Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen einer Zuckerrübenfabrik für das Trocknen der bei der Zuckergewinnung anfallenden Naßschnitzel sind in der Regel Herstellungskosten des mit der Trocknung entstehenden Wirtschaftsguts "Trockenschnitzel" und nicht des Zuckervorrats.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft eine Zuckerfabrik betreibt, Aufwendungen für die Trocknung von Zuckerrübenschnitzeln bei aktivierungspflichtigen Kosten des Zuckervorrats zu erfassen hat.
Die Klägerin erhält von ihren Aktionären Zuckerrüben geliefert, für die sie ein Rübengeld bezahlt. Außerdem stehen den Lieferanten die bei der Herstellung anfallenden Schnitzel zu. Während in früheren Jahren Naßschnitzel zurückgegeben wurden, erhielten die Lieferanten später ganz überwiegend Trockenschnitzel. Als sogenannte Gratisschnitzel stehen ihnen 5 v. H. der gelieferten Rübenmenge zu; weitere Schnitzelmengen (sog. Zukaufsschnitzel) können sie nach gestaffelten Preisen erwerben, während die Klägerin ihrerseits einen Verzicht auf die Gratisschnitzel mit einem bestimmten Betrag vergütet. Der Klägerin steht die 5 v. H. der Rübenmenge übersteigende Spitzenausbeute zur Eigenverwertung durch Verkauf an die Rübenlieferanten oder auf dem freien Markt zu.
In der Vergangenheit hatte die Klägerin die Trocknungskosten bei den Herstellungskosten des Zuckers erfaßt, davon jedoch die Erlöse aus Schnitzelverkäufen abzüglich der Vertriebskosten abgesetzt. Hiervon ist die Klägerin abgegangen, nachdem sie eine Betriebsabrechnung eingerichtet und darin auch für die Schnitzeltrocknung eine besondere Kostenstelle vorgesehen hatte. Für die am 28. Februar 1967 (Bilanzstichtag) vorhandenen Trockenschnitzel hat die Klägerin als Teilwert den voraussichtlichen Verkaufserlös abzüglich 15 v. H. für noch anfallende Verwaltungs- und Vertriebskosten angesetzt. Den Unterschiedsbetrag zwischen den (nunmehr) gesondert ermittelten höheren Trocknungskosten und dem niedrigeren Bilanzansatz der Trockenschnitzel hat die Klägerin als betrieblichen Aufwand behandelt.
Nach einer Betriebsprüfung ließ der Beklagte und Revisionskläger (FA) den strittigen Betrag bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1967 nicht zum Abzug zu, sondern rechnete ihn zu den aktivierungspflichtigen Kosten des Zuckerbestandes.
Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Dagegen gab das FG ihrer Klage statt. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1974 S. 5 abgedruckt. Das FG führte u. a. aus: Die zugesagte Trocknung der Fremdschnitzel habe zu Anschaffungskosten für die der Klägerin verbleibenden Naßschnitzel geführt, nicht aber zu solchen für die angelieferten Rüben. Beide Vorgänge müßten gesondert betrachtet werden. Die Beteiligten hätten eine Gestaltung in dem Sinne, daß die Klägerin unter Kürzung des Rübengeldes auch die Trocknung sämtlicher Naßschnitzel zugesagt habe, nicht gewählt. Man habe dem Rübenlieferanten das Wahlrecht zwischen Naß- und Trockenschnitzeln erhalten wollen. Habe er sich für Trockenschnitzel entschieden, so habe er ein zusätzliches Entgelt leisten müssen, das im Streitfall nicht in Geld, sondern in einer Sachleistung (Überlassung von Schnitzeln an die Klägerin) bestanden habe. Diese Vereinbarung sei auch steuerlich beachtlich.
