Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung von Zulassungsgründen § 115 FGO; Anwendung der Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 S. 2 EStG zur Nutzungswertbesteuerung
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; EStG 1990 § 52 Abs. 21; EStG 1997 § 52 Abs. 21
Verfahrensgang
FG Münster (Urteil vom 20.10.2004; Aktenzeichen 10 K 2413/03 E) |
Gründe
Die Beschwerde ist --bei erheblichen Zweifeln an ihrer Zulässigkeit-- jedenfalls nicht begründet.
1. Grundsätzliche Bedeutung und Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--)
a) Nutzungswertbesteuerung
Nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) haben die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nach der Aufstockung ihres Hauses die bisher zusammen mit der Wohnung im Erdgeschoss gelegenen Räume der Steuerberaterpraxis des Ehemannes in den ersten Stock verlegt und die Wohnung um die bisher beruflich genutzten Zimmer vergrößert. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) und ihm folgend das FG haben angenommen, dadurch sei die selbst genutzte Wohnung so verändert worden, dass sie nicht mehr als die durch die Übergangsregelung des § 52 Abs. 21 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung begünstigte Wohnung angesehen werden könne. Die selbst genutzte Wohnung unterliege nicht mehr der Nutzungswertbesteuerung.
Diese Auffassung greifen die Kläger an, ohne in diesem Zusammenhang eine abstrakte Rechtsfrage zu formulieren und ihre grundsätzliche Bedeutung darzutun (vgl. zu diesem Erfordernis Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz. 32).
Die Kläger haben auch keinen abstrakten Rechtssatz des FG-Urteils herausgearbeitet, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung eines anderen Gerichts widerspricht (vgl. hierzu z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. September 2005 V B 173/04, BFH/NV 2006, 558, mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung).
Allerdings könnte eine nachträgliche Divergenz zu den BFH-Urteilen vom 15. Februar 2005 IX R 40/04 (BFH/NV 2005, 1516) und vom 22. September 2005 IX R 21/03 (BFH/NV 2006, 278) vorliegen. Diese Urteile sind erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist ergangen, so dass die Kläger eine Abweichung von ihnen nicht geltend machen konnten.
In diesen Urteilen hat der BFH entschieden, dass der ohne wesentliche bauliche Veränderungen durchgeführte Ausbau von im Dachgeschoss befindlichen Räumen der Fortführung der Nutzungswertbesteuerung für die bisherige Wohnung ebenso wenig entgegensteht wie die Erweiterung der Wohnung um einen Anbau. An seiner bisherigen Rechtsprechung, der zufolge es darauf ankam, ob die zusätzlich geschaffene Wohnfläche von untergeordneter Bedeutung war oder die Wohnung wesentlich vergrößerte, hat er nicht mehr festgehalten (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 278, 279, re.Sp.).
Zwar sind FA und FG von der bisherigen, nunmehr aufgegebenen Rechtsprechung ausgegangen. Gleichwohl weicht das Urteil des FG im Ergebnis nicht von den neuen Entscheidungen ab. Die Nämlichkeit der ursprünglichen Wohnung ist nämlich dann nicht gewahrt, wenn sich die Struktur der Wohnung durch Einbeziehung von Räumen ändert, die zuvor in einem anderen Nutzungs- und Funktionszusammenhang gestanden haben (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 278, 279, li.Sp.), z.B. durch Einbeziehung einer bisher fremd genutzten Wohnung oder eines beruflich genutzten Arbeitszimmers (BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 58/96, BFH/NV 1998, 313). Was für die Einbeziehung einer fremd genutzten Wohnung gilt, muss auch für die Einbeziehung der zum freiberuflichen Betriebsvermögen gehörenden Räume einer Steuerberater-Praxis gelten.
b) Steuerbegünstigung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus (§§ 10e, 34f EStG)
Das FG hat die Voraussetzungen für diese Steuerbegünstigung mit der Begründung als nicht erfüllt angesehen, dass die Kläger keine Herstellungskosten geltend gemacht hätten, die eine Erweiterung oder einen Anbau an eine zu Wohnzwecken genutzte Wohnung belegten. Die Kosten für die Erweiterung um ein weiteres Stockwerk hätten die Kläger ausschließlich den Bereichen der betrieblichen Nutzung oder der Fremdvermietung zugeordnet. Hiergegen wenden die Kläger sinngemäß ein, die Herstellungskosten entfielen anteilig auch auf die selbst genutzte Wohnung (z.B. das Dach). Mit diesem Vorbringen wird aber weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch die Abweichung von einer Entscheidung eines anderen Gerichts dargetan.
