Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendung der Befreiungsvorschriften des § 18 LAG.
Die Abgabebefreiung des § 18 Abs. 1 und 2 LAG bestimmen sich auch in Verpachtungsfällen grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage am 21. Juni 1948.
Normenkette
LAG § 18 Abs. 1 Nrn. 1, 16, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3; 10-AbgabenDV-LA 4; 10-AbgabenDV-LA 6/3
Tatbestand
Das Finanzamt zog das Erholungsheim einer Betriebskrankenkasse (Bgin.) mit der Begründung zur Vermögensabgabe heran, es handle sich dabei um einen Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, der gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 g LAG der Vermögensabgabe unterliege.
Die Bgin. wandte ein, sie sei als Träger der Sozialversicherung mit ihrem gesamten Vermögen gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 16 LAG von der Vermögensabgabe befreit. Auch sei das Erholungsheim kein Betrieb gewerblicher Art, sondern ein Hoheitsbetrieb. Der Betrieb solcher Heime sei eine Aufgabe der Landesversicherungsanstalten, die der Bgin. überlassen worden sei. Das Erholungsheim falle daher auch unter die Befreiungsvorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 1 LAG. Soweit das Finanzamt seine Auffassung darauf stütze, daß das Erholungsheim von 1945 bis 1954, also auch am Währungsstichtag, verpachtet gewesen sei, werde folgendes vorgetragen: Das Erholungsheim sei im Jahre 1941 ohne Zustimmung der Bfin. von der HJ-Gebietsführung für die Zwecke der erweiterten Kinderlandverschickung beschlagnahmt worden. Nach 1954 habe die Bgin. das Heim wieder eigenen Zwecken nutzbar machen wollen. Nun habe aber das Landratsamt das Heim für Krankenhauszwecke beschlagnahmt. Nur zur Regelung der zwangsweise herbeigeführten Rechtsverhältnisse sei im November 1945 ein Pachtvertrag geschlossen worden. Es habe aber von seiten der Bgin. weiterhin die Absicht bestanden, sobald als möglich das Heim für eigene Zwecke zu verwenden.
Das Finanzgericht hob den Vermögensabgabebescheid auf. Es führte aus: Die Bfin. sei gemäß § 225 der Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 (RVO) eine Krankenkasse im Sinne der RVO, also eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Auf sie sei § 18 Abs. 1 Nr. 16 LAG anzuwenden. Diese Vorschrift stelle grundsätzlich auch alle Einrichtungen der Bgin., soweit ihr Vermögen nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften anzulegen sei, von der Vermögensabgabe frei. Nicht befreit seien jedoch solche Einrichtungen, die einen Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 6 Abs. 1 und 2 der Zehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 28. Juni 1954 (10. AbgabenDV-LA) darstellten. Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts seien nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 g LAG unbeschränkt abgabepflichtig und bildeten ein selbständiges Abgabesubjekt. Etwas anderes gelte nach § 8 der 10. AbgabenDV-LA für Hoheitsbetriebe. Das Erholungsheim der Bgin. habe deshalb nur dann selbständig zur Vermögensabgabe herangezogen werden können, wenn es kein Hoheitsbetrieb, sondern ein Betrieb gewerblicher Art gewesen sei. Das Finanzgericht führte weiter aus, Betriebe der öffentlich-rechtlichen Träger der Sozialversicherung seien dann Hoheitsbetriebe, wenn sie zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht gegenüber den Versicherten bestimmt seien und sich tatsächlich überwiegend dieser Aufgabe widmeten. Die Voraussetzungen seien nach überzeugung des Gerichts sowohl vor als auch nach der Verpachtung des Erholungsheims erfüllt gewesen. Der Umstand, daß das Heim am Währungsstichtag gegen Entgelt an das Landratsamt verpachtet gewesen sei, sei ohne Einfluß auf die zu entscheidende Frage. Es finde die Sonderregelung des § 6 Abs. 3 der 10.AbgabenDV-LA Anwendung, die besage, daß Pachtbetriebe Hoheitsbetriebe blieben, wenn sie es vorher gewesen seien. Im Streitfall treffe dies zu.
Mit der Rb. trägt der Vorsteher des Finanzamts vor, das Finanzgericht habe § 6 Abs. 3 der 10.AbgabenDV-LA verkannt. Das am Währungsstichtag verpachtete und als Krankenhaus verwendete Erholungsheim sei ein selbständiges ständiges Steuersubjekt, wenn ein Krankenhaus einen Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts darstelle. Diese Frage sei zu bejahen.
