Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfahrungssätze und Denkgesetze als materielles Recht; Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten
Leitsatz (NV)
1. Ein Verstoß gegen Erfahrungssätze oder Denkgesetze verletzt nicht Verfahrensrecht, sondern materielles Recht.
2. Die Rüge, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, ist im allgemeinen als Rüge der Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzufassen, kann aber auch als Aufklärungsrüge verstanden werden. In beiden Fällen müssen die Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an eine solche Rüge erfüllt sein.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 115
Verfahrensgang
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist unzulässig. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat entgegen § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) keinen Zulassungsgrund i. S. von § 115 Abs. 2 FGO schlüssig dargelegt. Er hat insbesondere keinen Verfahrensmangel i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO mit seinem Vorbringen schlüssig gerügt, das FG habe bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstoßen und den klaren Inhalt der Akten nicht beachtet.
Mit der Rüge, das FG habe bei der Beweiswürdigung allgemeine Erfahrungssätze und Denkgesetze verletzt, kann ein Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht begründet werden. Ein etwaiger Verstoß gegen Erfahrungssätze und Denkgesetze verletzt nicht Verfahrensrecht, sondern verstößt gegen materielles Recht (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671; vom 11. Februar 1991 V B 13/89, BFH/NV 1992, 668; ständige Rechtsprechung).
Die Rüge, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, ist im allgemeinen als Rüge der Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzufassen: Das Gericht habe den ermittelten Sachverhalt nur unvollständig berücksichtigt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1993, Anm. 26 zu § 115; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rn. 204). Sie kann aber auch als Aufklärungsrüge verstanden werden. In beiden Fällen müssen jedoch die gesetzlichen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an eine solche Rüge erfüllt sein (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 19. Oktober 1977 II R 89--92/71, BFHE 124, 208, BStBl II 1978, 217; BFH-Beschluß vom 13. April 1976 VI B 12/76, BFHE 118, 546, BStBl II 1976, 503). So gehören zur ordnungsgemäßen Rüge, das FG habe den Sachverhalt weiter aufklären müssen, u. a. Ausführungen dazu, daß die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig beanstandet worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte, und daß das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme auf der Grundlage der materiellen Rechtsauffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. BFH- Beschlüsse vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562; vom 4. Februar 1991 V B 94/89, BFH/NV 1992, 668). Dem entspricht die Beschwerdebegründung nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 423326 |
BFH/NV 1995, 128 |