Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Das deutsch-schweizerische Lastenausgleichsabkommen schließt für den dort begünstigten Personenkreis eine Befreiung von der HGA aus.

Der überleitungsvertrag bestimmt, daß die Angehörigen der Vereinten Nationen nicht von der HGA befreit sind, und sieht wegen der Abgaben des Lastenausgleichs keine vorläufige Heranziehungssperre bis zum Abschluß eines Friedensvertrages vor.

Die Heranziehung von Ausländern zur HGA enthält keine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG.

Eine die Heranziehung von Ausländern zu Kriegsfolgelasten ausschließende völkerrechtliche Regel besteht nicht. Zweifel im Sinne des Art. 100 Abs. 2 GG sind Zweifel des Vorlagegerichts.

Darin, daß das LAG und seine Durchführungsverordnungen im Hinblick auf die seit 1937 bestehenden deutschen Devisenvorschriften keine Befreiung von der HGA für Ausländer als Eigentümer eines inländischen, mit einer Hypothek zugunsten eines Inländers belasteten Grundstückes vorsehen, liegt keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG.

LAG § 91; 16. AbgabenDV-LA § 8; Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (überleitungsvertrag) Zehnter Teil Art. 6 (BGBl 1955 II S. 405); Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der schweizerischen Eidgenossenschaft zum deutschen Lastenausgleich vom 26. August 1952 (BGBl 1953 II S. 24); GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 3, Art. 25,

 

Normenkette

LAG § 91; 16-AbgabenDV-LA 8; ÜbV 6; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 3, Art. 25, 100 Abs. 2; BVerfGG § 13 Ziff. 12

 

Tatbestand

Die Bfin. ist als Eigentümerin eines in Hamburg belegenen Grundstücks wegen einer am 20. Juni 1948 noch valutierten und im Verhältnis 10 RM zu 1 DM umgestellten auf diesem Grundstücke lastenden Hypothek unter Berücksichtigung eines Kriegsschadens am Grundstücke zur Hypothekengewinnabgabe (HGA) herangezogen worden.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Mit der Rb. bestreitet die Bfin. unter teilweiser Wiederholung ihres Vorbringens in den Vorinstanzen, daß sie zur HGA herangezogen werden könne. Zur Begründung macht sie folgendes geltend:

Es liege kein Schuldnergewinn vor. Kein Schuldner habe am Währungsstichtage Mittel gehabt, um seine Verbindlichkeiten zu begleichen; auch werde bei der Annahme von Schuldnergewinnen zu Unrecht außer acht gelassen, daß diesen z. B. in Gestalt von Bankguthaben Gläubigerverluste gegenüberstehen könnten.

Die Bfin. sei durch die seit 1937 bestehenden deutschen devisenrechtlichen Vorschriften gehindert gewesen, die durch das Grundpfandrecht gesicherte Verbindlichkeit zu kündigen und zu tilgen. Sie werde durch § 91 LAG den inländischen Schuldnern gleichgestellt, bei denen dies nicht der Fall gewesen sei. Dadurch entstehe in der praktischen Auswirkung eine ungleiche Behandlung, die nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juni 1958 2 BvF 1/57 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 8 S. 51) mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatze des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar sei. Auch verstoße die Regelung des § 91 LAG aus dem genannten Grunde deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil ungleiche Tatbestände gleichbehandelt würden. Andererseits verstoße § 8 der Sechzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (16. AbgabenDV- LA) gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil dort zwar für die Fälle besatzungsrechtlicher Vermögens- und Zahlungssperren, nicht aber für die Fälle devisenrechtlicher Behinderungen, die Schuld zu tilgen, eine Freistellung von der HGA-Pflicht vorgesehen sei.

Als juristische Person schweizerischen Rechtes stünden ihr nach dem deutsch-schweizerischen Lastenausgleichsabkommen vom 26. August 1952 (BGBl 1953 II S. 24) die Rechte der Angehörigen meistbegünstigter Nationen zu. Demgemäß gelte für sie Art. 6 des Zehnten Teiles des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (überleitungsvertrag), der von der Bundesrepublik Deutschland mit den Vereinigten Staaten von Amerika, dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und der Französischen Republik im Rahmen der sogenannten Pariser und Bonner Verträge (BGBl 1955 II S. 405) geschlossen wurde. Aus Abs. 1 des genannten Art. 6 ergebe sich bis zum Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland eine Befreiung der Angehörigen der Vereinten Nationen (AVN) von der HGA.