Mit seiner Revision beantragt das FA, unter "Abänderung" des finanzgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen. Das FA ist der Auffassung, zu den aktivierungspflichtigen Kosten der Zuckerherstellung gehörten auch die Anschaffungskosten, die der Klägerin beim Erwerb der Zuckerrüben als Rohstoff für die Zuckererzeugung entstünden. Der Begriff der Anschaffungskosten sei weit zu fassen. Entscheidend sei, ob ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Erwerbsvorgang und den entstandenen Aufwendungen bestehe. Ein solcher sei hier gegeben. Die Menge der zu trocknenden Rübenschnitzel sei abhängig von der Menge der von der Klägerin gekauften Rüben. Die Klägerin trockne nahezu alle anfallenden Rübenschnitzel, da die Rübenlieferanten von dem ihnen zustehenden Anspruch auf Rückgabe einer bestimmten Menge Naßschnitzel so gut wie keinen Gebrauch machten. Die Trocknung der Rübenschnitzel diene auch der Beseitigung der bei der Zuckerproduktion anfallenden Naßschnitzel, die im Interesse der Klägerin liege (Kosten der Abfallbeseitigung). Wenn die Klägerin die anfallenden Naßschnitzel für die Rübenlieferanten zu einem nicht kostendeckenden Entgelt getrocknet und ihnen damit einen Vorteil zugewendet habe, so lasse sich dies nur mit der Absicht der Klägerin erklären, die Rübenlieferanten an sich zu binden, um den Erwerb von Rüben und damit die gewinnträchtige Zuckerproduktion sicherzustellen. Auch dies verdeutliche den sachlichen Zusammenhang zwischen den durch die Erlöse aus der Veräußerung der Rübenschnitzel nicht gedeckten Kosten und der Herstellung des Zuckers. Es komme daher die in der Betriebswirtschaftslehre vertretene Subtraktionsmethode zur Anwendung (vgl. Riebel in Kosiol, Handwörterbuch des Rechnungswesens, 1970, Stichwort "Kalkulation der Kuppelprodukte" Spalte 994, Abschn. I). Danach seien auch die erst nach der Spaltung der Kuppelprodukte entstandenen Kosten nach den für die Verteilung dieser Kosten auf Kuppelprodukte maßgebenden Regeln zu verteilen.
Die Klägerin begehrt demgegenüber, daß an dem Urteil des FG festgehalten werde.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Im Streitfall geht es um die Bewertung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens der Klägerin. Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind mit ihren Herstellungskosten oder mit ihrem niedrigeren Teilwert zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Bevor indessen geprüft wird, was als Herstellungskosten oder niedrigerer Teilwert in Betracht kommt, bedarf es der Klärung, für welches Wirtschaftsgut Herstellungskosten oder Teilwert zu ermitteln sind. Selbständige Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die in einem getrennten Herstellungsvorgang entstehen, sind nach dem handelsrechtlich und einkommensteuerrechtlich geltenden Grundsatz der Einzelbewertung gesondert zu bewerten. Der Grundsatz der Einzelbewertung ergibt sich handelsrechtlich aus § 149 Abs. 2 AktG i. V. m. § 39 Abs. 1 HGB ("Wert der einzelnen Vermögensgegenstände") und körperschaftsteuerrechtlich aus § 6 Abs. 1 KStG i. V. m. § 6 Abs. 1 EStG ("Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter").
2. Zucker und Trockenschnitzel sind selbständige Wirtschaftsgüter, für die Herstellungskosten oder niedrigerer Teilwert gesondert zu ermitteln sind.
a) Es trifft allerdings zu, daß Zucker und Rübenschnitzel in einem bestimmten Stadium des Produktionsablaufs aus einem einheitlichen technischen Vorgang entstehen. Es handelt sich insoweit um sogenannte Kuppelprodukte, d. h. um zwei "in einem Produktionsgang bei technisch bedingter Mehrfertigung zwangsweise anfallende" Produkte (Dr. Gablers Wirtschaftslexikon, 8. Aufl., 1971, Stichwort: "Kuppelprodukte"). Für die Betriebskostenabrechnung wird nach dem betriebswirtschaftlichen Schrifttum bei Kuppelprodukten unter bestimmten Voraussetzungen die sogenannte Restkostenrechnung angewandt, bei der die Erlöse für das anfallende Nebenprodukt von den Gesamtkosten abgezogen werden und der verbleibende Kostenrest allein dem Hauptprodukt zugerechnet wird (vgl. zu den einzelnen Kalkulationsmethoden Mellerowicz, Kosten und Kostenrechnung, 4. Aufl. 1968, Bd. 2, S. 347 ff.; Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., 1968, Anm. 73 zu § 155).
