Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine grundsätzliche Bedeutung bei ausgelaufenem Recht; grundsätzliche Bedeutung oder lediglich Einzelinteresse an der Entscheidung
Leitsatz (NV)
1. Der Frage, ob die Beauftragung einer Großbetriebsprüfungsstelle mit der Durchführung einer Betriebsprüfung auf Grund der mit Ablauf des 31. 12. 1976 außer Kraft getretenen Reichsabgabenordnung zulässig war, kommt grundsätzliche Bedeutung nicht zu, weil sie ausgelaufenes Recht betrifft.
2. Zur Abgrenzung einer im allgemeinen Interesse klärungsbedürftigen Rechtsfrage und dem lediglich individuellen Interesse an der Entscheidung einer Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; AO § 162 Abs. 10-11; AO 1977 § 195
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat in den Streitjahren den Bau und die Verwaltung von Mietwohnungen und Kaufeigenheimen sowie die Betreuung von Wohnungsbauvorhaben betrieben. Persönlich haftende Gesellschafterin war die A-GmbH; einziger Kommanditist war Dr. B. Anteilseigner der Komplementär-GmbH waren bis zum . . . 1967 die X AG und B., der von diesem Stichtag an alleiniger Gesellschafter war.
Nach dem Gesellschaftsvertrag oblag die Geschäftsführung der KG allein der Komplementär-GmbH; dem Kommanditisten waren die Kontrollrechte gemäß § 118 des Handelsgesetzbuches (HGB) eingeräumt. In den Streitjahren war B zum Geschäftsführer der GmbH bestellt. In diesem Zeitraum lag der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Betätigung der Klägerin in der vertraglich vereinbarten Betreuung eines Großbauvorhabens für Rechnung des Einzelunternehmers B als Bauherrn. Nach einer bei der Klägerin durch die Großbetriebsprüfungsstelle L. durchgeführten Betriebsprüfung unterwarf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) bisher nicht versteuerte Betreuungsleistungen der Klägerin durch Änderungsbescheide für 1965 bis 1967 vom 10. Juni 1976 mit 4 v. H. der Umsatzsteuer. Das von der Klägerin geltend gemachte organschaftsähnliche Verhältnis zu dem Einzelunternehmer B erkannte das FA nicht an, weil es an einer finanziellen Eingliederung der KG fehle.
Nach erfolglosem Einspruch berief sich die Klägerin mit ihrer Klage weiterhin auf das Bestehen eines organschaftsähnlichen Verhältnisses und wandte sich darüber hinaus gegen die Höhe der vom FA versteuerten Umsätze. Es sei nämlich zu berücksichtigen, daß das Betreuungshonorar und die damit zusammenhängenden Aufwendungen für das Großbauvorhaben bei der Klägerin als Einlagen und Entnahmen des B erfolgsneutral behandelt worden seien. Erfolgsneutral behandelte Einlagen und Entnahmen könnten aber keine ,,Umsätze" darstellen. Beim Einzelunternehmer B seien diese Beträge dementsprechend von den Betriebsprüfern auch nicht als Herstellungskosten behandelt worden.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Dezember 1978 V R 22/74 (BFHE 127, 262, BStBl II 1979, 356) aus, die in Rede stehenden Umsätze seien keine nichtsteuerbaren Innenumsätze, weil ein organschaftsähnliches Verhältnis zwischen dem Einzelunternehmer B und der Klägerin aus Rechtsgründen nicht in Betracht komme. Die gegen die Höhe der Umsätze erhobenen Einwendungen seien unbegründet. Die Klägerin übersehe, daß Personengesellschaften als selbständige Unternehmer von den einzelnen Gesellschaftern wesensverschieden seien. Zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern sei deshalb umsatzsteuerrechtlich ein Leistungsaustausch möglich, der im Streitfall nach Maßgabe der geschlossenen Betreuungsverträge stattgefunden habe. Die ertragsteuerrechtliche Behandlung der Betreuungshonorare durch das FA sei nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Die Steueransprüche seien auch nicht verjährt, weil durch die im Jahre 1970 begonnene Betriebsprüfung eine Hemmung der Verjährungsfrist eingetreten sei. Es könne dahinstehen, ob der in der Prüfungsanordnung enthaltene Prüfungsauftrag für einen Prüfer der Großbetriebsprüfungsstelle bei der Oberfinanzdirektion (OFD) im Hinblick auf den Beschluß des BFH vom 28. Mai 1986 I B 22/86 (BFHE 146, 508, BStBl II 1986, 656) rechtlich bedenklich sei, denn die Klägerin habe die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung bzw. die auf ihrer Grundlage ergriffenen Maßnahmen nicht förmlich angegriffen. Damit blieben die Prüfungshandlungen grundsätzlich rechtswirksam. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß die in der Prüfungsanordnung erteilte Beauftragung der Großbetriebsprüfungsstelle nichtig sei und es damit an einer gesetzlichen Grundlage für die Vornahme von Prüfungshandlungen fehle.