Das LAG, insbesondere sein § 91, verletze das aus Art. 3 Abs. 1 GG zu entnehmende Diskriminierungsverbot. Sowohl das Gesetz selbst wie die dieses ergänzenden Rechtsverordnungen enthielten zahlreiche Befreiungsvorschriften, ohne aber die AVN zu berücksichtigen.

In der Heranziehung von Angehörigen eines ausländischen Staates zur HGA liege eine nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechtes unzulässige Enteignung. Insbesondere würden durch das Aufkommen aus der HGA Kriegsfolgelasten gedeckt. Solche Vermögensabgaben seien nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechtes unzulässig. Zur Begründung hierfür hat sich die Bfin. auf ein in einem anderen Rechtsbeschwerdeverfahren vorgelegtes Gutachten eines Universitätsprofessors bezogen.

Die Bfin. ist der Auffassung, daß gemäß Art. 100 Abs. 1 wie gemäß Art. 100 Abs. 2 GG die Entscheidung über die Rb. ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eingeholt werden müsse.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

I. - Die Heranziehung der durch die Währungsumstellung entstehenden Schuldnergewinne zum Lastenausgleich geht zurück auf § 16 Abs. 3 des 3. Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens (Umstellungsgesetz) - UG -, in dem es heißt:

"Die Heranziehung der Schuldnergewinne zum Lastenausgleich obliegt der deutschen Gesetzgebung." Als Schuldnergewinne im Sinne der Bestimmungen über die HGA bezeichnet das LAG u. a. die Währungsgewinne aus Schulden, die am 20. Juni 1948 durch Grundpfandrechte an einem im Geltungsbereiche des GG belegenen Grundstücke des Schuldners gesichert waren, soweit die Verbindlichkeit nach den Umstellungsvorschriften im Verhältnis von 10 RM zu 1 DM umgestellt worden ist (§ 3 Nr. 2 in Verbindung mit § 91 Abs. 1 LAG). Deshalb liegen die Ausführungen der Bfin., kein Schuldner habe am 21. Juni 1948 Mittel gehabt, um seine Schulden zu begleichen, wie das Finanzgericht mit Recht ausgeführt hat, neben der Sache. Das gleiche gilt von dem Einwand, der Schuldner könne Gläubigerverluste erlitten haben und habe dann durch die Währungsumstellung bei saldierender Betrachtung keinen Gewinn erzielt. Eine Saldierung läßt das LAG nur bei der Kreditgewinnabgabe (KGA) zu (§ 3 Nr. 3, §§ 161 ff. LAG).

Wenn das Finanzgericht hierzu weiter ausgeführt hat, die durch Grundpfandrechte gesicherten Verbindlichkeiten würden stets für Zwecke des Grundstückes aufgenommen, so trifft dies allerdings in dieser verallgemeinernden Form nicht zu. Aber hierauf kommt es nicht an. Der zur HGA herangezogene Gewinn des Schuldners liegt, worauf das Finanzgericht mit Recht hingewiesen hat, in dem Wertzuwachs des von der dinglichen Belastung in Höhe des Abwertungsbetrages freigewordenen Teiles des Grundstückes. Dieser hätte ohne die Belastung mit der HGA realisiert werden können, da der Wert des Grundstückes von der Währungsumstellung unberührt geblieben ist.

II. - Die allgemeine und unsubstantiierte Behauptung der Bfin., durch deutsche devisenrechtliche Vorschrift seit 1937 an der Kündigung und Tilgung der Hypothek gehindert gewesen zu sein, ist unzutreffend. Das deutsche Devisenrecht verfolgte grundsätzlich den Zweck, die vorhandenen und anfallenden Devisen für die Befriedigung der Bedürfnisse des deutschen Volkes in der Reihenfolge ihrer Vordringlichkeit zur Verfügung zu stellen, den Devisenanfall zu erhöhen und die Entstehung jedes unnötigen Devisenbedarfes zu verhindern (so ausdrücklich Nr. 3 der Verordnung zur Devisenbewirtschaftung (Richtlinien für die Devisenbewirtschaftung) vom 22. Dezember 1938 - RGBl 1938 I S. 1851 -). Durch das Fälligwerden einer Forderung, die durch eine Hypothek an einem inländischen, einem Ausländer gehörigen Grundstücke gesichert war, konnte allenfalls der Devisenanfall erhöht werden. Dessen Erfassung diente z. B. § 14 Nr. 3 des Gesetzes über die Devisenbewirtschaftung vom 12. Dezember 1938 (Devisengesetz) - RGBl 1938 I S. 1733 -, der vorschrieb, daß nur mit Genehmigung verfügt werden durfte