c) Absetzungen für außergewöhnliche technische und wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) nach § 7 Abs. 1 Satz 7 --früher Satz 5-- EStG
Das FG hat argumentiert, eine AfaA scheide bereits nach § 7 Abs. 2 Satz 4 EStG aus, weil die Kläger die Abschreibung an dem aufgestockten Gebäudeteil degressiv vornähmen. Die Kläger machen geltend, das FG habe "zweifellos sämtliche einschlägigen Rechtsvorschriften übersehen". Unbestritten sei "lt. allen Kommentaren, Normen, Verwaltungsanweisungen, dass auch bei degressiv abgeschriebenen Gebäuden (R 44 XIII EStR) eine AfA (gemeint ist wohl AfaA) möglich" sei. Hierdurch werden weder eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO in zulässiger Weise dargetan.
Allerdings befasst sich der vom FG zur Begründung seiner Entscheidung herangezogene § 7 Abs. 2 EStG nur mit den Absetzungen für Abnutzung (AfA) für bewegliche Wirtschaftsgüter. Man kann jedoch in der Vorschrift auch den Ausdruck eines allgemeinen gesetzgeberischen Willens sehen, AfaA bei degressiver Abschreibung nicht zuzulassen (Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 7 EStG, Anm. 474). Hierfür spricht auch der Wortlaut des die degressive AfA für Gebäude regelnden § 7 Abs. 5 EStG, der AfaA --im Gegensatz zu § 7 Abs. 4 EStG (dort durch Verweisung auf Abs. 1 letzter Satz)-- nicht zulässt (Werndl in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 7 Rdnr. F 36). Auch die Finanzverwaltung geht in R 7.4 Abs. 11 (früher R 44 Abs. 13) der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) davon aus, dass der Wortlaut des Gesetzes AfaA nur bei Gebäuden zulässt, bei denen die AfA nach § 7 Abs. 4 EStG bemessen wird. Sie beanstandet es lediglich nicht, wenn AfaA für Gebäude geltend gemacht werden, bei denen AfA nach § 7 Abs. 5 EStG vorgenommen wird.
Der Senat kann offen lassen, ob der Streitfall offenkundig die grundsätzlich bedeutsame Frage aufwirft, ob es sich bei R 7.4 Abs. 11 (früher R 44 Abs. 13) EStR um eine zutreffende Auslegung des Gesetzes oder um eine die Gerichte nicht bindende Billigkeitsregelung handelt (zur offenkundigen grundsätzlichen Bedeutung vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 32, m.w.N.). Jedenfalls wäre diese Frage nicht entscheidungserheblich. AfaA kommt nicht bereits dann in Betracht, wenn sich der Wert eines Wirtschaftsgutes gemindert hat (vgl. z.B. HHR/Nolde, § 7 EStG, Anm. 253 E 138; Schmidt/Drenseck, EStG, 24. Aufl., § 7 Rz. 123). Sie setzen vielmehr eine Substanzeinbuße (technische Abnutzung) oder eine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit des jeweiligen Wirtschaftsgutes (wirtschaftliche Abnutzung ‐ BFH-Urteil vom 16. Februar 1993 IX R 132/88, BFH/NV 1993, 646) voraus. Die Kläger haben die AfaA damit begründet, dass das Grundstück wahrscheinlich durch Altlasten einer früher dort betriebenen Fabrik kontaminiert ist. Sie haben aber nichts Nachprüfbares dazu vorgetragen, inwieweit die Nutzbarkeit des Grundstücks hierdurch in den Streitjahren beeinträchtigt sein soll. Sie haben im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren zwar Auszüge aus Gutachten aus dem Jahre 1989 vorgelegt, die sich mit der Möglichkeit einer akuten Gefährdung der Bewohner befassen (Anlagen zum Schriftsatz vom 5. September 2002). Ohne weitere Konkretisierung ist aber nicht erkennbar, inwieweit das in den Jahren 1989/1990 errichtete Obergeschoss hiervon betroffen sein soll. Die Kläger können sich insoweit auch nicht darauf berufen, dass hinsichtlich der alten Gebäudeteile in dem die Jahre 1988 und 1989 betreffenden finanzgerichtlichen Verfahren 10 K 2433/91 E eine Teilwertabschreibung im Wege einer außergerichtlichen Einigung anerkannt wurde. Eine Teilwertabschreibung ist selbst nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 bereits dann gerechtfertigt, wenn eine voraussichtlich dauernde Wertminderung zu erwarten ist. Durch dieses Element der Prognose unterscheidet sie sich von den AfaA (HHR/Nolde, § 7 EStG, Anm. 243). Auch wenn die in der Vergangenheit vorgenommene Teilwertabschreibung geboten gewesen sein sollte, lässt sich hieraus keine Indizwirkung für die Rechtfertigung von AfaA herleiten.
