Entscheidungsstichwort (Thema)

InvZul im Hotel- oder Gaststättengewerbe

 

Leitsatz (NV)

Ausbauten sind nach § 19 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 a i. V. m. § 14 Abs. 4 BerlinFG auch dann investitionszulagefähig, wenn sie an einem Gebäude vorgenommen werden, das vor der Durchführung der Baumaßnahme nicht dem Hotel- oder Gaststättengewerbe gedient hat.

 

Normenkette

BerlinFG a.F. § 14 Abs. 4, § 19

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines Hotelbetriebs. Dieser Betrieb befindet sich in einem Gebäude, das bis zum Streitjahr (1985) im Hinterhaus Räumlichkeiten aufwies, die als Mietwohnungen oder zu gewerblichen Zwecken genutzt wurden oder leer standen. Diese Räume baute der Kläger im Streitjahr zu Hotelzimmern um. Für diese Baumaßnahmen beantragte er eine Investitionszulage in Höhe von 15 v. H. der Herstellungskosten gemäß § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG).

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die begehrte Investitionszulage mit der Begründung ab, daß eine Zulage nur dann in Betracht kommen könnte, wenn das Gebäude, an dem die Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen werden, bereits vor Durchführung der Baumaßnahmen den begünstigten Zwecken gedient habe. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus: Ausbauten und Erweiterungen seien nicht begünstigt, auch wenn sie an Gebäuden oder Gebäudeteilen in einem Betrieb des Hotel- und Gaststättengewerbes vorgenommen würden. Es seien nur Modernisierungsmaßnahmen und nicht Erweiterungen zu fördern. Unter Modernisierung habe man Arbeiten an bereits bestehenden Einrichtungen zu verstehen. Die Schaffung neuen gewerblichen Raumes durch Erweiterungen könne keine Modernisierung sein. Die Förderung von Modernisierungsmaßnahmen sei bei Erweiterungen überflüssig, weil sie ohnehin nach dem neuesten Standard modern ausgestattet seien.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die Vorschriften des § 19 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 a i. V. m. § 14 Abs. 4 BerlinFG unzutreffend ausgelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 19 Abs. 1 BerlinFG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die in Berlin (West) einen Betrieb haben, u. a. auch für Ausbauten, Erweiterungen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten an abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens eine Investitionszulage in Höhe von 15 v. H. der Herstellungskosten erhalten (§ 19 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 BerlinFG); zu den weiteren tatbestandlichen Erfordernissen gehört nach § 19 Abs. 2 Satz 4 BerlinFG, daß die unbeweglichen Anlagegüter in Berlin (West) belegen und im übrigen die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 BerlinFG erfüllt sind. Diese Vorschrift begünstigt nachträgliche Herstellungskosten, die für Modernisierungsmaßnahmen an in Berlin (West) belegenen Gebäuden aufgewendet werden, wenn die Gebäude in einem Betrieb des Hotel- oder Gaststättengewerbes mindestens drei Jahre nach Beendigung der nachträglichen Herstellungsarbeiten überwiegend der Beherbergung dienen. Entsprechendes gilt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 4 BerlinFG auch für Gebäudeteile, Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume.

2. Entgegen der Ansicht des FG hat der Kläger einen Ausbau an einem in Berlin (West) belegenen Gebäudeteil durchgeführt, der auch, wenn die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind, gemäß § 19 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 a i. V. m. § 14 Abs. 4 BerlinFG zulagefähig ist.

a) Die vom Kläger durchgeführten Baumaßnahmen stellen keine Erweiterung, sondern einen Ausbau dar. Im Gegensatz zum Ausbau ist eine Erweiterung durch Schaffen neuer, bisher nicht vorhandener Bausubstanz gekennzeichnet; etwa durch Aufstockung eines Gebäudes oder durch Anbau an ein Gebäude (s. § 17 Abs. 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes - II. WobauG -). Der Kläger hat nach den Feststellungen der Vorinstanz die Bausubstanz weder durch Aufstockung noch durch Anbau erweitert. Vielmehr hat er einen Ausbau vorgenommen, indem er die im Hinterhaus bis zum Streitjahr anderweitig genutzten Räumlichkeiten in zusätzliche Hotelzimmer umgewandelt hat (vgl. § 17 Abs. 1 II. WobauG).

b) Die Vornahme von Modernisierungsmaßnahmen in der Gestalt von Ausbauten ist auch zulagefähig. Bereits in dem Urteil vom 14. Dezember 1989 III R 183/85 (BFHE 160, 291, BStBl II 1990, 450) hat sich der erkennende Senat hierzu geäußert und die Zulagefähigkeit von Modernisierungsmaßnahmen in Gestalt von Ausbauten bejaht. An dieser Auffassung hält der Senat fest.

aa) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 4 Satz 1 BerlinFG sind auch Ausbaukosten begünstigt, die für Modernisierungsmaßnahmen an in Berlin (West) belegenen Gebäuden aufgewendet worden sind. Ferner verlangt § 14 Abs. 4 BerlinFG, daß das jeweilige Gebäude in einem Betrieb des Hotel- und Gaststättengewerbes mindestens drei Jahre nach Beendigung der Modernisierungsarbeiten überwiegend der Beherbergung dienen muß. Modernisierungsmaßnahmen in dem Sinne sind alle Baumaßnahmen, durch die die im Gesetz im einzelnen aufgeführten Anlagen und Einrichtungen geschaffen oder umgestaltet werden (s. § 14 Abs. 4 Satz 2 BerlinFG). Zweifelsfrei ergibt sich hieraus, daß Ausbauten Modernisierungsmaßnahmen sein können und nicht ausnahmslos - wie das FA meint - von einer Zulagengewährung ausgeschlossen sind.

