Leitsatz (amtlich)
Der auf § 76 Abs. 2 UStDB 1951 gestützte Anspruch auf Rückforderung von Umsatzsteuervergütungen verjährt nach § 144 Satz 2 AO in einem Jahre. Der Rückforderungsanspruch entsteht in dem Zeitpunkt, in dem das Finanzamt feststellt, daß die Voraussetzungen für die Bewilligung der Vergütung nicht oder nicht mehr vorliegen (§ 76 Abs. 2 UStDB in Verbindung mit § 145 Abs. 1 AO).
Normenkette
UStG § 16 Abs. 1; UStDB 1951 § 76 Abs. 2; AO §§ 144-145; StAnpG § 3
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) ist die Vertriebsgesellschaft zweier Unternehmungen für die von diesen hergestellten Anlagen. Am 28. November 1952 fand bei der Stpfl. eine Nachprüfung der von ihr seit 1950 gestellten Vergütungsanträge statt. Nach dem Ergebnis dieser Prüfung forderte das Finanzamt mit Schreiben vom 17. Dezember 1952 6351,05 DM zu Unrecht gewährte Ausfuhrhändlervergütung zurück. Im Einspruchsverfahren wurde der Rückforderungsbetrag auf 4900,09 DM ermäßigt. Davon entfallen 1116,50 DM auf Ausfuhrlieferungen vor dem 30. Juni 1951, 3783,59 DM auf Lieferungen nach diesem Zeitpunkt. Die Vergütungen für die erstgenannten Geschäfte sind am 12. Mai und am 2. November 1950 ausgezahlt worden, bei den übrigen Lieferungen erfolgte die Vergütung nach dem 1. Januar 1951.
Die Berufung der Stpfl. hatte Erfolg. Hinsichtlich der im Jahre 1950 ausgezahlten Vergütungsbeträge hat das Finanzgericht Verjährung des Rückforderungsanspruchs angenommen, hinsichtlich der später ausgezahlten Beträge ist das Finanzgericht der Auffassung des Finanzamts, das angenommen hat, die Stpfl. habe von verschiedenen Herstellern bezogene Gegenstände zu einer Gesamtanlage zusammengestellt und ein neues Verkehrsgut geliefert, nicht gefolgt. Es hat den Rückforderungsbescheid des Finanzamts und dessen Einspruchsentscheidung ersatzlos aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Frage der Verjährung des Rückforderungsanspruchs ist stark umstritten. Zutreffend geht die Vorentscheidung davon aus, daß der Anspruch nicht, wie zunächst angenommen wurde (vgl. Der Betriebs-Berater 1952 S. 969/970), als ein -- erneuter -- Steuer anspruch gelten könne und der für die Umsatzsteuer geltenden Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 144 Satz 1 der Reichsabgabenordnung -- AO --) unterliege. § 16 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) setzt zwar eine Vorbelastung der vergütungsfähigen Umsätze mit Umsatzsteuer voraus, der Vergütungsberechtigte braucht aber nicht der Schuldner dieser Steuer zu sein. Wie sich aus §§ 158 und 235 Ziff. 5 AO ergibt, ist vielmehr der Vergütungsanspruch als ein selbständiger Anspruch, nicht als Steuer erstattungsanspruch, ausgestaltet. Auch der Rückforderungsanspruch kann deshalb nur unter § 144 Satz 2 AO fallen. Er verjährt demgemäß in einem Jahre. Nach § 145 AO beginnt die Verjährung mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Auch über den Entstehungszeitpunkt des Anspruchs besteht Streit. Es werden hier in Schrifttum und Verwaltung drei Meinungen vertreten: Maßgeblich sei der Zeitpunkt, in dem das Finanzamt die Unrechtmäßigkeit der Auszahlung feststellt (so Henning in Umsatzsteuer-Rundschau 1952 S. 97/98 und jetzt auch die Verwaltung vgl. Umsatzsteuer-Rundschau 1953 S. 89), während Plückebaum (UStG 5. Aufl. Anm. 35 zu § 16 UStG S. 877/878) u. a. -- und ihnen folgend ohne nähere Begründung die Vorentscheidung -- den Zeitpunkt der Zahlung der Vergütung, Baier-Scheibner (Deutsche Steuerzeitung 1951 S. 275/276) erst den Zeitpunkt der Rücknahme (Änderung) des Bescheids als Entstehungszeitpunkt des Rückforderungsanspruchs ansehen. Ist aber mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 319/33 vom 21. Februar 1934, Reichssteuerblatt -- RStBl. -- 1934 S. 260, und V z A 56/36 vom 4. Juni 1937, RStBl. 