"über Forderungen eines Inländers in in- oder ausländischer Währung gegen einen Ausländer, es sei denn, daß die Forderungen an die Reichsbank oder eine Devisenbank veräußert werden".

Dem gleichen Zwecke diente § 46 a. a. O., der Inländern unter genau bestimmten Voraussetzungen eine Pflicht zur Anbietung gewisser auf Ausländer Bezug habenden Werte gegenüber der Reichsbank auferlegte.

Jedoch bedurfte der ausländische Schuldner keiner Genehmigung für seine Leistung, weil sie dem Zwecke des Devisengesetzes entsprach (vgl. Baer-Werner, Devisenrecht, Buchführung und Devisenprüfung, 1940, herausgegeben vom Deutschen Betriebswirte- Verlag, S. 30). Zwar lag in der Entgegennahme der geschuldeten Leistung durch den inländischen Gläubiger eine Verfügung im Sinne des § 14 Nr. 3 des Devisengesetzes, aber die oben angeführte Verordnung zur Devisenbewirtschaftung (Richtlinien zur Devisenbewirtschaftung) vom 22. Dezember 1938 befreite in Abschn. II Nr. 10 Abs. 4 den Inländer von der Genehmigungspflicht nach § 14 Nr. 3 des Devisengesetzes, u. a. wenn er ausländische Zahlungsmittel unter Umrechnung zum amtlichen Kurs selbst in Zahlung nahm und sie der Reichsbank oder einer Devisenbank nach § 48 des Devisengesetzes anbot. Unter bestimmten Voraussetzungen genügte für die Befreiung von der Genehmigungspflicht die Entgegennahme inländischer Zahlungsmittel (vgl. Richtlinien zur Devisenbewirtschaftung Abschn. II Nr. 10 Abs. 3).

Daß demgemäß auch die Kündigung der Hypothek durch den ausländischen Schuldner, falls sie der Genehmigung unterlegen haben sollte, genehmigt worden wäre, kann einem Zweifel nicht unterliegen. Jedenfalls enthielt das Devisenrecht zahlreiche Möglichkeiten zur Tilgung von Hypotheken. Daß sich die Bfin. ihrer nicht hätte bedienen können, ist nicht dargetan.

Das Devisengesetz vom 12. Dezember 1938 einschließlich seiner Durchführungsvorschriften und Richtlinien ist am 1. Januar 1939 in Kraft getreten. In den Jahren 1937 und 1938 galt das Devisengesetz vom 4. Februar 1935 mit seinen Durchführungsverordnungen und Richtlinien. Es enthielt keine geringeren Möglichkeiten für die Kündigung und Tilgung von Hypotheken, wie sich schon daraus ergibt, daß das Devisenrecht mit der zunehmenden Kapitalflucht eine fortlaufende Verschärfung erfuhr (vgl. Baer-Werner a. a. O. S. 3). Im übrigen würde es auf die Rechtslage allein in den Jahren 1937 und 1938 nicht ankommen.

Damit entbehren alle an die angebliche Behinderung der Kündigung und Tilgung der Hypothek geknüpften Rechtsfolgen der Grundlage. Im übrigen ist die Berufung auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG selbst dann unbegründet, wenn die behauptete Behinderung vorgelegen hätte. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juni 1958 2 BvF 1/57 (a. a. O.) wird von der Bfin. mißverstanden. Dort wurde in einer begünstigenden Vorschrift wegen der mittelbar ungleichmäßigen Auswirkungen ihrer Rechtsfolgen eine ungleiche Behandlung erblickt. Hier aber wird von der Bfin. die Ausnahme von den Rechtsfolgen einer belastenden Vorschrift angestrebt, weil angeblich der gesetzliche Tatbestand ungleiche Voraussetzungen umfaßt. Soweit die Bfin. rügt, daß § 91 LAG die angeblich durch die Devisengesetzgebung an der Zahlung behinderten Schuldner von der HGA-Verpflichtung hätte ausnehmen müssen, übersieht sie, daß die auf Grund des § 141 Nr. 1 und des § 367 LAG erlassene 16. AbgabenDV-LA auch bei besatzungsrechtlichen Hindernissen nur vorgeschriebenen Leistungen auf die Verbindlichkeit, nicht aber nicht fällig gewesenen Leistungen die Begünstigung zuteil werden läßt (§ 8 der 16. AbgabenDV-LA). Eine ungleiche Behandlung kann schon deswegen nicht vorliegen. Aus diesem Grunde sind auch die gegen die 16. AbgabenDV-LA im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG erhobenen Einwendungen unbegründet.

