHE 161, 409, BStBl II 1990, 986, und vom 8. Mai 1991 I B 132, 134/90, BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641) sei das FG verpflichtet, bei anhängigen Musterverfahren vor dem BFH und vor dem BVerfG das Verfahren auszusetzen. Ein solches Verfahren sei das beim III.Senat anhängig gewesene Verfahren . . ., dessen Ausgang das FG habe abwarten müssen. In diesem Verfahren sei es wie im Streitfall um die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage in bezug auf die Verfassungswidrigkeit u.a. des Grundfreibetrages gegangen. Es gehe dem Kläger nur um die Sicherung von Zinsansprüchen und sonstigen Ansprüchen, weshalb eine kurzfristige Entscheidung nicht erforderlich sei. Er habe dem Gericht angekündigt, er wolle die Klage einschränken oder zurücknehmen, wenn diese Parallelverfahren keinen Erfolg haben sollten.
Das FG habe verfahrensfehlerhaft gegen den ,,klaren Inhalt der Akten" verstoßen, wenn es im Tatbestand des Urteils davon ausgehe, das FA habe den Kläger darauf hingewiesen, ,,daß es über den Einspruch wegen der anhängigen Verfassungsbeschwerden und der ungeklärten Rechtslage noch nicht entscheiden könne". Tatsächlich sei in dem vom FG zitierten Schreiben des FA vom 14. März 1991 lediglich allgemein davon die Rede, daß ,,außerdem weitere Verfassungsbeschwerden zum Grundfreibetrag anhängig" seien.
Das FA spreche zwar von ungeklärter Rechtslage, dies jedoch im Zusammenhang mit dem Kinderfreibetrag für die Jahre 1983 bis 1985, der hier nicht streitig sei. Zu dem weiteren Einspruchsbegehren des Kläger sei nichts angeführt.
Die grundsätzliche Bedeutung sieht der Kläger allgemein in der Frage der Zulässigkeit von Untätigkeitsklagen bei anhängigen Musterverfahren vor dem BVerfG. Noch nicht höchstrichterlich geklärt sei, ob eine Untätigkeitsklage unzulässig sein könne, wenn und solange ein ausreichender Grund für die Untätigkeit des FA vorliege (Hinweis auf BFH-Beschluß vom 8. Dezember 1971 VIII B 7/67, BFHE 104, 191). Im Interesse der Allgemeinheit sei in diesem Zusammenhang auch zu klären, ob das FA nicht verpflichtet sei, in bezug auf die Verfassungsmäßigkeit z.B. des Grundfreibetrages dem Steuerpflichtigen eine Vorläufigkeitserklärung des Steuerbescheides anzubieten, um dann bezüglich anderer Punkte, die nicht bereits in Musterverfahren anhängig seien, über den Einspruch zu entscheiden. Klärungsbedürftig sei auch, ob das FA mit einer bewußt falschen Mitteilung über den Ruhensgrund die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage verhindern dürfe.
Das angefochtene Urteil weicht nach Auffassung des Klägers von den Beschlüssen des BFH vom 22.September 1967 VI B 19/67 (BFHE 90, 274, BStBl II 1968, 61) und vom 13. Mai 1971 V B 61/70 (BFHE 102, 31, BStBl II 1971, 492) ab. In diesen Beschlüssen fordere der BFH für § 46 FGO stets eine ,,eindeutige und präzise" Mitteilung des Grundes für die Verzögerung der Einspruchsentcheidung. Das FG sei, wenn es die unzureichende Mitteilung des FA vom 14. März 1991 für ausreichend halte, offenbar der Auffassung, auch eine ungenaue Mitteilung reiche aus, die teilweise eine im vorliegenden Einspruchsverfahren gar nicht angeschnittene Rechtsfrage betreffe.
Für die zunächst erforderliche Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde hat der Kläger die Richter am FG A, B und C sowie den Richter am FG D, der offenbar im Fall des Ausscheidens eines der drei abgelehnten Richter zuständigkeitshalber an dessen Stelle treten sollte, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Das FG verwarf durch die Richter A, B und C mit Beschluß vom 19. Dezember 1991 das Ablehnungsgesuch als insgesamt unzulässig. Hiergegen erhob der Kläger Beschwerde.
