Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine Unterstützungskasse verschafft sich die Mittel für ihre Leistungen durch einen Vertrag mit einem Lebensversicherungsunternehmen nur dann, wenn sichergestellt ist, daß die Kasse mit den ihr nach dem Versicherungsvertrag zufließenden Mitteln laufend ihre Leistungen gegenüber den Betriebsangehörigen erbringen kann.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4; ZuwG § 2 Abs. 5; KStG § 4/1/7
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist eine OHG, die dem von ihr im Februar 1951 gegründeten rechtsfähigen Pensionsverein bei der Aufstellung ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1951 u. a. einen Betrag in Höhe der Jahresprämie zur Verfügung stellte, den der Verein an ein Versicherungsunternehmen zu bezahlen hatte. Streitig ist, ob bei der Bfin. die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit dieser Zuwendung nach § 2 Abs. 5 des Gesetzes über die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen und Unterstützungskassen bei den Steuern vom Einkommen und Ertrag vom 26. März 1952, Bundesgesetzblatt (BGBl) 1952 I S. 206 - Zuwendungsgesetz (ZuwG) - erfüllt sind.
Der Verein gewährt freiwillig laufend Unterstützungen in Form von Alters-, Witwen- und Waisenrenten an die Betriebsangehörigen der Bfin. und war im Zeitpunkt der Zuwendung nach § 4 Abs. 1 Ziff. 7 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit. Vor der Zuwendung, und zwar durch Vertrag vom 29. Oktober 1952, versicherte der Verein als Versicherungsnehmer und als alleiniger Bezugsberechtigter die Betriebsangehörigen der Bfin. gegen eine Jahresprämie von 36 000 DM bei einem Lebensversicherungsunternehmen mit der Maßgabe, daß bei Erreichung eines bestimmten Lebensalters den Betriebsangehörigen eine Rente gezahlt wird und im Falle des Todes der Betriebsangehörigen vor dem Rentenbeginn die vollen für die Rentenversicherung gezahlten Beiträge an den Verein zurückerstattet werden. In engem zeitlichen Zusammenhang mit diesem Gruppenversicherungsvertrag wurde in einem Nachtrag vereinbart, daß das Versicherungsunternehmen dem Verein auf Antrag zur Verrechnung mit Beitragszahlungen während der Zeit der Rentenanwartschaften Vorauszahlungen auf die Versicherungsleistungen gewährt, deren Höhe aus dem jeweiligen Abrechnungsstand ersichtlich ist, und hierfür Zusatzbeiträge von jährlich 5,5 v. H. der Vorauszahlungsbeträge zu entrichten sind. Das Versicherungsunternehmen ist berechtigt, rückständige Zusatzbeiträge mit dem geschäftsplanmäßigen Rückkaufswert der Gruppenversicherung zu verrechnen. Die anteilig auf die einzelnen Teilversicherungen verteilten Vorauszahlungen sind spätestens vor Fälligkeit der Versicherungsleistungen aus den Teilversicherungen zurückzuzahlen. Geschieht dies nicht, so wird der Kapitalwert der fälligen Rentenleistungen mit den anteiligen Vorauszahlungen verrechnet.
Dieser Vereinbarung entsprechend erhielt der Verein am 1. Dezember 1952 eine Vorauszahlung von 33 000 DM, die mit der von ihm zu zahlenden Jahresprämie 1951 verrechnet wurde. Die Bfin. wandte dem Verein durch Gutschrift in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1951 einen Betrag von rund 46 000 DM zu, der unter anderem die vom Verein an das Versicherungsunternehmen zu zahlende Jahresprämie enthielt. Infolge der von dem Versicherungsunternehmen an den Verein gewährten Vorauszahlung von rund 33 000 DM brauchte die Bfin. dem Verein tatsächlich nur den Betrag der Zuwendung auszuzahlen, den der Verein über die Vorauszahlung hinaus an das Versicherungsunternehmen zu entrichten hatte. Der Betrag von 3 300 DM wurde als ein von dem Verein der Bfin. gewährtes Darlehen behandelt.
Das Finanzamt erkannte die Zuwendung der Bfin. an den Verein nur in Höhe von 1,5 v. H. der jährlichen Lohn- und Gehaltssumme an (§ 2 Abs. 2 Ziff. 1 Buchst. b ZuwG) und lehnte die Anwendung des § 2 Abs. 5 ZuwG für 1951 schon deshalb ab, weil die Bfin. den Vertrag mit dem Versicherungsunternehmen erst nach Ablauf des Jahres 1951 geschlossen habe.
