Entscheidungsstichwort (Thema)
Hamburgische Zweitwohnungsteuer
Leitsatz (NV)
An der Verfassungsmäßigkeit des Hamburgischen Zweitwohnungsteuergesetzes bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO.
Normenkette
Hamburgisches Zweitwohnungsteuergesetz §§ 1-3; FGO § 69 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) bewohnt in X, wo sie sich überwiegend aufhält, eine Wohnung, die sie als Hauptwohnung gemeldet hat. Außerdem bewohnt die Antragstellerin eine Wohnung in Hamburg, die sie als Nebenwohnung gemeldet hat und die sie zu privaten Zwecken nutzt. Die monatliche Nettomiete für diese Wohnung betrug im Januar 1993 ... DM.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) setzte mit Bescheid vom 30. Juni 1994 gegen die Antragstellerin für die Jahre 1993, 1994 und 1995 eine Zweitwohnungsteuer fest. Hiergegen hat die Antragstellerin am 7. Juli 1994 gemäß § 45 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Sprungklage erhoben; das FA hat der Erhebung der Sprungklage am 2. August 1994 zugestimmt. Die Antragstellerin hatte mit Schreiben vom 6. Juli 1994 beim FA die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Zweitwohnungsteuerbescheids beantragt. Das FA hat den Antrag mit Bescheid vom 13. Juli 1994 abgelehnt. Mit ihrem am 20. Juli 1994 beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung machte die Antragstellerin geltend, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zweitwohnungsteuerbescheids bestünden. Das Hamburgische Zweitwohnungsteuergesetz (ZwStG) vom 23. Dezember 1992 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt -- GVBl HA -- 1992, 330) sei verfassungswidrig, da die Freie und Hansestadt Hamburg insoweit keine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 des Grundgesetzes (GG) gehabt habe. Gegen die Berechnung der Zweitwohnungsteuer als solche hat die Antragstellerin keine Einwendungen erhoben.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung blieb ohne Erfolg. Das FG ließ offen, ob den verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragstellerin zu folgen sei. Denn selbst wenn insoweit ernstliche Zweifel bestünden, so bedürfe es doch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eines zusätzlichen berechtigten Interesses an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Ein solches berechtigtes Interesse der Antragstellerin sei im Streitfall nicht gegeben. Es überwiege vielmehr das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltführung und damit das Interesse an der Vollziehung des Bescheids. Demgegenüber seien die der Antragstellerin aus einer Vollziehung des angefochtenen Zweitwohnungsteuerbescheids entstehenden Nachteile nicht erheblich.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde macht die Antragstellerin im wesentlichen geltend, daß das ZwStG offensichtlich verfassungswidrig sei, da Einwohner aus anderen Bundesländern nur wegen ihrer Herkunft besonders besteuert würden, ohne daß es hierfür -- wie bei der herkömmlichen, in Fremdenverkehrsgemeinden erhobenen Zweitwohnungsteuer -- aufgrund der besonderen Belastungen der betroffenen Gemeinde einen sachlichen Grund gebe. Da die hamburgische Zweitwohnungsteuer als "Auswärtigensteuer" in den spezifischen Belastungen durch die "Zweiteinwohner" keine innere Rechtfertigung finde, habe sie den Charakter einer reinen Aufwandsteuer. Als solche könne sie aber keine "örtliche Aufwandsteuer" i. S. des Art. 105 Abs. 2 a GG sein. Denn der besteuerte Aufwand -- das Innehaben mehrerer Wohnsitze -- sei aus der Natur der Sache ein unteilbarer Steuergegenstand und damit überörtlicher Natur. Die Besteuerung des Wohnens in mehreren Orten als besonderer Aufwand sei aber der Regelung durch den Bundesgesetzgeber vorbehalten; dieser habe in soweit auch bereits von seiner Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht, als er das Wohnen grundsätzlich von der Umsatzsteuer als der allgemeinen Verbrauch- und Aufwandsteuer (vgl. § 4 Nr. 12 a des Umsatzsteuergesetzes -- UStG --) freigestellt habe. Das Land Hamburg habe weder aus Art. 105 Abs. 2 a GG noch aus Art. 105 Abs. 2 i. V. m. Art. 72 GG das Recht zur Einführung einer Zweitwohnungsteuer.
Die Antragstellerin habe auch ein berechtigtes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung. Ein entgegenstehendes öffentliches Interesse an einer geordneten Haushaltführung sei nicht erkennbar. Darüber hinaus müßten die fiskalischen Interessen der Freien und Hansestadt Hamburg a priori zurückstehen, weil der Hamburger Gesetzgeber mit diesem Gesetz typischerweise exterritoriale Personen belaste und damit unter dem Gesichtspunkt der Freizügigkeit (Art. 11 GG) und der Bundesstaatlichkeit (Art. 20 GG) besonders gravierend in private und öffentliche Rechte eingreife.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Zweitwohnungsteuerbescheids abgelehnt.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das FG die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts u. a. dann ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel sind nach ständiger Rechtsprechung zu bejahen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen bewirken. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts mit Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Gesetzes selbst begründet werden (Urteil des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 21. Februar 1961 1 BvR 314/60, BVerfGE 12, 180, 186, BStBl I 1961, 63). In diesem Fall ist allerdings im Hinblick auf den Geltungsanspruch eines jeden formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. März 1994 VI B 154/93, BFHE 173, 554, BStBl II 1994, 567, und vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104 m. w. N.).
a) Bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des angefochtenen Zweitwohnungsteuerbescheids bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO an der Verfassungsmäßigkeit des ZwStG, das als revisibles Recht der Überprüfung durch den Senat unterliegt (s. § 1 Nr. 5 des Hamburgischen Abgabengesetzes vom 17. Februar 1976, GVBl HA 1976, 45, BStBl I 1976, 290; § 5 des Hamburgischen Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung vom 17. Dezember 1965, GVBl HA I 1965, 225).