Einen Ausspruch über die Zulassung der Revision enthält das Urteil nicht.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und Verfahrensmangels.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Wird eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) gestützt, so ist diese in der Beschwerdeschrift darzulegen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dies erfordert substantiierte und konkrete Angaben darüber, aus welchen Gründen die erstrebte Revisionsentscheidung der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und / oder der Rechtsentwicklung dienen kann (BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Das bedeutet, daß der Beschwerdeführer konkret darauf eingehen muß, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (Beschluß des Bundessozialgerichts - BSG - vom 2. März 1976 12/11 BA 116/73, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1976, 611).
Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdeschrift nicht.
a) Die Klägerin macht geltend, daß das FG seine Entscheidung, die streitigen Umsätze seien keine nichtsteuerbaren Innenumsätze, allein unter Hinweis auf das Urteil in BFHE 127, 262, BStBl II 1979, 356 begründet und nicht beachtet habe, daß die FÄ durch das Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 17. Dezember 1979 IV A 2 - S 7104 - 37/79 (BStBl I 1979, 699) angewiesen gewesen seien, es bei den zu diesem Zeitpunkt auf der Basis der früher geltenden Rechtsgrundsätze bereits durchgeführten Steuerfestsetzungen zu belassen. Die angegriffene Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1965 bis 1967 habe daher eindeutig dem BMF-Schreiben widersprochen; die Klägerin sei in das Einzelunternehmen B wirtschaftlich, organisatorisch und insbesondere auch finanziell eingegliedert gewesen. Da in der Entscheidung des FG das BMF-Schreiben mit keinem Wort erwähnt sei, sei das FG offenbar davon ausgegangen, es bestehe kein Rechtsanspruch auf Anwendung von Verwaltungsanweisungen. Verwaltungsanweisungen seien jedoch nicht generell unerheblich, sondern unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und des Gleichheitssatzes von Bedeutung und auch im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen.
Zu der von der Klägerin als grundsätzlich aufgeworfenen Rechtsfrage der Bindung der FG an Übergangsregelungen der Finanzverwaltung hat sie jedoch lediglich ausgeführt, daß diese Frage höchstrichterlich zu klären sei und das FG die Problematik von Übergangsregelungen der Finanzverwaltung verkannt habe. Damit ist lediglich das individuelle Interesse der Klägerin an der Entscheidung der Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit dargetan, nicht aber, worin die Klägerin eine noch offene Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung sieht. Ob das FG eine Rechtsfrage richtig oder falsch beurteilt hat, ist nicht Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde.
Darüber hinaus kommt der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung deshalb nicht zu, weil eine Klärung in dem von der Klägerin erstrebten Revisionsverfahren nicht zu erwarten wäre (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Januar 1982 II B 38/81, BFHE 135, 156, BStBl II 1982, 326). Dem von der Klägerin angeführten BMF-Schreiben vom 21. September 1979, dessen Bindungswirkung sie geklärt haben will, käme im Streitfall keine Bedeutung zu, weil die von der Klägerin begehrte weitere Anwendung der Grundsätze über das organschaftsähnliche Verhältnis auch nach der Änderung der Rechtsprechung des BFH nur für die Fälle angeordnet worden ist, in denen Steuerfestsetzungen auf der Basis der früher geltenden Rechtsgrundsätze durchgeführt worden sind, während im Streitfall in den zu beurteilenden Steuerfestsetzungen das Vorliegen eines organschaftsähnlichen Verhältnisses verneint worden ist; maßgebend sind dabei die streitigen Änderungsbescheide, nicht die durch diese Bescheide geänderten Steuerbescheide. Schon aus diesem Grund braucht auch auf die Rüge, das FG habe das BMF-Schreiben als Element des Sachverhalts berücksichtigen müssen und habe deshalb seine Aufklärungspflicht verletzt, nicht eingegangen zu werden.
