Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zulassung der Revision bei fehlender Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
Leitsatz (NV)
1. Stehen Leistung und Gegenleistung nach objektiven Kriterien in einem erkennbaren Missverhältnis, spricht bei Verträgen unter nahen Angehörigen eine Vermutung für die Teilentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts.
2. Latente Ertragsteuerbelastungen, die auf den stillen Reserven von GmbH-Anteilen ruhen, die im Rahmen einer Betriebsaufgabe in das Privatvermögen übertragen werden, sind bei der Wertermittlung nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG i. V. mit §§ 9, 11 BewG nicht mindernd zu berücksichtigen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; EStG 1987 § 16 Abs. 3 S. 3, § 17; BewG §§ 9, 11
Verfahrensgang
FG Berlin (Urteil vom 25.03.1996; Aktenzeichen VIII 148/92) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zurückzuweisen.
1. Der behauptete Verfahrensmangel ist nicht schlüssig begründet. Mit dem Vorbringen, das angefochtene Urteil beruhe auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung, weil das Finanzgericht (FG) bei der Feststellung des Verkehrswerts der übertragenen GmbH-Anteile allgemeine Erfahrungssätze außer Acht gelassen habe, ist ein Verfahrensfehler nicht bezeichnet. Mängel der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und damit einer Nachprüfung im Rahmen einer auf Verfahrensmängel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde entzogen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. September 2002 IX B 35/02, BFH/NV 2003, 40, und vom 23. Mai 2000 XI B 122/98, BFH/NV 2001, 43). Das gilt auch, wenn geltend gemacht wird, die Beweiswürdigung des FG verstoße gegen die Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze.
2. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. wegen grundsätzlicher Bedeutung der in der Beschwerdebegründung genannten Rechtsfragen begehrt, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.
a) Der Streitfall gibt keine Veranlassung, die vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung über Inhalt und Grenzen des "Rechtsinstituts" Fremdvergleich weiterzuentwickeln.
Der sog. Fremdvergleich dient bei Verträgen unter nahen Angehörigen der Klärung der Frage, ob und inwieweit ein Rechtsgeschäft dem Bereich der Einkünfteerzielung oder dem privaten Bereich des Steuerpflichtigen (unentgeltliche Zuwendung/Unterhaltsleistung) zuzuordnen ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106; vom 31. Mai 2001 IX R 78/98, BFHE 195, 392, BStBl II 2001, 756). Eine solche Prüfung ist bei Verträgen unter nahen Angehörigen erforderlich, da es hier regelmäßig an einem natürlichen Interessengegensatz fehlt, der unter Fremden typischerweise gewährleistet, dass eine dem Wert der Leistung entsprechende angemessene Gegenleistung vereinbart wird.
Der Fremdvergleich dient in Fällen wie dem hier zu beurteilenden, in dem für die Übertragung der Geschäftsanteile der Klägerin ein "Kaufpreis" vereinbart wurde, allein dazu, festzustellen, ob es sich bei dem "Kaufvertrag" um ein vollentgeltliches oder ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft handelt.
Insoweit ist nicht ersichtlich, worin noch eine ungeklärte Frage bestehen sollte.
Der BFH hat zu dieser Problematik eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt. Danach liegt ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft vor, wenn Leistung und Gegenleistung nicht --wie unter Fremden-- nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen worden sind (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 7. März 1995 VIII R 29/93, BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693; in BFHE 195, 392, BStBl II 2001, 756). Abweichend vom Zivilrecht stellt das Steuerrecht bei dieser Prüfung nicht primär auf die Vorstellungen der Vertragsbeteiligten ab, sondern grenzt die unentgeltliche Zuwendung von der entgeltlichen Übertragung auch anhand des objektiven Wertverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ab (BFH- Urteil vom 2. Mai 2001 VIII R 64/93, BFH/NV 2002, 10, m.w.N.). Stehen Leistung und Gegenleistung nach objektiven Kriterien in einem erkennbaren Missverhältnis, spricht bei Verträgen unter nahen Angehörigen eine Vermutung für die Teilentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts (BFH-Urteil in BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693). Andererseits ist es --auch für die Annahme eines voll entgeltlichen Geschäfts-- nicht erforderlich, dass Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind. Eine annähernde Übereinstimmung der Wertverhältnisse genügt, wenn sich die Vertragsbeteiligten subjektiv vom Gedanken des entgeltlichen Leistungsaustausches leiten ließen (BFH-Urteile vom 12. November 1985 VIII R 286/81, BFHE 145, 62, BStBl II 1986, 55, und vom 3. Juni 1992 X R 14/89, BFHE 169, 25, BStBl II 1993, 23).
Im Streitfall sind der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) und das FG von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Nach den Feststellungen des FG bestand ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem vereinbarten "Kaufpreis" für die GmbH-Anteile in Höhe von 59 000 DM und dem Verkehrswert der übertragenen Anteile; insoweit ist es unerheblich, ob dieser Wert --wie FA und FG angenommen haben-- mit 200 000 DM anzusetzen ist, oder --wie die Klägerin meint-- nur mit 135 000 DM.
b) Die Revision ist auch nicht zur Klärung der Rechtsfrage zuzulassen, wie der Verkehrswert eines GmbH-Anteils i.S. des § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermitteln ist, wenn die Aufteilung eines teilentgeltlichen Geschäfts in eine voll entgeltliche Veräußerung und eine voll unentgeltliche Übertragung nach den Grundsätzen der sog. Trennungstheorie geboten ist.