III. - Daß der Bfin. auf dem Wege über die Meistbegünstigung die Rechte der AVN zustehen, ist nicht zweifelhaft. Wie aber der Senat bereits in seiner Entscheidung III 265/55 U vom 11. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 107, Slg. Bd. 70 S. 287) ausgeführt hat, sind die AVN auf Grund des Art. 6 des Zehnten Teiles des überleitungsvertrages nicht von der HGA befreit.

Wenn die Bfin. meint, aus Art. 6 Abs. 1 des Zehnten Teiles des überleitungsvertrages ergebe sich bis zum Abschluß eines Friedensvertrages eine vorläufige Heranziehungssperre hinsichtlich aller Lastenausgleichsabgaben und somit auch der HGA, während Abs. 2 des Art. 6 eine endgültige Befreiung für einen bestimmten sachlichen und zeitlichen Bereich vorsehe, so kann dem nicht gefolgt werden.

Wie der Senat in seinem Urteil III 25/61 U vom 25. Januar 1963 (BStBl 1963 III S. 222) bereits festgestellt hat, ist die HGA eine Abgabe im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 a. a. O., die nur zum Teil zu dem besonderen Zwecke erhoben wird, Lasten zu decken, die sich aus dem Kriege ergeben. Weiter wird in jenem Urteil dargelegt, daß die vertragschließenden Mächte für die "besonderen Fälle" der Abgaben des Lastenausgleichs in Gestalt des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 im Kompromißwege eine besondere Vereinbarung getroffen haben, bei der sie sich nicht nur im Rahmen der Subsumtion unter den Begriff des Satzes 1 bewegt, sondern auch anderen Erwägungen Raum gegeben haben. Ergebnis dieses Kompromisses ist die Regelung in Art. 6 Abs. 2 Satz 2, der zu entnehmen ist, daß zwar eine zeitlich bemessene, also teilweise Befreiung von der Vermögensabgabe, aber keine Befreiung von der HGA gewährt wird. - Auf das genannte Urteil wird verwiesen. - Hierbei handelt es sich um eine ausdrückliche und abschließende Regelung durch die Vertragsstaaten, die es nicht gestattet, auf den Abs. 1 des Art. 6 a. a. O. zurückzugreifen. Eine Bestätigung dieser Auslegung ist in Abs. 7 des Art. 6 zu erblicken, da hier geregelt ist, wie bei anderen Lastenausgleichsabgaben, also der HGA und der KGA, im Hinblick auf die zeitweise Befreiung von der Vermögensabgabe zu verfahren ist. Die Vertragsstaaten sind also grundsätzlich von der Heranziehung zur HGA ausgegangen.

