Entscheidungsstichwort (Thema)
Investitionszulage bei Erwerb und Fertigstellung eines Rohbaus
Leitsatz (NV)
Aufwendungen für einen Rohbau, der von dem Erwerber unter Aufwendung erheblicher weiterer Kosten zu einem Gebäude vollendet wird, können in die Bemessungsgrundlage zur Festsetzung der Investitionszulage nach § 4 b InvZulG 1982 eingehen.
Normenkette
InvZulG 1982 § 4b Abs. 2 S. 1 Nr. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, errichtete in den Streitjahren 1982 und 1983 eine Werkhalle mit Bürogebäude. Zu diesem Zweck erwarb sie im Oktober 1982 ein Grundstück, auf welchem die Verkäuferin bereits mit der Errichtung eines solchen Gebäudes begonnen hatte. Den Antrag auf Baugenehmigung hatte die Verkäuferin, die an der Klägerin beteiligt ist, im ... 1982 gestellt.
Als Kaufpreis wurde ein Betrag in Höhe von ... DM vereinbart, wovon auf den Grund und Boden sowie die Straßen- und Kanalanschlußkosten ... DM (ohne Mehrwertsteuer) entfielen. Die Klägerin setzte die Bauarbeiten nach dem Erwerb ohne Unterbrechung fort. Das Gebäude wurde im Laufe des Jahres 1983 fertiggestellt.
Mit ihrem Antrag auf Gewährung einer Zulage nach § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982 für das Streitjahr 1982 vom 8. September 1983 begehrte die Klägerin zunächst nur eine Zulage für die nach dem Erwerb angefallenen Bauaufwendungen (insgesamt ... DM). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) setzte mit Bescheid vom 21. Dezember 1983 die Zulage entsprechend dem Antrag der Klägerin fest. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein und beantragte, das Begünstigungsvolumen um weitere Herstellungskosten von ... DM zu erhöhen, nämlich um die der Verkäuferin erstatteten Baukosten ... DM sowie um die Kanal- und Straßenanschlußkosten ( ... DM und ... DM). Nach Rücksprache mit dem steuerlichen Berater der Klägerin rechnete das FA die Straßen- und Kanalanschlußkosten zu den nicht begünstigten Anschaffungskosten für den Grund und Boden. Im übrigen half es dem Einspruch ab und erhöhte das Begünstigungsvolumen um die der Verkäuferin erstatteten Baukosten. In dem Änderungsbescheid vom 11. Oktober 1984 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung ausdrücklich aufrechterhalten.
Im Anschluß an eine Außenprüfung war das FA nunmehr der Auffassung, die erstatteten Baukosten seien Teil der nicht begünstigten Anschaffungskosten des Grund und Bodens. Es erließ am 28. Mai 1985 einen nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Zulagenbescheid für 1982 und forderte die auf die erstatteten Baukosten entfallende Investitionszulage in Höhe von ... DM nebst Zinsen ( ... DM) zurück.
Neben den im Streitjahr 1983 angefallenen Baukosten beantragte die Klägerin auch für die mit dem Erwerb des teilfertigen Gebäudes zusammenhängenden anteiligen Gerichts- und Notarkosten sowie die anteilige Grunderwerbsteuer in Höhe von insgesamt ... DM die Gewährung einer Zulage nach § 4 b InvZulG 1982. Das FA berücksichtigte diese Kosten bei der mit Bescheid vom 7. Juni 1985 erfolgten Festsetzung der Investitionszulage nicht.
Die Einsprüche gegen die Bescheide vom 28. Mai 1985 und 7. Juni 1985 hatten ebenso wie die Klage keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, das FA habe den Zulagenbescheid 1982 erneut ändern dürfen, obwohl der vorangegangene Bescheid aufgrund eines Rechtsbehelfs erlassen worden sei.
