Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer, Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei Freistellung einer nichtbundeseigenen Eisenbahn von der Verpflichtung, die Beförderungsteuer zu Lasten des Steuerschuldners zu entrichten, nach § 3 Abs. 4 BefStG liegen keine steuerfreien Bezüge der Eisenbahn aus öffentlichen Mitteln im Sinne des § 3 Ziff. 11 EStG vor.
Normenkette
EStG § 3 Ziff. 11; KStG § 6 Abs. 1; KStDV § 15
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) ist ein Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie betreibt auf der Strecke A-K Personen- und Güterverkehr und ist nach § 1 Abs. 1 Ziff. 6 KStG 1958 unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Bis zum 31. Mai 1955 ist ihr die Beförderungsteuer im Billigkeitswege erlassen worden. Durch Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom Juli 1958 ist die Stpfl. gemäß § 3 Abs. 4 des Beförderungsteuergesetzes in der Fassung vom 13. Juli 1955 (BefStG 1955) mit Wirkung vom 1. Juni 1955 bis zum 31. Dezember 1960 von der Verpflichtung ausgenommen worden, für Personen- und Güterbeförderung im Schienenbahnverkehr Beförderungsteuer zu entrichten. Die Stpfl. hat weder in dem Streitjahr (1958) noch in den Vorjahren Beförderungsteuer gezahlt noch zu Lasten des Gewinns zurückgestellt.
In der Körperschaftsteuererklärung für 1958 hat die Stpfl. erstmals beantragt, die auf Grund des oben erwähnten Ministererlasses bis dahin erlassenen Beförderungsteuern in Höhe von 20 843,60 DM bei der Körperschaftsteuer steuerfrei zu stellen. Die Befreiung sei nach eingehender Prüfung ihrer Notlage erfolgt. Die erlassenen Beförderungsteuern stellten Bezüge aus öffentlichen Mitteln dar, die wegen Hilfsbedürftigkeit gewährt worden seien, so daß die Steuerbefreiung nach § 3 Ziff. 11 EStG 1958 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 KStG und § 15 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes 1958 (KStDV) gegeben sei. Sie verweist auf das Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) I A 55/28 vom 13. November 1930 (RStBl 1931 S. 262) und auf das Rundschreiben des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 18. August 1959, S 2520 - 40 - 313, aus denen hervorgeht, daß ein Verzicht auf die Abführung der vereinnahmten Steuerbeträge eine Zuwendung aus Mitteln des Bundes, also aus öffentlichen Mitteln, an das Beförderungsunternehmen bedeute, der bei entsprechender Hilfsbedürftigkeit zu einer Steuerbefreiung nach § 3 Ziff. 11 EStG führe.
Der Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat einem dahingehenden Antrag nicht entsprochen und den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den "Entscheidungen" der Finanzgerichte (EFG) 1963 S. 397 veröffentlicht ist, führt aus, § 3 Abs. 4 BefStG 1955 ermächtige den BdF zu einer Steuerbefreiung. Mache er davon Gebrauch, so entstehe keine Beförderungsteuer. Sei jedoch die Beförderungsteuer schon entstanden und mache der BdF erst mit rückwirkender Kraft von dieser Ermächtigung Gebrauch, so erlösche der Steueranspruch ebenfalls rückwirkend.
Da die Stpfl. demnach keine Bezüge aus öffentlichen Mitteln erhalten habe, könne die Vorschrift des § 3 Ziff. 11 EStG nicht zur Anwendung kommen.
Mit der Rb. (Revision) wird vorgetragen, die Regelung des § 3 Abs. 4 BefStG 1955 entspreche einem Erlaßverfahren der in § 131 AO genannten Art. Bei derartigen Erlaßverfahren werde die Entstehung der Steuerschuld nicht berührt. Die Steuerschuld erlösche erst durch den Erlaß. Der Erlaß werde zugunsten des Unternehmers gewährt. Die Vorschrift des § 3 Ziff. 11 EStG sei gemäß § 6 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 15 KStDV auch im Körperschaftsteuerrecht anzuwenden. Die aus Billigkeitsgründen erlassene Beförderungsteuer sei als "Bezüge aus öffentlichen Mitteln" anzusehen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Streitig ist, ob in Höhe der nicht entrichteten Beförderungsteuerbeträge bei der Stpfl. Bezüge aus öffentlichen Mitteln vorliegen, die wegen Hilfsbedürftigkeit bewilligt und gemäß § 3 Ziff. 11 EStG, § 6 Abs. 1 KStG, in Verbindung mit § 15 KStDV steuerfrei sind. Nach Abschn. 6 Ziff. 8 EStR 1958 sind hilfsbedürftige Personen, die nach § 18 Abs. 2 StAnpG als bedürftig angesehen werden, d. h. Personen, die infolge ihrer körperlichen oder geistigen Beschaffenheit oder ihrer wirtschaftlichen Lage der Hilfe bedürfen (vgl. § 3 der Gemeinnützigkeits-Verordnung - GemV -). Diese Auslegung ist zutreffend, wie sich aus der Entstehungsgeschichte des § 3 Ziff. 11 EStG ergibt. Die Bezüge aus öffentlichen Mitteln oder einer öffentlichen Stiftung wegen Hilfsbedürftigkeit waren bis zum 31. Dezember 1949 als "Bezüge der öffentlichen Fürsorge" steuerfrei. Im Schrifttum ist anerkannt, daß sich die beiden Tatbestände im wesentlichen decken (Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 3, Anm. 10). Im übrigen wird nicht bezweifelt, daß hier der Begriff "hilfsbedürftig" mit dem Begriff "bedürftig" in § 18 Abs. 2 StAnpG gleichbedeutend ist (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 7. Aufl., § 3, Anm. 50; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer § 3 EStG, Anm. 12).
Sind aber als hilfsbedürftig Personen anzusehen, die infolge ihrer körperlichen und geistigen Beschaffenheit der Hilfe bedürfen, so trifft diese Begriffsbestimmung nur auf natürliche Personen zu. Es ist der Stpfl. zuzugeben, daß § 3 Ziff. 11 Satz 1 EStG durch § 15 KStDV bei der Körperschaftsteuer für anwendbar erklärt ist. Eine solche übernahme einkommensteuerlicher Vorschriften kann für die Körperschaftsteuer nur in Frage kommen, soweit die einkommensteuerliche Vorschrift nach ihrem Sinngehalt nicht auf natürliche Personen beschränkt ist. § 3 Ziff. 11 EStG kann darum nur soweit bei der Körperschaftsteuer Anwendung finden, als dies bei einer Körperschaft sinnvoll ist. § 3 Ziff. 11 EStG bleibt darum im KStG anwendbar, wenn Bezüge aus öffentlichen Mitteln als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung oder Ausbildung, die Wissenschaft oder Kunst unmittelbar zu fördern. Auf diese Alternative muß die Anwendung des § 3 Ziff. 11 EStG im Körperschaftsteuerrecht beschränkt bleiben. Es ist der Stpfl. zuzugeben, daß auch eine Körperschaft "arm" im Sinn des § 114 Abs. 4 der Zivilprozeßordnung sein kann, sie kann aber nicht hilfsbedürftig im Sinne des § 18 Abs. 2 StAnpG und damit auch nicht im Sinne des § 3 Ziff. 11 EStG sein.
Hiernach kommt es nicht mehr darauf an, ob die Vergünstigung des § 3 Abs. 4 BefStG 1955 Erlaß- oder Steuerbefreiungscharakter hat.
Fundstellen
Haufe-Index 412025 |
BStBl III 1966, 324 |
BFHE 1966, 316 |
BFHE 85, 316 |