Bei ihrer Auffassung, daß Abs. 1 des Art. 6 eine vorläufige Heranziehungssperre bis zum Abschluß eines Friedensvertrages anordne, Abs. 2 aber eine sofort wirksame endgültige Befreiung für einen bestimmten sachlichen und zeitlichen Bereich vorsehe, übersieht die Bfin., daß die HGA nicht eine Abgabe ist, die im Sinne des Art. 6 Abs. 1 vollständig zu dem fraglichen Zwecke auferlegt, sondern im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 nur teilweise zu dem in Abs. 1 bezeichneten Zwecke erhoben wird. Es könnte also, wenn Art. 6 Abs. 2 Satz 2 keine abschließende Regelung des Umfanges der Befreiung von den Abgaben des Lastenausgleichs enthielte, allenfalls nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 eine vorläufige teilweise Heranziehungssperre in Betracht kommen. Dagegen spricht aber entscheidend, daß dann der Umfang einer solchen teilweisen Befreiung für den vorläufigen Zeitraum bis zum Abschluß des Friedensvertrages nicht geregelt wäre. Das gleiche würde dann für die übrigen Abgaben des Lastenausgleichs gelten, die wie die Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland in ihren rechtskräftigen Urteilen vom 2. Juni 1959 - AC/1/J (59) 11 - (BStBl 1963 I S. 140) und vom 23. März 1962 - AC/2/J (62) 1 - (BStBl 1963 I S. 127) mit Recht festgestellt hat, ebenso wie die HGA gemischten Zwecken dienen, also nur teilweise zur Deckung von Lasten erhoben werden, die aus dem Kriege herrühren. Wäre aber für die Soforthilfeabgabe (SHA) und die Vermögensabgabe die Frage offen geblieben, in welcher Höhe bis zum Abschluß des Friedensvertrages eine vorläufige Heranziehungssperre eintreten sollte, dann wäre die auf abschließende Regelung des Umfangs der Befreiung hindeutende, eingehende und komplizierte Regelung des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit den folgenden Absätzen 3 bis 8 nicht verständlich. Dies entspricht auch der Auffassung der Schiedskommission für Güter, Rechte und Interessen in Deutschland in den beiden genannten Urteilen.

Da die Nichtbefreiung der AVN von der HGA, wie dargelegt, auf einer völkerrechtlichen Vereinbarung der vertragschließenden Mächte beruht, entbehrt auch der Vorwurf einer Diskriminierung der AVN, der darin bestehen soll, daß das LAG und seine Durchführungsverordnungen in die Zahl der sonstigen persönlichen Befreiungen die AVN nicht aufgenommen haben, jeder Grundlage.

IV. - Die Heranziehung zur HGA enthält - entgegen der Annahme des Finanzgerichts - keine Enteignung. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 24. April 1953 1 BvR 102/51 (BVerfGE Bd. 2 S. 237 (258-260)) festgestellt hat, enthielt die Belastung von Grundstücken mit Umstellungsgrundschulden auf Grund des Gesetzes zur änderung des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich vom 10. August 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes S. 232) um deswillen keine Enteignung, weil der mit der Umstellungsgrundschuld belastete Teil des Grundstückes durch die Währungsumstellung in Höhe des Abwertungsbetrages im Hinblick auf § 16 Abs. 3 UG nur mit der Maßgabe frei von der dinglichen Last geworden war, daß der Abwertungsbetrag als Schuldnergewinn zum Lastenausgleich herangezogen werden sollte.

Was hiernach für die Umstellungsgrundschuld gilt, die nur der Sicherung der noch zu schaffenden Forderung aus dem Lastenausgleich diente, muß entsprechend auch für die endgültige Auferlegung der der Erfassung des Abwertungsbetrages (Schuldnergewinnes) dienenden HGA als öffentlichen Last gelten. Auch schützt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 1954 (BVerfGE Bd. 4 S. 7 (17)) Art. 14 GG nicht das Vermögen gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, so daß die Frage einer Entziehung des Eigentums insoweit schon begriffsmäßig nicht in Betracht kommt.

Liegt aber in der Auferlegung der HGA durch das LAG keine Enteignung und ist damit auch Art. 14 Abs. 3 GG nicht verletzt, so entbehren auch die an die angebliche Enteignung unter Berufung auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes (Art. 25 GG) geknüpfte Einwendungen der Grundlage. Daß sich die Bfin. als ausländische juristische Person gemäß Art. 19 Abs. 3 GG ohnehin nicht auf Art. 14 Abs. 3 GG berufen könnte, kann hierbei außer Betracht gelassen werden.

Das Gutachten, auf das die Bfin. Bezug nimmt, bezieht sich auf die Vermögensabgabe. Die HGA hat im Hinblick auf die von vornherein bei der Umstellungsgesetzgebung in Aussicht genommene Erfassung der Schuldnergewinne einen anderen Rechtscharakter. Die Ausführungen des Gutachtens, soweit sie sich allgemein mit der Frage der Enteignung in bezug auf die Vermögensabgabe befassen, enthalten deshalb auch nichts, was den oben angeführten, gegen den Enteignungscharakter sprechenden Gründen entgegensteht. Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 1957 1 BvR 65/54 (BVerfGE Bd. 6 S. 290 (300)) ist davon auszugehen, daß keine allgemeinen Regeln des Völkerrechtes erkennbar sind, die weiter reichen als der Eigentumsschutz des GG.