Ebenfalls mit Beschluß vom 19. Dezember 1991 hat das FG in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht abgeholfen.
Für den Fall, daß der erkennende Senat der Beschwerde nicht abhelfen werde, hält der Kläger die Prüfung für geboten, inwieweit das Tätigwerden des erkennenden Senats durch den senatsinternen Geschäftsverteilungsplan gedeckt ist.
Entscheidungsgründe
I. Der Senat entscheidet über die Beschwerde durch Beschluß (§ 132 FGO) außerhalb der mündlichen Verhandlung in der durch den Senatsgeschäftsverteilungsplan näher geregelten Besetzung von drei Richtern (§ 10 Abs. 3 FGO). Selbst bei weitestgehener Auslegung des § 21g Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 8. November 1967 IV C 154/65, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1968, 811, und die im BFH-Beschluß vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252, unter 5c zitierten Literaturnachweise) sind durch den Geschäftsverteilungsplan des X.Senats die dort aufgestellten Grundsätze gewahrt (vgl. Geschäftsverteilung des X.Senats, Verfügung des Vorsitzenden vom 23. Dezember 1991, Abschn. II 3a Nr.7 i.V.m. der klarstellenden Zusatzverfügung für Nebenverfahren vom 9. Januar 1992).
II. Der Senat kann über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheiden, obwohl bezüglich der Nichtabhilfeentscheidung des FG gegen die Richter, die an dem Beschluß mitgewirkt haben, ein Ablehnungsgesuch gestellt worden war. Die abgelehnten Richter konnten nach Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs mit Beschluß vom 19. Dezember 1991, auch wenn dieser noch nicht rechtskräftig war, an der Nichtabhilfeentscheidung mitwirken (vgl. BFH-Beschluß vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217, unter 2b). Dieser Beschluß ist wirksam, nachdem der erkennende Senat mit Beschluß vom heutigen Tage die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs als unzulässig verworfen hat.
III. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Die gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
a) Das FG hat nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör durch Verweigerung von Akteneinsicht verletzt.
aa) Das FG hat dem Kläger bzw. seinem Prozeßbevollmächtigten die Akteneinsicht nicht verweigert. Vielmehr ist sie unstreitig am 27. September 1991 in der Geschäftsstelle des FG gewährt worden. Damit ist das FG seiner Pflicht zur Gewährung von Akteneinsicht nachgekommen.
Die Akteneinsicht wird grundsätzlich in der Geschäftsstelle des mit der Streitsache befaßten Gerichts gewährt (z.B. BFH-Beschluß vom 24. März 1981 VII B 64/80, BFHE 133, 8, 12, BStBl II 1981, 475). Die Übersendung der Akten an das FA oder ein anderes Gericht am Geschäftsort des Prozeßbevollmächtigten steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (z.B. BFHE 133, 8, 11, BStBl II 1981, 475; vgl. z.B. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl., § 78 Rz.10, m.w.N.). Das Gericht handelt nicht ermessensfehlerhaft, wenn es die Versendung der Akten ablehnt, weil die Akten bei Gericht benötigt werden oder bei bevorstehender mündlicher Verhandlung eine rechtzeitige Rückkehr der Akten nicht gewährleistet ist. Das FG durfte daher im Streitfall die Versendung der Akten an das FA oder das Amtsgericht ablehnen.
bb) Eine Verweigerung der Akteneinsicht kann auch nicht darin gesehen werden, daß die Akteneinsicht unter zeitlichen Umständen ermöglicht worden ist, die nach den Behauptungen des Klägers die Einsichtnahme der Akten durch seinen Prozeßbevollmächtigten praktisch unmöglich machten. Der Kläger, dem das Verhalten seines Prozeßbevollmächtigten zuzurechnen ist (§ 155 FGO i.V.m. §§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -; ausf. z.B. Gräber/Koch, a.a.O., § 56 Rz.6 ff.), hat diese zeitlichen Umstände zu vertreten. Dem Verhalten des Prozeßbevollmächtigten ist es zuzuschreiben, daß das FG die Akteneinsicht erst am 27. September 1991 mit kurzfristiger, ihn möglicherweise erst verspätet erreichender Benachrichtigung gewähren konnte.