Die Bgin. betont erneut, das Erholungsheim habe während des Krieges und später bis 1954 nicht zur Erfüllung von Krankenkassenaufgaben verwendet werden können. Es sei zunächst durch die Kinderlandverschickung und dann 1945 zur Unterhaltung eines Krankenhauses beschlagnahmt gewesen. Im November 1945 sei der Zustand der Beschlagnahme notgedrungen durch ein bis 1954 dauerndes Pachtverhältnis ersetzt worden. Im übrigen vertritt die Bgin. die Auffassung, daß die Betriebskrankenkasse mit ihrem Erholungsheim ohne Rücksicht auf die Art der Verwendung des Heimes am 21. Juni 1948 gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 16 LAG von der Vermögensabgabe befreit sei, weil sie zu diesem Zeitpunkt nur Vermögen gehabt habe, das nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften angelegt gewesen und verwaltet worden sei. Dies müsse selbst dann gelten, wenn man annehme, das Heim sei am Währungsstichtag ein Betrieb gewerblicher Art gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 f und g LAG sind grundsätzlich auch die Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts unbeschränkt vermögensabgabepflichtig. Dieser Grundsatz der Heranziehung auch der Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Vermögensabgabe ist jedoch in § 18 LAG durch zahlreiche Befreiungen durchbrochen worden. Von den in § 18 LAG enthaltenen Befreiungsvorschriften kommen für die Bgin. § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 16 LAG in Frage. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 LAG sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts u. a. mit ihrem Vermögen, das für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird, von der Vermögensabgabe befreit. Die Abgabebefreiung des § 18 Abs. 1 Nr. 16 LAG besteht für die Träger der Sozialversicherung, ferner für Verbände und Einrichtungen der Sozialversicherung, soweit ihr Vermögen nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften anzulegen ist. Die Befreiungen nach diesen Vorschriften bestimmen sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage am 21. Juni 1948 (ß 18 Abs. 3 LAG).
Die Bgin. ist ein Träger der Sozialversicherung. Sie begehrt die Befreiung von der Vermögensabgabe für ein Erholungsheim. Erholungsheime der Träger der Sozialversicherung sind Hoheitsbetriebe, wenn sie für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Leistungspflicht gegenüber den Versicherten bestimmt sind und sich tatsächlich überwiegend dieser Aufgabe widmen. Daß das Erholungsheim der Bgin. ein Hoheitsbetrieb in diesem Sinne war und wieder ist, hat das Finanzgericht bejaht. Seine diesbezüglichen Feststellungen sind nicht zu beanstanden. Für das Erholungsheim der Bgin. als solches käme daher sowohl die Abgabebefreiung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 LAG wie auch die Abgabebefreiung des § 18 Abs. 1 Nr. 16 LAG in Frage.
Daß das Erholungsheim der Bgin. als solches ein von der Vermögensabgabe befreiter Hoheitsbetrieb ist, wird auch vom Vorsteher des Finanzamts in der Rb. nicht bestritten. Er meint jedoch, an dem für die Abgabebefreiung maßgebenden Währungsstichtag sei das Erholungsheim als Krankenhaus benutzt worden. Ein Krankenhaus sei aber ein Betrieb gewerblicher Ar einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, der nicht von der Vermögensabgabe befreit sei; besonders nicht nach § 18 Abs. 1 Nr. 16 LAG, da diese Abgabebefreiung sich nicht auf die gewerblichen Betriebe eines Trägers der Sozialversicherung erstrecke. Das Finanzgericht ist demgegenüber der Auffassung, im Streitfall seien die Verhältnisse des Währungsstichtags nicht maßgebend. Das Heim sei zu diesem Zeitpunkt verpachtet gewesen. Es greife daher die Vorschrift des § 6 Abs. 3 der 10. AbgabenDV-LA ein, die bestimme, daß Pachtbetriebe Hoheitsbetriebe blieben, wenn sie es vorher gewesen seien. Es ist dem Vorsteher des Finanzamts zuzustimmen, daß die Auffassung des Finanzgerichts sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn des § 6 Abs. 3 der 10. AbgabenDV-LA herleiten läßt. Diese Bestimmung besagt nur, daß der Umstand der Verpachtung die Entscheidung der Frage, ob ein Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts vorliegt, nicht beeinflussen soll. Aus ihr ergibt sich jedoch nicht, daß der Entscheidung dieser Frage, entgegen § 18 Abs. 3 LAG nicht die Verhältnisse des Währungsstichtags, sondern die vor der Verpachtung liegenden Verhältnisse zugrunde zu legen sind.