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin begegnet die Zweitwohnungsteuer weder hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz der Freien und Hansestadt Hamburg noch hinsichtlich der Auswirkungen auf die Grundrechte der Antragstellerin Bedenken. Die Steuergesetzgebungsbefugnis der Freien und Hansestadt Hamburg folgt aus Art. 105 Abs. 2 a GG. Danach haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind.
Die von der Freien und Hansestadt Hamburg erhobene Zweitwohnungsteuer erfüllt alle Kriterien einer örtlichen Aufwandsteuer i. S. des Art. 105 Abs. 2 a GG. Aufwandsteuern sind nach der Begriffsdefinition in der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG (vgl. BVerfG-Beschluß vom 6. Dezember 1983 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, 346 ff. m. w. N.) Steuern auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Diese wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu besteuern, ist die aus §§ 1, 3 und 5 ZwStG erkennbare Absicht der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg. Danach ist üblicherweise Inhaber einer Zweitwohnung der Eigentümer oder Mieter, der sie für seinen privaten Lebensbedarf nutzt oder zu diesem Zweck vorhält (vgl. § 2 Abs. 1 ZwStG). Insoweit ist das ZwStG mit der Satzung der Stadt Überlingen über die Erhebung der Zweitwohnungsteuer i. d. F. vom 21. Januar 1976, die Gegenstand der Entscheidung des BVerfG war, vergleichbar. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um ein Innehaben der Zweitwohnung zum Zwecke der Erholung handelt oder nicht, da auch das Halten einer Zweitwohnung für einen anderen persönlichen Lebensbedarf erfaßt werden kann, ohne daß dies den Charakter der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer beeinträchtigt.
Die Zweitwohnungsteuer ist auch eine örtliche Aufwandsteuer i. S. von Art. 105 Abs. 2 a GG, da sie an die Belegenheit der Zweitwohnung in der Freien und Hansestadt Hamburg anknüpft und nicht zu einem die Wirtschaftseinheit berührenden Steuergefälle führen kann. Eine unmittelbare Wirkung der Zweitwohnungsteuer, die über das Gebiet der steuererhebenden Gemeinde hinausginge, ist nicht zu erkennen (vgl. hierzu BVerfG in BVerfGE 65, 325, 349, 350). Denn entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist der besteuerte Aufwand nicht "das Innehaben mehrerer Wohnsitze" als ein -- nach Ansicht der Antragstellerin -- "unteilbarer Steuergegenstand und damit überörtlicher Natur", sondern ausschließlich das Innehaben der Zweitwohnung. Da gemäß § 3 Abs. 1 ZwStG jeder Inhaber einer Zweitwohnung in der Freien und Hansestadt Hamburg -- unabhängig davon, wo er seine Hauptwohnung innehat -- der persönlichen Steuerpflicht unterliegt, handelt es sich bei der Zweitwohnungsteuer entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht um eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende "Auswärtigensteuer".
Die hamburgische Zweitwohnungsteuer ist auch einer bundesrechtlich geregelten Steuer nicht gleichartig. Dies gilt sowohl hinsichtlich der von der Antragstellerin durch den Hinweis auf § 9 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes angesprochenen Einkommensteuer (vgl. insoweit BVerfG in BVerfGE 65, 325, 351) als auch bezüglich der Umsatzsteuer; der Umstand, daß der Bundesgesetzgeber die durch das Vermieten von Wohnungen bewirkten Umsätze gemäß § 4 Nr. 12 a UStG von der Umsatzsteuer befreit hat, schließt nicht aus, daß der Landesgesetzgeber ohne Verstoß gegen Art. 105 Abs. 2 a GG eine Zweitwohnungsteuer einführt. Denn insoweit handelt es sich um unterschiedliche Besteuerungstatbestände. Während die Umsatzsteuer den Leistungsaustausch erfaßt, besteuert das ZwStG einen durch das Innehaben der Zweitwohnung veranlaßten Aufwand (vgl. insoweit auch Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Oktober 1989 8 B 36.89, Kommunale Steuer- Zeitschrift 1990, 61 m. w. N.). Ebensowenig ist ein Verstoß gegen die durch Art. 11 GG gewährleistete Freizügigkeit zu erkennen. Insbesondere wird der Zuzug nach Hamburg, um dort Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen sowie sich dort wirtschaftlich zu betätigen, nicht dadurch eingeschränkt, daß das Innehaben einer Zweitwohnung einer besonderen Steuer unterworfen ist.
b) Da an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zweitwohnungsteuerbescheids aus der von der Antragstellerin behaupteten Verfassungswidrigkeit des ZwStG keine ernstlichen Zweifel bestehen, bedarf die Frage keiner weiteren Prüfung, ob im Streitfall ein zusätzliches berechtigtes Interesse der Antragstellerin an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht.
Fundstellen
Haufe-Index 65729 |
BFH/NV 1996, 94 |
BFHE 1996, 316 |