Dem Prozeßbevollmächtigten ist bereits vor seinem Urlaub durch den Vorsitzenden des FG mit Schreiben vom 30. Juli 1991 mitgeteilt worden, daß u.a. am 2. Oktober 1991 wegen mehrerer Untätigkeitsklagen von ihm vertretener Kläger mündliche Verhandlungen stattfinden sollten. Diesen und die anderen im Schreiben des Vorsitzenden vorab mitgeteilten Termine für mündliche Verhandlungen hatte der Vorsitzende des FG mit der Mitteilung des Prozeßbevollmächtigten vom 1. Juli 1991 über seinen Jahresurlaub und seine Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen abgestimmt. Der Prozeßbevollmächtigte konnte und mußte daher wissen, daß - wenn er die Akten nicht vor seinem Urlaub einsehen wollte - zwischen dem Ende seines Urlaubs am 26. September 1991 und dem vorgesehenen Termin zur mündlichen Verhandlung nur wenig Zeit für eine Akteneinsicht bleiben würde. Er hätte daher schon vor seinem Urlaub dafür sorgen können und müssen, daß das FG in den Verfahren, die auf den 2. Oktober 1991 anberaumt werden sollten, unmittelbar nach seinem Urlaub Akteneinsicht gewährt hätte.
Zumindest hätte der Prozeßbevollmächtigte - wenn er erst die Ladung zum Termin abwarten wollte - organisatorische Vorkehrungen dafür treffen können und müssen, daß der Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht ggf. auch während seines Urlaubs sofort nach Eingang der Ladung hätte gestellt werden können. Der Kläger hat in dem ebenfalls beim erkennenden Senat anhängigen Verfahren wegen Ablehnung der Richter des FG selbst vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter sei in der Zeit zwischen dem 27. August bis zum 6. September 1991 stunden- bzw. tageweise in seinem Büro gewesen, um Post durchzusehen und Unterschriften zu leisten. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist dem Prozeßbevollmächtigten am 4. September 1991 zugestellt worden. Er hatte danach bis zum 6. September 1991 ausreichend Zeit, den Antrag auf Akteneinsicht zu stellen und dafür zu sorgen, daß dieser ohne Verzögerung an das FG abgesandt wurde. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers war sein Prozeßbevollmächtigter in der Zeit vom 7. September 1991 bis zum Ende seines Urlaubs in X und dort für sein Büro nicht unerreichbar. Da sowohl das Hotel, in dem der Prozeßbevollmächtigte in dieser Zeit ausweislich der zum Nachweis der Abwesenheit vorgelegten Reiseunterlagen gewohnt hat, als auch der Prozeßbevollmächtigte selbst und das FG über einen Telefaxanschluß verfügen, wäre es dem Prozeßbevollmächtigten durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen ohne weiteres möglich gewesen zu verhindern, daß sein Antrag auf Akteneinsicht so spät beim FG einging, daß die Einsichtnahme in die Akten, wie er selbst vorträgt, praktisch vor der mündlichen Verhandlung nicht mehr möglich war.
b) Das FG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör auch nicht dadurch verletzt, daß es den Antrag auf Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung abgelehnt hat.
Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 ZPO kann ein gerichtlicher Termin nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Liegen erhebliche Gründe i.S. von § 227 ZPO vor, verdichtet sich die nach dieser Vorschrift eingeräumte Ermessensfreiheit zu einer Rechtspflicht, d.h. der Termin muß in diesen Fällen zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs aufgehoben werden, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird (z.B. BFH-Urteile vom 14. Oktober 1975 VII R 150/71, BFHE 117, 19, BStBl II 1976, 48; vom 26. April 1991 III R 87/89, BFH/NV 1991, 830). Erhebliche Gründe i.S. des § 227 ZPO lagen im Streitfall nicht vor.
aa) Kein Grund für die Aufhebung des Termins war der Umstand, daß nach Eingang des Antrages des Klägers auf Akteneinsicht tatsächlich nur wenig Zeit dafür blieb, die Akten einzusehen. Wie vorstehend ausgeführt, hatte der Kläger, dem das Verhalten seines Prozeßbevollmächtigten zuzurechnen war, diese Tatsache selbst zu vertreten. Es kann nicht in der Hand des Klägers bzw. seines Prozeßbevollmächtigten liegen, durch einen erst kurzfristig vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Akteneinsicht das FG zu zwingen, den Termin aufzuheben.
bb) Das FG war auch nicht deshalb zur Aufhebung oder Vertagung des Termins verpflichtet, weil der Prozeßbevollmächtigte behauptet hatte, am Tag der mündlichen Verhandlung einen schon lange vorher vereinbarten öffentlichen Beratungstermin beim A-Verein wahrnehmen zu müssen.
Eine Terminsaufhebung ist nach der Rechtsprechung des BFH auch dann nicht ohne weiteres geboten, wenn der Kläger oder sein Prozeßbevollmächtigter vortragen, zu dem angesetzten Zeitpunkt einem anderen Gerichtstermin nachkommen zu müssen. Auch dann ist zu prüfen, ob nicht eine Verlegung dieses Termins oder die Vertretung durch einen anderen Prozeßbevollmächtigten zumutbar ist (BFH-Urteile vom 5. Dezember 1979 II R 56/76, BFHE 129, 297, BStBl II 1980, 208; in BFH/NV 1991, 830). Welche Gründe als erheblich i.S. des § 227 ZPO anzusehen sind, richtet sich nach dem Prozeßstoff und den persönlichen Verhältnissen des Klägers bzw. seines Prozeßbevollmächtigten (BFH-Urteil vom 24. November 1976 II R 28/76, BFHE 121, 132, BStBl II 1977, 293). In der Regel ist jedoch, wenn nicht besondere Umstände vorliegen - etwa der begründete Anlaß zur Prozeßverschleppung (vgl. BFH-Beschluß vom 15. Dezember 1987 VIII R 132/86, BFH/ NV 1988, 506) - ein anderer gerichtlicher Termin ein erheblicher Grund für die Terminsverlegung (BFH/NV 1991, 830, m.w.N.).
Der Senat kann offenlassen, ob er der Auffassung des FG folgen könnte, andere als Gerichtstermine seien stets nachrangig. Denn jedenfalls unter den besonderen Verhältnissen des Streitfalles war das FG nicht verpflichtet, den Termin aufzuheben oder zu vertagen.
Die Besonderheit des Streitfalles liegt darin, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nach den in der Entscheidung des Vorsitzenden des FG vom 1. Oktober 1991 getroffenen Feststellungen innerhalb von wenigen Wochen mehr als 1000 Untätigkeitsklagen für von ihm vertretene Mandanten erhoben hat. Ungeachtet des Umstandes, daß Ziel der Untätigkeitsklage eine rasche Entscheidung ist, die das FA angeblich verweigert, hatte der Prozeßbevollmächtige trotz der von ihm eingereichten zahlreichen Untätigkeitsklagen dem FG eine verhältnismäßig lange urlaubsbedingte Abwesenheit von Anfang August bis zum 26. September 1991 angekündigt. Der Vorsitzende des FG hat hierauf und auf die vom Prozeßbevollmächtigten mitgeteilten Fortbildungsveranstaltungen, an denen er teilnehmen wollte, Rücksicht genommen und dem Prozeßbevollmächtigten bereits vor dessen Urlaub, mit Schreiben vom 30. Juli 1991, mitgeteilt, daß nach Urlaubsende eine Reihe von Verhandlungstagen für einen Teil der Untätigkeitsklagen vorgesehen sei, u.a. auch am 2. Oktober 1991. Unter diesen Umständen war es dem Prozeßbevollmächtigten zuzumuten, sich entweder um einen Vertreter für den Verhandlungstermin vom 2. Oktober 1991 zu bemühen, wenn er den vereinbarten Beratungstermin beim A-Verein selbst wahrnehmen wollte, oder sich um eine Vertretung bei dem Beratungstermin oder um die Verlegung dieses Termins zu bemühen. Auch wenn dieser Beratungstermin, wie der Prozeßbevollmächtigte des Klägers vorträgt, schon lange vorher vereinbart und in Rundschreiben mitgeteilt worden ist, ist nicht ersichtlich, weshalb eine Verlegung des Beratungstermins ausgeschlossen sein sollte, denn eine Verlegung wäre auch z.B. bei Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten geboten gewesen, wenn eine Vertretung - aus welchen Gründen auch immer - nicht möglich war. Ein Prozeßvertreter kann keine verfahrensrechtlichen Ansprüche daraus herleiten, daß er es versäumt hat, seine Arbeit - vor allem die Übernahme von Mandaten - so zu gestalten, daß eine angemessene Interessenvertretung gewährleistet ist.
