Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Zur Darlegung der Klärungsfähigkeit
Leitsatz (NV)
Liegen im Einzelfall Umstände vor, die der Klärbarkeit einer Rechtsfrage entgegenstehen können, so sind in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde auch Ausführungen dazu zu machen, dass die als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage im Revisionsverfahren entscheidungserheblich und damit klärungsfähig ist. Daran hat sich durch die Neufassung des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO durch das 2. FGOÄndG nichts geändert.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3; 2. FGOÄndG
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist teils unzulässig, teils unbegründet, so dass sie insgesamt als unbegründet zurückzuweisen ist.
1. Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Nichtzulassungsbeschwerde auf grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) stützen, entspricht die Beschwerdebegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Insbesondere haben die Kläger nicht dargelegt, dass die von ihnen aufgeworfene Rechtsfrage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Revisionsverfahren geklärt werden kann, obgleich das Finanzgericht (FG) insoweit ihre Klage als unzulässig abgewiesen hat.
a) Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen in der Beschwerdebegründung die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden. Die vom Bundesfinanzhof (BFH) zu § 115 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F. entwickelten Grundsätze zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gelten im Prinzip fort, soweit Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht systematisch der Neufassung des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzuordnen sind (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51; vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217; vom 5. Februar 2002 VIII B 48/01, BFH/NV 2002, 792).
b) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist auszuführen, dass die bezeichnete Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Ferner sind jedenfalls in solchen Fällen, in denen Umstände vorliegen, die der Klärbarkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage im Revisionsverfahren entgegenstehen, Ausführungen dazu zu machen, dass die als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage im Revisionsverfahren entscheidungserheblich und damit klärungsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 59; BFH-Beschluss vom 10. Juni 1997 VIII B 91/96, BFH/NV 1998, 451). An diesem Darlegungserfordernis hat sich durch die Neufassung des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gegenüber § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. nichts geändert (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz. 170, 181, m.w.N.; Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 116 FGO Rdnr. 74; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Tz. 46; Dürr in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, § 116 Rdnr. 28; a.M. Gräber/Ruban, a.a.O., 5. Aufl., § 116 Rz. 35, unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ―BSG― zu der § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. entsprechenden Vorschrift des § 160a Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes ―SGG―; vgl. insoweit aber BSG-Beschluss vom 16. Dezember 1993 VII BAr 126/93, SozR 3-1500, § 160a SGG Nr. 16, m.w.N.). § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist seinem Wortlaut nach durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) unverändert geblieben. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entspricht inhaltlich § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. Die nunmehr fehlende Einzelaufzählung der Zulassungsgründe in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO hat allenfalls insoweit zu einer Änderung geführt, als eine stringente Abgrenzung der Zulassungsgründe in der Beschwerdebegründung entbehrlich erscheint. Im Übrigen hat der Gesetzgeber seine Erwartung, die formellen Anforderungen an die Beschwerdebegründung zu lockern, an die Erweiterung der Zulassungsgründe, also offenbar an die Neufassung des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO geknüpft (vgl. BTDrucks 14/4061).
c) Da das FG die Klage der Kläger mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen hat, hätten die Kläger folglich in der Beschwerdebegründung darlegen müssen, weshalb der BFH sich in einem Revisionsverfahren nicht nur auf die Prüfung der Zulässigkeit der Klage zu beschränken, sondern auch über die von ihnen als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete materiell-rechtliche Frage zu entscheiden haben wird. Dies setzt Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage oder ggf. zu einem damit in Zusammenhang stehenden Revisionszulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO voraus. Daran fehlt es. In der Beschwerdebegründung wird die Problematik der Abweisung der Klage als unzulässig überhaupt nicht angesprochen.
2. Soweit die Kläger ihre Nichtzulassungsbeschwerde auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO stützen, fehlt es an jeglicher über die Ausführungen zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hinausgehenden Darlegung dieses Zulassungsgrundes.
3. Soweit die Kläger gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO rügen, das FG habe zu Unrecht durch den Einzelrichter und damit unter Verletzung des Art. 101 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) entschieden, ist die Beschwerde unbegründet.
Mit Beschluss vom 19. September 2001 ist der Rechtsstreit gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1, § 6 Abs. 1 FGO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden. Dieser Beschluss ist gemäß § 6 Abs. 4 FGO unanfechtbar und kann regelmäßig auch im Rechtsmittelverfahren nicht überprüft werden. § 6 Abs. 4 Satz 1 FGO schließt einen Rechtsmittelführer allerdings nicht mit der Rüge aus, der Übertragungsbeschluss sei verfahrensfehlerhaft getroffen worden, insbesondere sei das FG nicht nach Vorschrift des Gesetzes besetzt gewesen. Ein Fehler bei der Besetzung der Richterbank führt aber nur dann zu einem Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn sich der Gesetzesverstoß zugleich als eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt, weil die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter nicht mehr zu rechtfertigen und deshalb "greifbar rechtswidrig" ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 25. Juni 2001 V B 6/01, BFH/NV 2001, 1589, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Insbesondere widerspricht die Übertragung auf den Einzelrichter nicht den Beschlüssen der 3. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 5. Mai 1998 1 BvL 23/97 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1998, 680, und 1 BvL 24/97, HFR 1998, 682). Abgesehen davon, dass die Entscheidungen des BVerfG nicht zu einer Übertragung nach § 6 FGO, sondern zu einer Entscheidung des Berichterstatters nach § 79a FGO ergangen sind, hat der Einzelrichter im Streitfall nicht über die Vorlage an das BVerfG, sondern ―insoweit― über die Zulässigkeit der Klage entschieden. Die Kläger haben nicht vorgetragen, dass insoweit die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist.
Die Entscheidung ergeht mit Kurzbegründung (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 892727 |
BFH/NV 2003, 483 |