Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Liegt ein so genanntes einheitliches Vertragswerk vor, entsteht auch Grunderwerbsteuer auf die Baukosten. Das FG Münster hält dies nicht für gemeinschaftsrechtswidrig und widerspricht somit ausdrücklich dem Niedersächsischen Finanzgericht.
Sachverhalt
Von einem einheitlichen Vertragswerk bei der Grunderwerbsteuer wird regelmäßig ausgegangen, wenn der Erwerber ("Bauherr") in seiner Entscheidung, auch einen Bauwerkvertrag abzuschließen, nicht wirklich frei ist. Dies trifft zumeist bei so genannten Bauherrenprojekten bzw. -modellen zu, sofern sich der Grundstückskauf sowie der anschließende Hausbau als einheitliches Angebot darstellen. Im Streitfall hatte der Grundstückserwerber zwei Wochen nach dem Grundstückskauf entsprechend einem in einem Bauprospekt angebotenen Konzept den Bauwerkvertrag abgeschlossen. Anbieter der Bauleistung die X-GmbH war eine 100%ige Tochtergesellschaft des Grundstücksveräußerers (Stadt N). Das Finanzamt ging von einem einheitlichen Vertragswerk aus und erhöhte die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer um die Baukosten.
Entscheidung
Das Finanzgericht bestätigte die Grunderwerbsteuerfestsetzung, die Klage war unbegründet. Das Gesamtbild der Verhältnisse zeige im Streitfall, dass den Klägern durch einvernehmliches Zusammenwirken der Beteiligten ein bebautes Grundstück angeboten werden sollte und die Klägerin dieses einheitliche Angebot auch tatsächlich angenommen hat. Das Auftreten zweier Personen auf der Veräußererseite (hier: Stadt N und X-GmbH) ändert daran nichts, da die Stadt N und die von ihr zu 100% beherrschte X-GmbH personell und gesellschaftsrechtlich eng miteinander verbunden sind. Außerdem ergab sich aus den Werbeprospekten der X-GmbH, dass die Veräußerung der Baugrundstücke und die anschließende Bebauung auf Grund eines einheitlichen und abgesprochenen Konzepts erfolgen sollten.
Obwohl das Niedersächsische Finanzgericht für vergleichbare Fallgestaltungen ein Vorabentscheidungsgesuch an den EuGH gerichtet hat und von diesem wissen möchte, ob die Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, kommt eine Aussetzung des Verfahrens für das Finanzgericht Münster nicht in Betracht.
Hinweis
Die EuGH-Vorlage des Niedersächsischen Finanzgerichts (Beschluss v. 2.4.2008, 7 K 333/06) ist verständlicherweise in der Praxis viel beachtet worden. Um Masseneinsprüchen aus dem Weg zu gehen, erlässt die Finanzverwaltung Grunderwerbsteuerbescheide insoweit nur noch vorläufig (vgl. Oberste Finanzbehörden der Länder v. 23.7.2008). Das Finanzgericht Münster hält die Zweifel jedoch für völlig unbegründet und hat den Fall deswegen zügig "durchentschieden", damit der BFH Gelegenheit hat, zu den Ausführungen des Niedersächsischen Finanzgerichts baldmöglichst Stellung zu beziehen. Schließlich wurde die langjährige BFH-Rechtsprechung durch die EuGH-Vorlage ausdrücklich in Frage gestellt. Bis auf Weiteres sollte deshalb nicht damit gerechnet werden, dass sich die Grunderwerbsteuer auf die Baukosten bei "einheitlichen Vertragswerken" tatsächlich endgültig vermeiden lässt.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 19.06.2008, 8 K 4414/05 GrE