c) Die Rüge, das FG sei von unzutreffenden Feststellungen ausgegangen, wenn es die in der Mitteilung des FA vom 14. März 1991 genannten Gründe für zureichend i.S. des § 46 FGO gehalten habe, betrifft nicht die mangelnde Ermittlungspflicht (Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten) des FG, sondern die vom Kläger und dem FG - in der vom Kläger zitierten Passage aus der Urteilsbegründung - unterschiedlich beanwortete Rechtsfrage, ob die dem Kläger vom FA mitgeteilten Gründe dafür, weshalb über den Einspruch noch nicht entschieden wird, zureichend i.S. des § 46 FGO sind. Daß das FG im Tatbestand nicht den vollständigen Text der durch Erwähnung in Bezug genommenen (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl., 1987, § 118 Rz.27) Mitteilung zitiert, sondern deren Inhalt nur zusammenfassend wiedergibt, ist unerheblich.
d) Das FG mußte das Verfahren nicht wegen eines anhängigen Musterprozesses nach § 74 FGO aussetzen.
Eine Aussetzung des Verfahrens kommt nicht schon deshalb in Betracht, weil in derselben Rechtsfrage (hier: Zulässigkeit der Untätigkeitsklage) ein Musterprozeß beim BFH anhängig ist (vgl. Beschluß vom 8. Juni 1990 III R 41/90, BFHE 161, 1, BStBl II 1990, 944). Das FG war deshalb nicht mit Rücksicht auf das vom Kläger zitierte, beim III.Senat anhängige und durch Zurücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde erledigte Verfahren verpflichtet, das Verfahren auszusetzen.
Eine Aussetzung des Verfahrens ist allerdings dann in Betracht zu ziehen, wenn wegen der gleichen Rechtsfrage beim BVerfG eine Verfassungsbeschwerde anhängig ist (BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641; BFHE 161, 409, BStBl II 1990, 986). Soweit der Kläger geltend macht, die Klagesache betreffe materiell-rechtliche Fragen (u.a. die Höhe des Grundfreibetrages),deretwegen Verfassungsbeschwerden und Vorlagebeschlüsse beim BVerfG anhängig seien, war das FG deshalb nicht zur Aussetzung verpflichtet, weil es vorrangig die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage zu prüfen und mithin über eine andere Rechtsfrage zu entscheiden hatte.
2. Die Sache hat entgegen der Auffassung des Klägers keine grundsätzliche Bedeutung.
a) Nicht klärungsfähig ist die Rechtsfrage, ob eine Untätigkeitsklage stets unzulässig ist, wenn das FA einen zureichenden Grund dafür mitgeteilt hat, daß über den Einspruch nicht entschieden wird. Nicht klärungsfähig ist auch, unter welchen Voraussetzungen das FG bei einer - wegen Vorliegens eines zureichenden Grundes - unzulässigen Untätigkeitsklage verpflichtet sein kann, das Verfahren nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO auszusetzen, damit die Klage zulässig werden kann.