1937 S. 1087) der Rückforderungsanspruch als selbständiger neuer Anspruch anzusehen, so kann man sich für die Auffassung, daß der Zeitpunkt der Zahlung der Vergütung maßgeblich sei, nicht auf § 3 Abs. 1 und 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) berufen; denn nach Abs. 3 a. a. O. gelten zwar die Abs. 1 und 2 auch für andere Leistungen, die auf Grund der Steuergesetze geschuldet werden. Hieraus folgt aber nur, daß auch der Rückforderungsanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Steuerpflicht knüpft. Dieser Tatbestand ist aber nicht mit der seinerzeitigen Auszahlung der Vergütung verknüpft. Werden Steuern vergütet, so ist zu unterscheiden zwischen der Vergütungsverfügung und ihrer Ausführung. Die gleiche Unterscheidung ist bei der Rückforderung vergüteter Steuerbeträge zu machen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs IV A 92/32 vom 20. April 1933, Slg.Bd. 33 S. 206/208, Hübschmann-Hepp-Spitaler, AO § 96 Anm. 6). Setzt nun der Rückforderungsanspruch nicht die Rückgängigmachung der Barzahlung oder auch Verrechnung der vergüteten Steuer voraus, sondern wird ein selbständiger neuer Anspruch geltend gemacht, so kann für dessen Entstehung nicht auf die Zahlung abgestellt werden. Der Reichsfinanzhof hatte deshalb in seiner Rechtsprechung zu § 96 AO auf die Bekanntgabe der Rücknahmeverfügung abgestellt (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs IV A 258/30 vom 21. Januar 1931, Mrozek-Kartei, AO 1919 zu § 78 Rechtsspruch 33, Reichszollblatt -- RZBl. -- 1931 S. 137, und IV A 319/33 vom 21. Februar 1934, RStBl. 1934 S. 260, und V z A 56/36 vom 4. Juni 1937, RStBl. 1937 S. 1087). Im Streitfall ist aber der Rückforderungsanspruch auf die Sondervorschrift des § 76 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 gestützt, wonach für die Entstehung allein auf die Feststellung des Finanzamts, daß die Voraussetzungen für die Bewilligung der Vergütung nicht oder nicht mehr vorliegen, abgestellt ist. Auf die Voraussetzungen des § 96 AO kommt es deshalb nicht an (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 247/40 vom 8. Januar 1943, RStBl. 1943 S. 26). Diese günstigere Stellung des Gläubigers für seinen Rückforderungsanspruch findet ihre innere Rechtfertigung darin, daß auch der Antragsteller innerhalb der Ausschlußfrist (§ 75 Abs. 1 UStDB 1951) seine Angaben ändern oder ergänzen kann, auch wenn das Finanzamt bereits einen Vergütungsbescheid erteilt hat und dieser rechtskräftig geworden ist (§ 75 Abs. 2 Sätze 2 und 3a a. a. O.). Aus alledem ergibt sich, daß dem Bewilligungsverfahren zunächst der Charakter des Vorläufigen anhaftet, so daß der Verordnungsgeber für beide Teile weitgehende Änderungsmöglichkeiten schaffen mußte, wie sich auch aus der Entstehungsgeschichte des § 76 Abs. 2 UStDB 1951 ergibt, wonach ab 1. Januar 1935 die bisher an die Voraussetzungen des § 96 Abs. 2 AO geknüpfte Möglichkeit, Vergütungen zurückzufordern, beseitigt wurde (vgl. Hartmann-Metzenmacher, UStG 4. Aufl. § 16 B III S. 710). Ist hiernach als maßgeblicher Entstehungszeitpunkt des Rückforderungsanspruchs der Zeitpunkt der Feststellung durch das Finanzamt anzusehen, so ist auch der Anspruch auf die im Jahre 1950 ausgezahlten Vergütungen noch nicht verjährt.
Fundstellen
BStBl III 1954, 254 |
BFHE 1955, 118 |