Die Bfin. ist der Auffassung, die Verpachtung des Heims als Krankenhaus am Währungsstichtag könne deshalb keine Rolle spielen, weil diese Verpachtung nur notgedrungen zur Ablösung und Beendigung einer während und nach dem Kriege erfolgten Beschlagnahme durchgeführt worden sei. Die Frage, ob auf Grund dieser Umstände die Verpachtung des Heims als eine für die Beurteilung der Abgabebefreiung unbeachtliche, vorübergehend durch den Krieg und seine Folgen veranlaßte anderweitige Benutzung (vgl. § 1 der 10. AbgabenDV-LA) angesehen werden kann, kann jedoch im Streitfall dahingestellt bleiben.
Auch wenn man mit dem Vorsteher des Finanzamts darauf abstellt, daß das Heim der Bgin. am Währungsstichtag als Krankenhaus betrieben wurde, kann die Rb. nicht zum Erfolg führen. Die Abgabebefreiung ergibt sich in diesem Fall aus den Vorschriften des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 LAG. Wie oben dargelegt, ist die Benutzung des Heims als Erholungsheim auch nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 LAG abgabebefreit. Die nach dieser Vorschrift begünstigten Abgabepflichtigen sind aber auch mit Vermögen befreit, das nicht von ihnen selbst für ihre begünstigten Zwecke, sondern von den nach den Vorschriften in Abs. 1 Nr. 1-3, 9, 11 und 14 begünstigten Abgabepflichtigen für deren begünstigte Zwecke benutzt wird (ß 18 Abs. 2 Nr. 1 LAG). Die Benutzung des Heims als Krankenhaus durch den Landkreis ist deshalb ebenfalls nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 LAG abgabebegünstigt. Der Landkreis ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, der das Krankenhaus für einen öffentlichen Dienst oder für einen öffentlichen Gebrauch benutzte. Die Begriffsbestimmung des öffentlichen Dienstes oder Gebrauchs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 LAG ist in § 4 der 10. AbgabenDV-LA enthalten. Danach ist öffentlicher Dienst oder Gebrauch die Ausübung der öffentlichen Gewalt (hoheitliche Tätigkeit) oder der Gebrauch für die Allgemeinheit. Der Begriff "öffentlicher Dienst oder Gebrauch" ist demnach weiter als der Begriff "hoheitliche Tätigkeit". Er umfaßt neben dieser auch den Gebrauch durch die Allgemeinheit. Dies bedeutet, daß auch Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts mit ihrem Vermögen unter die Befreiungsvorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 1 LAG fallen können. Der Umstand, daß das vom Landkreis betriebene Krankenhaus möglicherweise kein Hoheitsbetrieb, sondern ein Betrieb gewerblicher Art war, schließt daher entgegen der Auffassung des Vorstehers des Finanzamts die Abgabebefreiung nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 LAG nicht aus.
Nach Lage des Falles ist davon auszugehen, daß das Krankenhaus durch den Landkreis für einen öffentlichen Dienst oder jedenfalls für einen öffentlichen Gebrauch im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 LAG benutzt wurde. Der Begriff "öffentlicher Dienst oder Gebrauch" stammt aus dem Grundsteuerrecht. § 4 der 10. AbgabenDV-LA ist § 4 der Grundsteuer-Durchführungsverordnung nachgebildet (vgl. die Begründung zu §§ 4 - 9 der 10. AbgabenDV-LA). Für das Grundsteuerrecht ist aber anerkannt, daß die Unterhaltung einer Krankenanstalt durch eine Gebietskörperschaft als Benutzung für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch anzusehen ist (vgl. Abschn. 58 Ziff. 1 der Grundsteuer-Richtlinien).
Da demnach das Heim der Bgin., auch wenn man auf seine Benutzung als Krankenhaus abstellt, unter die Befreiungsvorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 1 LAG in Verbindung mit § 18 Abs. 2 Nr. 1 LAG fällt, bedarf es keiner Erörterung, ob dafür auch die Befreiungsvorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 16 LAG in Betracht käme. Die Fragen, ob sich diese Befreiungsvorschrift auch auf Betriebe gewerblicher Art von Sozialversicherungsträgern erstreckt und ob das am Währungsstichtag als Krankenhaus betriebene Heim der Bgin. ein Betrieb gewerblicher Art war, können daher dahingestellt bleiben.
Die Rb. ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411704 |
BStBl III 1965, 571 |
BFHE 1966, 195 |
BFHE 83, 195 |