Ist - wie im Streitfall - eine Untätigkeitsklage zu einem Zeitpunkt erhoben worden, in dem wegen eines vor dem BVerfG anhängigen Musterverfahrens (hier: Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages) weder das FA noch das FG eine Entscheidung in der Sache treffen können, so ist sie rechtsmißbräuchlich und daher unzulässig. Eine rechtsmißbräuchlich erhobene Untätigkeitsklage kann nicht in die Zulässigkeit hineinwachsen (BFH-Beschluß vom 8. Mai 1992 III B 138/92, BFHE 167, 303, BStBl II 1992, 673), mit der Folge, daß unter keinen Umständen eine Aussetzung des Verfahrens nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO zulässig wäre.
aa) Der Kläger hat mit der Klage u.a. die Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrages für das Streitjahr 1989 geltend gemacht. Bezüglich des Grundfreibetrages für 1988, der mit demjenigen für das Streitjahr übereinstimmt, waren Musterverfahren beim BVerfG anhängig (Vorlagebeschluß des Niedersächsischen FG vom 15. Januar 1991 IX 427 und 437/90, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1991, 260; Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BFH vom 8. Juni 1990 III R 14-16/90, BFHE 161, 109, BStBl II 1990, 969), die nicht offensichtlich aussichtslos waren (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408). Bei den FÄ waren eine Vielzahl von Einspruchsverfahren mit derselben Rechtsfrage anhängig (Massenverfahren). Unter diesen Voraussetzungen war nicht nur das FA, sondern auch das FG an einer Entscheidung in der Sache gehindert.
bb) Selbst wenn der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung weder die Entscheidung des BFH in BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641 noch den Beschluß in BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408) gekannt haben sollte, ändert dies nichts an der Mißbräuchlichkeit der Klageerhebung. Denn der Kläger selbst hat die Aussetzung des Klageverfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrages beantragt. Er hat damit selbst zum Ausdruck gebracht, daß die Klage nicht dazu dienen sollte, eine raschere Sachentscheidung zu erreichen. Dies und der Umstand, daß der Kläger seine Klage formularmäßig unter Hinweis auf die anhängigen Musterverfahren beim BVerfG begründet hat, zeigt, daß es dem Kläger auch nicht darum ging, etwa neue, bisher noch nicht vorgetragene Argumente an das BVerfG heranzutragen, sei es im Rahmen einer Vorlage nach Art.100 des Grundgesetzes (GG) oder einer sich an ein erfolgloses Klage- bzw. Revisionsverfahren anschließenden Verfassungsbeschwerde. Mißbräuchlich ist die Untätigkeitsklage nach § 46 FGO im Streitfall auch deshalb, weil sie objektiv im Hinblick auf den Gesetzeszweck, bei Verzögerung der außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung bereits vor deren Ergehen eine Sachentscheidung zu erhalten, offensichtlich sinnlos erscheint. Das FG hätte, wenn es die Verpflichtung zur Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO nicht beachtet hätte, entweder die Sache nach § 100 GG dem BVerfG vorlegen oder, wenn es die gesetzliche Regelung des Grundfreibetrags für verfassungsgemäß gehalten hätte, die Klage insoweit abweisen müssen. Im Falle der Klageabweisung hätte der Kläger nach Anrufung des BFH und bei Erfolglosigkeit dort Verfassungsbeschwerde einlegen müsen, wenn er sein Klagebegehren aufrechterhalten wollte. Er hätte deshalb nur ein zusätzliches Kostenrisiko getragen, ohne daß der Steuerrechtsstreit in diesem Punkt endgültig hätte entschieden werden können.