Auch eine ausdrücklich die Heranziehung von Ausländern zu Kriegsfolgelasten ausschließende völkerrechtliche Regel ist nicht festzustellen.

Die im Gutachten als Beweis für einen solchen völkerrechtlichen Rechtssatz angeführten - nach dem zweiten Weltkriege abgeschlossenen - Friedensverträge der Vereinten Nationen mit Italien, Finnland, Rumänien, Bulgarien und Ungarn befreien die AVN bis zum Abschluß der jeweiligen Friedensverträge von Vermögensabgaben zur Deckung von Kriegsfolgelasten. Den Ausführungen im Gutachten, diese Bestimmungen seien deklaratorischer Natur und spiegelten nur eine allgemeine Rechtsüberzeugung im Hinblick auf eine völkerrechtliche Regel wider, kann nur Behauptungscharakter beigemessen werden. Diese Vereinbarungen stellen sich vielmehr als konstitutive Regelungen im Einzelfalle dar, bei der sich die Machtstellung des Siegers gegenüber dem Besiegten durchgesetzt hat. Der im Gutachten angeführte Schiedsspruch von Gustav Ador vom 15. Juni 1922 zum französisch-spanischen Niederlassungsvertrage vom 7. Januar 1862, der die in Frankreich ansässigen Spanier von der Kriegsgewinnsteuer befreite, beruhte, wie das Gutachten selbst ausführt, auf einer Auslegung des französischen Steuergesetzes. Diesem wurde entnommen, daß nur französische Staatsangehörige herangezogen werden sollten. Hierbei stützte man sich auf die Materialien des Gesetzes, aus denen man folgerte, daß die Heranziehung zur Kriegsgewinnsteuer mit der vaterländischen Verpflichtung begründet wurde, Opfer zum Ausgleich derjenigen Leiden und Verluste zu übernehmen, die französische Bürger während des Krieges auf Grund ihrer vaterländischen Pflicht hätten hinnehmen müssen. Demgegenüber versage hier das sonst geltende Territorialitätsprinzip. Völkerrechtliche Regeln wurden nicht zur Auslegung herangezogen.

Auch der Hinweis im Gutachten auf den im Anschluß an den Friedensvertrag von Lausanne vom 24. Mai 1923 von den Alliierten mit der Türkei geschlossenen Niederlassungsvertrag besagt nichts für das Bestehen einer völkerrechtlichen Regel in dem behaupteten Sinne. Dort wurden die Staatsangehörigen der Vertragspartner der Türkei, die sich in dieser niedergelassen haben, von außerordentlichen Vermögensabgaben selbst im Falle eines Krieges befreit. Eingangs heißt es in jenem Vertrage, daß die Niederlassungsbedingungen in der Türkei für die Staatsangehörigen der anderen Vertragspartner "in übereinstimmung mit dem modernen Völkerrecht" geregelt werden sollen. Die Bezugnahme auf das moderne Völkerrecht hängt aber offenbar mit dem Ersatz des veralteten Kapitulationssystems durch ein modernes Niederlassungssystem zusammen, enthält also z. B. eine Anspielung auf den Fortfall der Konsulargerichtsbarkeit.

Die im Gutachten erwähnte Freistellung ausländischen Vermögens von den finnischen Vermögensabgaben durch die Gesetze vom 15. November 1940 und vom 5. Mai 1945 beruhte - wie das Gutachten selbst einräumt - auf einem Vertrag mit Schweden und den Konsequenzen aus Meistbegünstigungsverträgen, kann also nicht als Beweis für einen entsprechenden allgemeinen Völkerrechtssatz dienen.