b) Der Senat braucht sich mit den Schwierigkeiten, die sich für die Ermittlung der Herstellungskosten bei Kuppelprodukten ergeben, im Streitfall nicht auseinanderzusetzen. Er braucht auch nicht zu entscheiden, ob und gegebenenfalls inwieweit die Grundsätze der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung für die Ermittlung der Herstellungskosten herangezogen werden können (vgl. hierzu Urteil des BFH vom 5. August 1958 I 70/57 U, BFHE 67, 306, BStBl III 1958, 392). Denn nur die Naßschnitzel werden in einem technisch zwangsläufig einheitlichen Herstellungsprozeß zusammen mit dem Zucker hervorgebracht. Daher können allenfalls Kosten, die durch die technisch zwangsläufig einheitliche Herstellung von Zucker und Naßschnitzel anfallen, als Materialkosten der Zuckerherstellung in Betracht kommen. Mit der Weiterverarbeitung der Naßschnitzel zu Trokkenschnitzel entsteht jedoch ein Wirtschaftsgut eigener Art. Die Trockenschnitzel sind Gegenstände mit eigener Marktgängigkeit und stellen einen greifbaren Wert dar, der bei der Berücksichtigung des Kaufpreises als Einzelheit ins Gewicht fallen würde (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1975 I R 24/73, BFHE 116, 474, BStBl II 1975, 809). Das Trocknen der Schnitzel ist Teil des Herstellungsvorgangs für das Wirtschaftsgut Trockenschnitzel. Die Trocknungskosten sind daher als Herstellungskosten dem Wirtschaftsgut Trockenschnitzel zuzuordnen. Ein betrieblicher Aufwand, der sich aus dem Ansatz des niedrigeren Teilwerts der Trockenschnitzel ergibt und der im Streitfall hinsichtlich seiner Berechnung vom FA nicht angegriffen wird, darf grundsätzlich nicht wieder einem anderen Wirtschaftsgut (Zucker) zugerechnet werden. Das gilt unabhängig davon, daß der Kauf der Zukkerrüben, die Herstellung und die Verwertung der Trokkenschnitzel in einem gewissen wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Für die Bewertung kommt es allein auf die Eigenschaft der Trockenschnitzel als selbständige Wirtschaftsgüter an. Durch die Hinzurechnung der Trocknungskosten zu den Herstellungskosten des Zukkers würde im Rahmen eines Vergleichs der Wertansätze für die im Umlaufvermögen der Klägerin befindlichen Wirtschaftsgüter der Wertansatz des Wirtschaftsguts Zucker verfälscht.
Ob der Sachverhalt anders zu beurteilen wäre, wenn die Klägerin und ihre Lieferanten das Trocknen der Schnitzel als zusätzliches Entgelt für die Lieferung der Zuckerrüben vereinbart hätten, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Dieser Fall liegt, wie das FG dargelegt hat, hier nicht vor.
3. Es besteht auch kein Grund, in der Preisgestaltung der Klägerin für das Trocknen der Schnitzel eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG) zu erblicken. Das FA geht in seinem Revisionsvorbringen selbst davon aus, die Preise erklärten sich aus dem Bestreben der Klägerin, die Lieferanten an sich zu binden. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte diesen Gesichtspunkt auch gegenüber Lieferanten, die nicht Gesellschafter wären, berücksichtigt.
Fundstellen
Haufe-Index 71746 |
BStBl II 1976, 202 |
BFHE 1976, 235 |