cc) Die Mißbräuchlichkeit der Erhebung der Untätigkeitsklage zeigt sich im Streitfall weiter besonders deutlich darin, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nach den Feststellungen des Vorsitzenden des FG in dessen Entscheidung über den Antrag auf Terminsaufhebung vom 1. Oktober 1991 innerhalb von wenigen Wochen mehr als 1000 vergleichbare Untätigkeitsklagen für von ihm vertretene Mandanten eingereicht hatte. Würden alle steuerlichen Berater in dieser Weise verfahren, wären die FG mit einer solchen Flut von Untätigkeitsklagen überhäuft, daß ihre Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt wäre, ohne daß dies mit einem prozessualen Vorteil des betroffenen Steuerpflichtigen verbunden wäre. Das mißbräuchliche Verhalten seines Prozeßbevollmä
chtigten muß sich der Kläger zurechnen lassen.
b) Die Klageerhebung war nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil die Rechtshängigkeit für die Dauer des Verfahrens einen Anspruch auf Prozeßzinsen (§ 236 der Abgabenordnung - AO 1977 -) auslöst. Die Entstehung eines solchen Anspruchs ist die gesetzlich vorgschriebene Nebenfolge einer Anrufung des Gerichts. Sie kann jedoch nicht selbständiges Hauptziel einer Klage sein.
Hinzu kommt im Streitfall, daß Steueransprüche ab dem Veranlagungszeitraum 1989, mithin ab dem Streitjahr, nach § 233a AO 1977 ohnehin verzinst werden. Da die Klage zu einem Zeitpunkt (24. Juni 1991) erhoben worden ist, als der Zinslauf schon begonnen hatte, kann die Entstehung von Prozeßzinsen nicht Motiv für die Erhebung der Untätigkeitsklage gewesen sein.
c) Kein Grund für die Erhebung einer Untätigkeitsklage ist weiter die im Einspruchsverfahren, nicht jedoch im finanzgerichtlichen Verfahren bestehende Möglichkeit, den angefochtenen Verwaltungsakt auch zum Nachteil dessen zu ändern, der den Einspruch eingelegt hat (sog. Verböserung, § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Das Verfahren über die Untätigkeitsklage hat die Besonderheit, daß vom FA noch keine Einspruchsentscheidung getroffen worden ist und daher während des Klageverfahrens jederzeit nachgeholt werden kann (vgl. insbesondere § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO). Dabei kann das FA den angegriffenen Steuerbescheid im Rahmen des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 noch verbösern, da das Verböserungsverbot nur das Gericht betrifft. Daher wurde die Rechtsposition des Klägers, was die Verböserungsgefahr anbelangt, durch Erhebung der Untätigkeitsklage nicht verbessert.
d) Gerechtfertigt ist die Klageerhebung auch nicht mit Rücksicht darauf, daß der Kläger geltend macht, der Steuerbescheid sei fehlerhaft adressiert, weil er an ihn z.Hd. seines Prozeßbevollmächtigten gerichtet gewesen sei. Diese Adressierung läßt ohne weiteres erkennen, daß der Prozeßbevollmächtigte nur als Empfänger, nicht jedoch als Inhaltsadressat des Steuerbescheids gemeint ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120, unter B III 1). Die Rüge der ungenauen Adressierung war danach offensichtlich nicht berechtigt; der Kläger hat sie selbst nicht weiter aufrechterhalten (Schriftsatz an das FG vom 24. September 1991). Für die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides kam es deshalb allein auf die Frage des Grundfreibetrages und auf die übrigen mit der Klage geltend gemachten materiell-rechtlichen Einwände an.
e) Gerechtfertigt ist die Klageerhebung des weiteren nicht mit Rücksicht auf die im Einspruchsverfahren geltend gemachte Verfassungswidrigkeit des beschränkten Abzugs von Vorsorgeaufwendungen und die Nichtberücksichtigung geltend gemachter Werbungskosten. Bezüglich der geltend gemachten Werbungskosten fehlt das Interesse für die Erhebung der Untätigkeitsklage schon deshalb, weil der Kläger diese Aufwendungen mit der Klage nicht mehr geltend gemacht hat.