Die Rechtsfrage, ob in einem solchen Fall der Verkehrswert mit dem Wert zu bestimmen ist, den fremde Dritte als Kaufpreis für den Erwerb des Anteils vereinbart hätten, oder ob der Verkehrswert in entsprechender Anwendung der §§ 9, 11 des Bewertungsgesetzes (BewG) nach dem Stichtagsprinzip mit dem gemeinen Wert des Anteils im Zeitpunkt der Veräußerung (ohne Berücksichtigung außergewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse) zu berücksichtigen ist, könnte in einem künftigen Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Das gilt auch für die von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage, ob latente Ertragsteuern, die auf den veräußerten GmbH-Anteilen lasten, bei der Bestimmung des Verkehrwerts der veräußerten Anteile wertmindernd zu berücksichtigen sind, oder ob dieser Umstand in entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG außer Betracht zu bleiben hat.
Der Senat kann offen lassen, ob es sich hierbei um klärungsbedürftige Rechtsfragen handelt, oder ob sie aufgrund der vorliegenden BFH-Rechtsprechung zu § 16 Abs. 3 EStG als geklärt angesehen werden können. Für die Fälle des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG hat der BFH entschieden, dass der gemeine Wert der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter unter Beachtung des § 9 Abs. 2 BewG zu ermitteln ist (BFH-Urteile vom 27. Februar 1985 I R 235/80, BFHE 143, 436, BStBl II 1985, 456, und vom 2. Februar 1990 III R 173/86, BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497). Die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung keine Gesichtspunkte vorgetragen, die es gebieten könnten, bei der Ermittlung des Verkehrswerts einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 EStG abweichend von der Rechtsprechung zu § 16 Abs. 3 EStG zu verfahren.
Die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage kann jedoch dahinstehen, da sie in einem künftigen Revisionsverfahren nicht geklärt werden könnte. Jedenfalls bei einem Sachverhalt, wie er vom FG festgestellt wurde, stimmt der Verkehrswert der veräußerten Anteile mit ihrem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin überein.
Im Streitfall sind nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten und des FG bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG die Anschaffungskosten der Klägerin für die veräußerten GmbH-Anteile mit dem gemeinen Wert dieser Anteile im Zeitpunkt der Erbauseinandersetzung (Betriebsaufgabe; vgl. § 16 Abs. 3 EStG) zu berücksichtigen. Diesen Wert hat das für die Gewinnfeststellung der Erbengemeinschaft zuständige Finanzamt mit 200 000 DM (50 v.H. von insgesamt 400 000 DM) ermittelt und auf dieser Grundlage den Aufgabegewinnanteil der Klägerin durch bestandskräftigen Feststellungsbescheid mit 350 000 DM (400 000 DM ./. 50 000 DM Buchwert der Anteile) festgestellt. Zwischen dem Erwerb der Anteile im Wege der Erbauseinandersetzung über das Betriebsvermögen des Erblassers vom 19. Mai 1987 und der Weiterveräußerung von 50 v.H. der Anteile an die Miterben der Klägerin (1. Juni 1987) lag nur ein Zeitraum von ca. zwei Wochen. Innerhalb dieses Zeitraums ist unstreitig keine Wertminderung der Anteile eingetreten.
Der gemeine Wert von Wirtschaftsgütern, die im Rahmen einer Betriebsaufgabe in das Privatvermögen überführt werden (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG 1987), ist nach § 9 Abs. 2 BewG zu ermitteln (BFH-Urteil in BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497, m.w.N.). Latente Ertragsteuerbelastungen, die auf den stillen Reserven von nach § 16 Abs. 3 EStG in das Privatvermögen übertragenen GmbH- Anteilen ruhen, sind bei der Wertermittlung nach §§ 9, 11 BewG nicht mindernd zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 6. Dezember 1989 II B 70/89, BFH/NV 1990, 643; Urteile vom 28. September 1988 I R 31/86, BFHE 155, 166, BStBl II 1989, 85; vom 2. Oktober 1991 II R 153/88, BFHE 166, 372, BStBl II 1992, 274; vom 12. Februar 1992 II R 113/88, BFHE 167, 170, BStBl II 1993, 268).
Da im Streitfall die Anschaffungskosten der Klägerin dem gemeinen Wert der Anteile i.S. von § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG 1987 entsprechen und in dem kurzen Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung der Anteile unstreitig keine Wertveränderung eingetreten ist, muss auch der Verkehrswert, der als Vergleichsgröße bei der Ermittlung des voll entgeltlichen Anteils der teilentgeltlichen Anteilsübertragung heranzuziehen ist (vgl. zur Anwendung der sog. Trennungstheorie BFH-Urteil vom 17. Juli 1980 IV R 15/76, BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11), nach denselben Grundsätzen ermittelt werden, wie der gemeine Wert der Anteile nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG 1987. Anderenfalls, d.h. bei der von der Klägerin begehrten Minderung des Verkehrswerts um die latente Ertragsteuerbelastung der stillen Reserven des Betriebsvermögens der GmbH, käme es zu einem rechnerischen Veräußerungsverlust, den die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung der GmbH-Anteile tatsächlich nicht erzielt hat. Dieses Ergebnis wäre unvereinbar mit dem Zweck des § 17 Abs. 2 EStG, durch den nur tatsächlich zwischen Anschaffung und Veräußerung eingetretene Wertänderung einer wesentlichen Beteiligung steuerlich erfasst werden sollen.
Fundstellen
Haufe-Index 1444499 |
BFH/NV 2005, 2178 |