Die dem früheren Eigentümer des Grundstücks erstatteten Baukosten stellten keine begünstigten Herstellungskosten i. S. des § 4 b Abs. 2 Nr. 3 InvZulG 1982 dar. Nach den auch im Zulagenrecht anzuwendenden einkommensteuerrechtlichen Bilanzierungsgrundsätzen seien Herstellungskosten nur solche Kosten, die unmittelbar mit der Herstellung zusammenhingen und beim Hersteller selbst entstanden seien. Die zu den §§ 14 des Berlinhilfegesetzes 1964 und 19 des Berlinförderungsgesetzes ergangene Rechtsprechung (z. B. das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Januar 1990 III R 115/84, BFHE 160, 352, BStBl II 1993, 136) könne auf die Konjunkturzulage nach § 4 b InvZulG 1982 nicht übertragen werden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Auffassung, das angefochtene Urteil verstoße nicht nur gegen § 4 b InvZulG 1982, sondern auch gegen § 164 i. V. m. § 367 AO 1977.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils sowie der Einspruchsentscheidung vom 23. April 1986 und der dieser zugrundeliegenden Investitionszulagenbescheide 1982 vom 28. Mai 1985 und 1983 vom 7. Juni 1985 und des Zinsbescheids 1982 vom 28. Mai 1985 die Investitionszulage für 1982 auf ... DM und für 1983 auf ... DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat die Aufwendungen der Klägerin für den Erwerb des unfertigen Gebäudes rechtsfehlerhaft nicht in das Begünstigungsvolumen einbezogen.
Nach § 4 b Abs. 1 InvZulG 1982 wird Steuerpflichtigen eine Zulage für begünstigte Investitionen gewährt, die sie in einem Betrieb oder einer Betriebsstätte im Inland vornehmen. Als begünstigte Investition führt § 4 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1982 u. a. die Herstellung abnutzbarer unbeweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens auf, soweit sie nicht Wohnzwecken dienen und mindestens drei Jahre nach ihrer Herstellung in einem Betrieb oder einer Betriebsstätte im Inland verbleiben. Darüber hinaus bestimmt Abs. 3 der genannten Vorschrift, daß sich die Bemessungsgrundlage für die Zulage aus der positiven Differenz zwischen dem Begünstigungsvolumen (Abs. 4) und dem Vergleichsvolumen (Abs. 5) ergibt.
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 31. Mai 1995 III R 46/89, BFH/NV 1996, 263 entschieden, daß Aufwendungen für einen Rohbau, der von dem Erwerber unter Aufwendung erheblicher weiterer Kosten zu einem Gebäude vollendet wird, in die Bemessungsgrundlage zur Festsetzung von Investitionszulage auch nach § 4 b InvZulG 1982 eingehen. Zur Begründung seiner Auffassung hat er unter Bezugnahme auf seine Entscheidung in BFHE 160, 352, BStBl II 1993, 136 ausgeführt, die Vorschrift des § 4 b InvZulG 1982 gebiete keine personenbezogene Sicht des Herstellungsbegriffs, so daß neben dem (endgültigen) Hersteller auch noch ein anderer Herstellungskosten getragen haben könne. Der mit der sog. Beschäftigungszulage verfolgte Zweck, nämlich die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen durch die Förderung von Mehrinvestitionen, werde auch erreicht, wenn jemand ein im Bau befindliches Vorhaben übernehme und es in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den vorherigen Maßnahmen des Veräußerers unter Aufwendung erheblicher eigener Kosten fertigstelle.
Das bedeutet für den Streitfall, daß die strittigen Aufwendungen zu den Herstellungskosten des Gebäudes i. S. des § 4 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1982 zu rechnen sind und in die Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage eingehen. Denn nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat die Klägerin den 1982 erworbenen Rohbau für eine Werkhalle mit Bürogebäude in den Jahren 1982 und 1983 vollendet. Sie hat ferner im Streitjahr 1982 an die Verkäuferin Herstellungskosten in Höhe von unstreitig ... DM erstattet. Zudem sind ihr im Zusammenhang mit dem Erwerb des unfertigen Gebäudes anteilige Erwerbsnebenkosten (Grunderwerbsteuer, Gerichts- und Notarkosten) in Höhe von unstreitig ... DM entstanden.
Anhaltspunkte für eine Gestaltung zur Umgehung der Beschränkung der Zulage auf "Mehrinvestitionen" gegenüber dem durchschnittlichen Investitionsvolumen der drei letzten vor dem 1. Januar 1982 abgelaufenen Wirtschaftsjahre (§ 4 b Abs. 5 InvZulG 1982) bei der Erstellerin des Rohbaus sind nicht ersichtlich.
Das FG ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Investitionszulage nach § 4 b InvZulG 1982 war antragsgemäß auf ... DM festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 421150 |
BFH/NV 1996, 581 |