Hinsichtlich der Vorsorgeaufwendungen verwies der Kläger zur Begründung lediglich auf eine diesbezüglich anhängige Verfassungsbeschwerde. An einer Sachentscheidung war ihm - wie sein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ,,wegen verschiedener beim BVerfG anhängiger Verfassungsbeschwerden und Vorlagebeschlüsse in Parallelverfahren" zeigt (Schriftsatz vom 1. Oktober 1991) - auch insoweit nicht gelegen.
Enscheidend ist jedoch, daß - auch wenn insoweit die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Einspruchs- und Klageverfahrens nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen nicht vorgelegen hätten - weder das FA eine Teileinspruchsentscheidung noch das FG ein Teilurteil allein zu diesem Punkt hätten erlassen dürfen. Bei einem Steuerbescheid läßt sich der Streitgegenstand wegen des Progressionstarifs und wegen der einkommensabhängigen Freibeträge in der Regel nicht in Teilbeträge zerlegen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 367 AO 1977 Rz.9 und § 98 FGO Rz.2; Gräber, a.a.O., § 98 Rz.2). Die Einspruchsentscheidung hing daher insgesamt wegen des anhängigen Musterverfahrens über den Grundfreibetrag für das Streitjahr von der Entscheidung des BVerfG ab.
Allerdings hätte das FA die Abhängigkeit vermeiden können, wenn es den mit dem Einspruch angegriffenen Steuerbescheid für vorläufig erklärt hätte. Ein solcher Vorläufigkeitsvermerk wäre möglich gewesen (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 9. August 1991 III R 48/90, BFHE 165, 162, BStBl II 1991, 868, und Urteil vom 9. August 1991 III R 41/88, BFHE 166, 1, BStBl II 1992, 219). Doch ist hierüber im anhängigen Verfahren nicht zu entscheiden. Auch wenn die FÄ unter bestimmten Voraussetzungen zur Vorläufigkeitserklärung verpflichtet werden können (vgl. BFH-Urteil vom 7. Februar 1992 III R 61/91, BFHE 167, 279, BStBl II 1992, 592), setzt eine Verpflichtung durch das FG - auch im Rahmen einer Untätigkeitsklage - voraus, daß der Kläger vorher erfolglos eine Vorläufigkeitserklärung beim FA beantragt hat. Dies ist nicht geschehen; vielmehr hat der Kläger in der Klageschrift ausgeführt, das FA habe den Steuerbescheid ,,bezüglich der Kinder- und Grundfreibeträge nach § 165 AO ergehen lassen (wollen). Mit dieser Verfahrensweise konnte sich die Klägerseite nicht einverstanden erklären". Aus demselben Grund ist auch die vom Kläger für grundsätzlich gehaltene Frage nicht klärungsfähig, ob das FA verpflichtet ist, mit Rücksicht auf beim BVerfG anhängige Musterverfahren den Steuerbescheid insoweit für vorläufig zu erklären.
f) Keine grundsätzliche Bedeutung hat die Frage, ob das FA mit einer bewußt falschen Mitteilung über den Grund dafür, daß über den Einspruch noch nicht entschieden wird, die Untätigkeitsklage verhindern kann, denn diese Frage läßt sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten.
3. Die Divergenzrüge ist nicht ordnungsgemäß erhoben.
Zur Darlegung der Abweichung muß nach ständiger Rechtsprechung (ausführlich z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz.63, mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen) der Beschwerdeführer dartun, daß das vorinstanzliche Gericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit der näher bezeichneten Rechtsprechung des Revisionsgerichts nicht übereinstimmt. Der Kläger behauptet nicht, das FG sei von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, wenn er darlegt, das FG hätte zur der Auffassung gelangen müssen, die Mitteilung des FA über den Grund für die Nichtentscheidung sei inhaltlich falsch und der genannte Grund nicht zureichend i.S. des § 46 FGO. Damit rügt er lediglich die - vermeintlich - fehlerhaft Anwendung der in den zitierten Entscheidungen des BFH aufgestellten Grundsätze - von denen das FG in seiner Entscheidung nicht abweicht - auf den konkreten Sachverhalt.
Fundstellen
Haufe-Index 418869 |
BFH/NV 1993, 732 |