b) Unbehelflich sind auch die Ausführungen zu der Frage, ob die Beauftragung einer Großbetriebsprüfungsstelle nichtig gewesen sei. Sie ist nicht klärungsbedürftig, denn sie betrifft bereits ausgelaufenes Recht (vgl. BFH-Beschluß vom 15. Februar 1979 V B 28/78, BFHE 127, 81, BStBl II 1979, 274). Die streitige Prüfungsanordnung beruht auf der mit dem Ablauf des 31. Dezember 1976 außer Kraft getretenen Reichsabgabenordnung (AO); für die Klärung der - auch im Geltungsbereich der Abgabenordnung (AO 1977) - streitigen Frage (vgl. Beschluß in BFHE 146, 508, BStBl II 1986, 656) kommt ihr deshalb keine Bedeutung zu, weil § 162 Abs. 10, 11 AO und § 195 AO 1977 unterschiedlich gefaßt sind. Im übrigen ist die Entscheidung des Rechtsstreits auch in diesem Punkt nicht von der Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage abhängig. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme der Klägerin, die Prüfungsanordnung des FA, mit der die Großbetriebsprüfungsstelle der OFD L beauftragt worden ist, sei nichtig, weil sie an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sei (vgl. § 125 Abs. 1 AO 1977). Da zudem die Prüfungsanordnung nicht angefochten worden ist, stünde ihre Rechtswidrigkeit der Verwertung der Prüfungsergebnisse nicht entgegen (BFH-Urteil vom 27. Juli 1983 I R 210/79, BFHE 139, 221, BStBl II 1984, 285).
2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat auch insoweit keinen Erfolg, als sie auf den Verfahrensmangel unterlassener Sachaufklärung gestützt wird. Das FG hat seine Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) nicht verletzt, weil es nicht geklärt habe, ob die in den Betreuungsverträgen als ,,Gegenleistung für Betreuungsleistungen" zu zahlenden Beträge dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen eines Leistungsaustauschverhältnisses gezahlt worden seien. Das FG hat diese Frage vielmehr geprüft und bejaht. Es konnte sich bei dieser Prüfung auf die Vertragslage beschränken. Da der Rechtsstreit darüber geführt worden ist, ob die Baubetreuung innerhalb eines sog. organschaftsähnlichen Verhältnisses abgewickelt worden ist oder nicht und die vereinbarten Entgelte demnach als nichtsteuerbare Innenumsätze oder als steuerbare Umsätze zu beurteilen seien, mußte sich dem FG nicht aufdrängen, daß bestimmte als Gegenleistung für Betreuungsleistungen an die Klägerin zu zahlende Beträge keine Gegenleistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne darstellten. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom . . . 1986 konnte das FG zu Recht damit beantworten, daß es für die Frage des Leistungsaustausches nicht auf die ertragsteuerrechtliche Behandlung der Zahlungen des Gesellschafters B als Einlagen oder Entnahmen bei der Klägerin ankomme. Das FG mußte auch nicht berücksichtigen, daß nach den Vorstellungen beider Vertragsparteien keine umsatzsteuerrechtlich erheblichen Beziehungen zwischen ihnen bestanden haben, denn diese Vorstellungen sind für die Besteuerung unerheblich, soweit sie sich nicht in einer entsprechenden Sachverhaltsgestaltung niederschlagen. Hierfür hat die Klägerin jedoch nichts vorgetragen; aus der von der Klägerin behaupteten ertragsteuerrechtlichen Beurteilung ergibt sich nicht schlüssig, daß die Zahlungen des Gesellschafters umsatzsteuerrechtlich keine Entgelte für die Leistungen der Gesellschaft gewesen seien; insbesondere mußte sich auch aufgrund dieses Vortrages dem FG nicht aufdrängen, weitere Ermittlungen anzustellen.
Fundstellen