Schließlich greift die Berufung der Bfin. auf allgemeine Regeln des Völkerrechts schon deswegen nicht durch, weil völkerrechtliches Vertragsrecht den Vorrang vor solchen allgemeinen Regeln hat. Nach Art. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der schweizerischen Eidgenossenschaft zum deutschen Lastenausgleich vom 26. August 1952 (a. a. O.) genießen die schweizerischen Staatsangehörigen, die am Währungsstichtage das Schweizer Bürgerrecht besessen haben, und entsprechend die nach deutschem Recht abgabepflichtigen Körperschaften, die nach Schweizer Recht errichtet worden sind, beim Lastenausgleich "die gleiche Behandlung", wie sie Angehörigen der meistbegünstigten Nation auf diesem Gebiete zusteht. Angehörige der meistbegünstigten Nation sind die AVN. Deren Behandlung auf dem Gebiet des Lastenausgleichs ist durch Art. 6 des Zehnten Teiles des überleitungsvertrages in der Weise geregelt, daß nach Abs. 2 Satz 2 a. a. O. keine Befreiung von der HGA gewährt wird. Ebenso wie sich die AVN im Hinblick hierauf nicht etwa auf eine dem entgegenstehende allgemeine völkerrechtliche Regelung berufen könnten, steht auch den durch das völkerrechtliche Abkommen vom 26. August 1952 begünstigten schweizerischen natürlichen und juristischen Personen eine Berufung hierauf nicht zu. Die Behandlung auf dem Gebiete des Lastenausgleichs ist vielmehr durch das Abkommen abschließend geregelt worden. Dies geht - von anderem abgesehen - daraus hervor, daß das Abkommen nach seinem Vorspruch in Berücksichtigung der zwischen den beiden Staaten geschlossenen weiteren drei Abkommen, nämlich über die deutschen Vermögen in der Schweiz, über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte und über die Regelung der Forderungen der schweizerischen Eidgenossenschaft gegen das ehemalige Deutsche Reich geschlossen worden ist, also einen umfassenden Austausch gegenseitiger Verpflichtung zum Gegenstand gehabt hat.

Das im Abkommen verwendete Wort "genießen" läßt hiernach nicht offen, daß weitergehende Vergünstigungen nach etwa bestehenden allgemeinen Regeln des Völkerrechtes unberührt bleiben, sondern deutet eher darauf hin, daß auch nach der Rechtsauffassung der Vertragsstaaten solche Regeln nicht bestehen.

V. - Eine Vorlagepflicht an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 2 GG besteht, wenn in einem Rechtsstreite zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechtes ist. Die bezeichneten Zweifel muß das vorlegende Gericht selbst haben. Nach den Ausführungen zu IV. hat der erkennende Senat diese Zweifel nicht; er ist vielmehr der Auffassung, daß eine allgemeine Regel des Völkerrechtes in dem von der Bfin. vorgetragenen Sinne überhaupt nicht besteht. Der Auffassung von Lechner, Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, Bem. 4 zu § 13 Ziff. 12, und Geiger, Kommentar zum Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, Bem. 3 zu § 83, daß der Zweifel eines Prozeßbeteiligten genüge, um die Vorlagepflicht zur Entstehung zu bringen, kann nicht beigepflichtet werden. Sie wird von beiden Autoren nicht begründet. Gegen sie spricht die objektive Fassung des Halbsatzes "Ist in einem Rechtsstreit zweifelhaft", die auf die subjektive Auffassung der Prozeßbeteiligten allein nicht Bezug haben kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 13 Ziff. 12 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht, der mit den Worten beginnt "bei Zweifeln", da diese Vorschrift auf Art. 100 Abs. 2 GG Bezug nimmt. Ferner spricht der Zusammenhang mit Art. 100 Abs. 1 GG, der auf die Auffassung des Gerichts abstellt, gegen diese Auslegung. Vor allem würde die Irrelevanz der Auffassung des Gerichtes den Verlauf des Verfahrens vollständig in die Hände der Prozeßbeteiligten legen und jeder Prozeßökonomie zuwiderlaufen. Damit würde den Gerichten die ihnen nach herkömmlichem Grundsatz obliegende Prüfung des Rechts entzogen und das Bundesverfassungsgericht überhäuften Vorlagen von Rechtsstreitigkeiten mit Parteibehauptungen ausgesetzt werden, die entweder näherer Prüfung nicht standhalten oder gar völlig unbegründet sind. Daß dies nicht der Sinn der Vorschrift sein kann, liegt auf der Hand. Auch das Bundesverfassungsgericht hält offensichtlich die Auffassung des Vorlagegerichts für maßgebend, wie sich aus dem Beschluß vom 30. November 1953 1 BvO 2/52 (BVerfGE Bd. 4 S. 358 (369)) ergibt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410772

BStBl III 1963, 300

BFHE 1963, 824

BFHE 76, 824

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