Zutreffend geht die Vorentscheidung davon aus, daß der Begriff der Modernisierungsmaßnahme etwas bereits Vorhandenes voraussetzt, das zu modernisieren ist. Für den Streitfall läßt sich daraus jedoch kein Widerspruch ableiten, denn auch ein Ausbau setzt etwas bereits Vorhandenes voraus. Die in diesem Zusammenhang von dem FG zitierte Tz. 168 Satz 1 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen vom 31. Dezember 1986 (BStBl I 1987, 51, 72 sog. Investitionszulagen-Erlaß), wonach der Begriff der Modernisierung i. S. des § 14 Abs. 4 BerlinFG erfordert, daß die Modernisierungsmaßnahme an einem bestehenden Gebäude des Hotel- und Gaststättengewerbes vorgenommen werden müßte, das Gebäude also bereits vor der Durchführung der Baumaßnahmen den begünstigten Zwecken gedient haben müsse, verkennt den Wortlaut des § 14 Abs. 4 Satz 1 BerlinFG. Das Tatbestandsmerkmal ,,Modernisierungsmaßnahmen" bezieht sich allein auf den Begriff ,,Gebäude" und nicht auch auf die Bezeichnung ,,Hotel- und Gaststättengewerbe". Nach dem Wortlaut des Gesetzes muß das Gebäude, an dem die Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen worden sind, erst nach Beendigung der Baumaßnahmen eine besondere Zweckbestimmung erfüllen. Voraussetzung des § 14 Abs. 4 Satz 1 BerlinFG ist also nicht eine Modernisierung eines Hotel- und Gaststättengewerbes, sondern eine Gebäudemodernisierung.

Zwar heißt es in dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 5. Mai 1978 (BTDrucks. 8/1781, 7) wörtlich: ,,Durch die Einfügung eines neuen Absatzes 4 sollen zur Erweiterung der Beherbergungskapazität in Berlin (West) die erhöhten Absetzungen auf bestimmte Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen ausgedehnt werden, die in Berlin (West) an Gebäuden des Hotel- und Gaststättengewerbes vorgenommen werden." Aber selbst wenn der Gesetzgeber mit § 14 Abs. 4 BerlinFG die Absicht verfolgt haben sollte, allein eine Modernisierung des Hotel- und Gaststättengewerbes herbeizuführen, rechtfertigt dies nicht eine Auslegung der Vorschrift dahin, daß die Modernisierungsmaßnahmen an einem bereits bestehenden Gebäude des Hotel- und Gaststättengewerbes vorgenommen werden müssen. Eine derartige restriktive Absicht des Gesetzgebers ist im Gesetzestext in keiner Weise zum Ausdruck gekommen.

bb) Die vorstehende, am Wortlaut der gesetzlichen Regelung ausgerichtete Auslegung entspricht vielmehr dem Sinn und Zweck des § 14 Abs. 4 BerlinFG. Wie dem Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BTDrucks. 8/1781, 7) zu entnehmen ist, besteht dieser in einer Erweiterung der Beherbergungskapazität in Berlin. Dieser Förderungszweck wird insbesondere dann verwirklicht, wenn ein Gebäude, das bislang nicht dem Hotel- und Gaststättengewerbe gedient hat, durch Modernisierungsmaßnahmen in der Gestalt eines Ausbaues zu einem Gebäude des Hotel- und Gaststättengewerbes umgestaltet wird. Es werden neue Beherbungsmöglichkeiten geschaffen und damit die Berliner Beherbergungskapazität insgesamt erweitert.

Würde man hingegen - mit der Vorinstanz - verlangen, daß die Modernisierungsmaßnahmen an einem bereits zuvor dem Betrieb des Hotel- und Gaststättengewerbes dienenden Gebäude vorzunehmen sind, so würde man zu einem großen Teil den Förderungszweck des § 14 Abs. 4 BerlinFG unterlaufen. Ausbauten, also die Art von Modernisierungsmaßnahmen, die typischerweise zu neuen Räumlichkeiten und damit zu einer weitgehenden Erweiterung der Beherbergungskapazität führt, würden dann grundsätzlich von § 14 Abs. 4 BerlinFG nicht mehr erfaßt werden.

3. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Die Vorinstanz hat keine Feststellungen getroffen, ob die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung einer Investitionszulage gegeben sind. Insbesondere wird das FG bei erneuter Verhandlung zu prüfen haben, ob die einzelnen Baumaßnahmen Modernisierungsmaßnahmen i. S. des § 14 Abs. 4 Satz 2 BerlinFG darstellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417663

BFH/NV 1992, 135

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