d) Teilwertabschreibung
Das FG hat entschieden, dass eine Teilwertabschreibung der betrieblich genutzten Gebäudeteile im Obergeschoss nicht in Betracht kommt, weil der Kläger im Jahr 1996, für das er die Teilwertabschreibung geltend machen will, seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelt hat. Das entspricht der BFH-Rechtsprechung sowie der herrschenden Meinung im Schrifttum (Schmidt/Glanegger, a.a.O., § 6 Rz. 250 "Gewinnermittlung"). Im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG kann nicht bereits die Wertminderung, sondern nur der Verlust eines Wirtschaftsgutes berücksichtigt werden (vgl. z.B. Senatsurteile vom 2. September 1971 IV 342/65, BFHE 104, 311, BStBl II 1972, 334, und vom 23. November 1978 IV R 146/75, BFHE 126, 298, BStBl II 1979, 109). Die Kläger haben keine Gesichtspunkte dargelegt, die es notwendig erscheinen lassen, dass der dem FG-Urteil zugrunde liegende Rechtssatz (erneut) durch den BFH überprüft wird.
Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Teilwertabschreibung sei im Rahmen der "Auseinandersetzungsbilanz/Realteilung" auf den 1. Januar 1996 vorgenommen worden. Es handelt sich bei dieser Bilanz offenbar um eine Sonderbilanz des Klägers, die anlässlich der Beendigung der bis zum 2. Januar 1996 bestehenden Sozietät aufgestellt wurde. Das hieße aber, dass die Teilwertabschreibung --wäre sie denn vorgenommen worden und anzuerkennen-- bei der Gewinnermittlung der Sozietät zu berücksichtigen gewesen wäre, über die im Streitfall nicht zu befinden ist.
e) Veräußerungserlös ‐ halber Steuersatz
Dem FG-Urteil zufolge hat das FA die Zahlung des im Jahre 1997 in die damals bestehende Einzelpraxis aufgenommenen Sozius in das Vermögen des Klägers zu Recht dem vollen Steuersatz unterworfen. Dabei hat sich das FG auf die Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98 (BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123) berufen. Die Ausführungen der Kläger lassen nicht erkennen, aus welchem Grund die Allgemeinheit ein Interesse daran haben könnte, dass die Entscheidung des Großen Senats erneut überprüft wird. Hieran vermag auch der nicht näher konkretisierte Hinweis auf das spätere Auseinandergehen der im Jahre 1997 begründeten Sozietät nichts zu ändern.
2. Gravierende Rechtsfehler
Das Vorliegen eines gravierenden Rechtsfehlers, der auch ohne grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder Divergenz zur Zulassung der Revision führt, hat der BFH bejaht, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25). Das Vorliegen solcher Fehler haben die Kläger nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt.
3. Verfahrensfehler
Auch Verfahrensfehler haben die Kläger nicht in zulässiger Weise gerügt. Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht, das FG habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 76 FGO) verstoßen, so muss u.a. schlüssig dargelegt werden, welche Beweise das FG nicht erhoben hat, warum der Beschwerdeführer nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat oder warum sich dem FG eine Beweiserhebung auch ohne besonderen Antrag habe aufdrängen müssen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 17. August 1999 IV B 155/98, BFH/NV 2000, 438). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde der Kläger nicht.
Auch soweit die Kläger geltend machen, das FG habe ihren Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 des Grundgesetzes, § 96 FGO), ist ein Verfahrensfehler nicht ordnungsgemäß i.S. von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet. Dazu hätten die Kläger u.a. zu jedem einzelnen Punkt konkret darlegen müssen, was sie bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätten, und weiter, dass bei Zugrundelegung dieses Sachvortrages eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre.
Es besteht weder ein Anspruch auf die Durchführung eines Erörterungstermins noch auf die Erteilung eines Hinweises, wenn das Gericht beabsichtigt, sich der Auffassung des Prozessgegners anzuschließen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 3. März 1998 VIII R 66/96, BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383).
Fundstellen