Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffungsnaher Aufwand im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung

 

Leitsatz (NV)

Läßt der Käufer eines offenbar verbilligt für 800 000 DM erworbenen Zweifamilienhausgrundstücks in den beiden Folgejahren das Gebäude für mehr als 280 000 DM instandsetzen und modernisieren, so bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, daß die Aufwendungen nur im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung berücksichtigt werden können (Anschluß an Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. August 1989 IX R 44/86, BFHE 158, 240, BStBl II 1990, 53).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7, § 21; FGO § 69 Abs. 2-3

 

Tatbestand

Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Antragsteller erwarb durch Kaufvertrag vom 6. Dezember 1983 zum Preis von 800 000 DM ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück, das ihm am 1. März 1984 zur Selbstnutzung übergeben wurde. In den Streitjahren 1984 und 1985 ließ der Antragsteller erhebliche Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten vornehmen, wofür er 1984 den Betrag von 176 656 DM und 1985 von 106 364 DM aufwandte. In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre behandelten die Antragsteller diese Aufwendungen als anschaffungsnahen Herstellungsaufwand. Dem folgte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) in den unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Einkommensteuerbescheiden, wobei das FA von Gesamtanschaffungskosten für das Grundstück von 849 323 DM ausging; hiervon entfallen inzwischen unstreitig 569 323 DM auf das Gebäude. Das FA gewährte erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) für Anschaffungskosten des Gebäudes in Höhe von 250 000 DM und nach § 7 Abs. 4 EStG für den übersteigenden Betrag. Mit ihrem Einspruch gegen diese Bescheide machten die Antragsteller geltend, die Aufwendungen für die Instandsetzung und Modernisierung seien sofort als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen. Gleichzeitig beantragten sie die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für 1984 in Höhe von 96 948 DM und für 1985 in Höhe von 56 394 DM (abzüglich eines umgebuchten Betrages in Höhe von 266,70 DM). Dies lehnte das FA ab; über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

Dagegen gab das Finanzgericht (FG) dem Aussetzungsantrag im wesentlichen statt. Das FG hielt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide hinsichtlich der meisten anschaffungsnahen Aufwendungen vor allem im Hinblick auf die Urteile des Hessischen FG vom 12. Dezember 1985 III 440/82 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 279) und des Niedersächsischen FG vom 24. Oktober 1986 VIII 165/86 (EFG 1987, 297) für gegeben. Allerdings müßten hiervon die geltend gemachten Aufwendungen für eine Einbauküche, Sauna, einen Weinkeller und Innenkamin ausgenommen werden, da es sich insoweit nicht um Erhaltungsaufwand handele.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde bringt das FA vor, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht gegeben. Außerdem seien hier Herstellungs- und Erhaltungsmaßnahmen in einem wirtschaftlich einheitlichen Vorgang getroffen worden, so daß schon deshalb insgesamt Herstellungsaufwand anzunehmen sei. Im übrigen habe das FG die auf die Einbauten entfallenden Aufwendungen zu gering bemessen.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Beschlusses den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Sie treten dem FG im wesentlichen bei. Entgegen dem FG-Beschluß habe es sich auch bei dem Innenkamin und der Sauna lediglich um Reparaturen und Renovierungsarbeiten gehandelt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung.

Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit aussetzen. Ernstliche Zweifel liegen nach ständiger Rechtsprechung seit dem Beschluß des BFH vom 10. Februar 1967 III B 9/66 (BFHE 87, 447, BStBl II 1967, 182) vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Dies ist aufgrund einer summarischen Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der betroffenen Bescheide zu entscheiden.

Der Senat kann unerörtert lassen, ob das FG zum Zeitpunkt seiner Entscheidung ernstliche Zweifel zu Recht bejaht hat, obwohl der erkennende Senat bereits in der Entscheidung vom 12. Februar 1985 IX R 114/83 (BFHE 143, 431, BStBl II 1985, 690) anschaffungsnahe Reparatur- und Modernisierungskosten für ein zur Selbstnutzung bestimmtes Wohngebäude entweder als den Anschaffungskosten oder den Herstellungskosten des Gebäudes zuzuordnenden Aufwand beurteilt hat. Denn jedenfalls ist inzwischen die Rechtslage dahingehend geklärt, daß an den von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum anschaffungsnahen Aufwand festzuhalten ist, wie sich im einzelnen aus dem Urteil vom 11. August 1989 IX R 44/86 BFHE 158, 240, BStBl II 1990, 53 ergibt.

Geht man hiervon aus, sind entgegen dem FG-Beschluß keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide hinsichtlich der anschaffungsnahen Aufwendungen gegeben, weil die Antragsteller mit verhältnismäßig hohen Aufwendungen das offenbar verbilligt erworbene Gebäude unstreitig weitgehend modernisiert haben. Es kann auch davon ausgegangen werden, daß sich dadurch der Nutzungswert des Wohnhauses erheblich erhöht hat. Dabei läßt der Senat unerörtert, ob der vom FA angesetzte Mietwert zutrifft.

Soweit das FG bestimmte Aufwendungen für die Einbauküche, Sauna, den Kamin und Weinkeller bereits als Herstellungskosten gewertet hat, bedarf es keiner Stellungnahme zu deren Höhe, wenn es sich, wie hier, insgesamt um Herstellungsaufwand handelt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416732

BFH/NV 1990, 365

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