Das Finanzgericht schloß sich dem Finanzamt insofern nicht an, als es die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 5 ZuwG auch dann bejahte, wenn der Versicherungsvertrag zwischen dem Verein und dem Versicherungsunternehmen zwar erst nach Ablauf des mit der Zuwendung belasteten Wirtschaftsjahres, aber vor der Beschlußfassung über die Jahresbilanz und die Zuwendung abgeschlossen wurde. Es kürzte aber die Zuwendung um die von dem Versicherungsunternehmen dem Verein gegebene und von dem Verein der Bfin. als Darlehen zur Verfügung gestellte Vorauszahlung von 33 000 DM. Die Bfin. habe dem Verein bei wirtschaftlicher Betrachtung nur den um das Darlehen gekürzten Betrag zugewendet. Außerdem widerspreche es dem sozialpolitischen Sinn und Zweck des § 2 Abs. 5 ZuwG, dem Verein zu gestatten, den Versicherungsvertrag durch Vorauszahlungen und Beleihungen auszuhöhlen. Dieser Auffassung schloß sich auch der am Verfahren beteiligte Bundesminister der Finanzen an. Er legt entscheidendes Gewicht darauf, daß die Bfin. bei wirtschaftlicher Betrachtung dem Verein nur den nach Abzug des Darlehens verbleibenden Betrag zur Deckung der Prämienschuld zugewendet habe. Die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs VI 78/55 U vom 1. Februar 1957, Slg. Bd. 64 S. 268, Bundessteuerblatt (BStBl) 1957 III S. 103, seien auf den Streitfall sinngemäß anzuwenden.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist in der Hauptsache nicht begründet.
Nach dem ZuwG dürfen zur Auffüllung oder Ansammlung des Kassenvermögens an Kassen mit laufenden Leistungen u. a. jährliche Zuwendungen in Höhe von 1,5 v. H. der jährlichen Lohn- und Gehaltssumme gemacht werden (§ 2 Abs. 2 Ziff. 1 Buchst. b ZuwG). Soweit sich die Kasse die Mittel für ihre Leistungen durch einen Vertrag mit einem Lebensversicherungsunternehmen verschafft, braucht sie kein Kapital anzusammeln. In diesem Fall darf das Unternehmen der Kasse jährlich den Betrag der Jahresprämie zuwenden, den die Kasse an das Versicherungsunternehmen zu zahlen hat (§ 2 Abs. 5 ZuwG). Die abzugsfähige Zuwendung dieser Jahresprämie wird wie in dem zur Entscheidung stehenden Fall, so auch in vielen anderen Fällen wesentlich höher sein als die sich aus § 2 Abs. 1 und 2 ZuwG ergebenden Zuwendungsbeträge. Der gesetzgeberische Grund für die unterschiedliche Behandlung der zur Ansammlung eines Deckungskapitals und zur Auszahlung fälliger Leistungen erforderlichen Zuwendungen und der Zuwendung der Jahresprämie kann nur der sein, daß im Fall der Rückdeckung bei einem Versicherungsunternehmen die gegen hohe Zuwendungen bestehenden haushaltsmäßigen und wirtschaftspolitischen Bedenken aus sozialpolitischen Erwägungen im Interesse der Betriebsangehörigen um so mehr zurückgestellt werden können, als sich die Höhe der notwendigen Zuwendung aus einem Vertrag der Kasse mit dem Versicherungsunternehmen eindeutig ergibt.
Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit der Zuwendung in Höhe der Jahresprämie ist, daß sich die Kasse die Mittel für ihre Leistungen durch einen Vertrag mit einem Versicherungsunternehmen verschafft. Welche Anforderungen mit dieser Vorschrift im einzelnen an den Inhalt des Versicherungsvertrags gestellt werden, kann insbesondere dann zweifelhaft sein, wenn der Versicherungsvertrag so gestaltet ist, daß er der Kasse zwar weitgehend das in der Ungewißheit der künftigen Entwicklung liegende Versicherungsrisiko abnimmt, aber nicht sicherstellt, daß beim Eintritt des Versicherungsfalls der Kasse tatsächlich die Mittel zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zur Verfügung stehen. Der Begriff des Verschaffens läßt mehrere Auslegungen zu. Es ist diejenige Auslegung zu wählen, die dem Willen des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, am besten entspricht. Danach sind die Mittel der Kasse nur dann "verschafft", wenn sichergestellt ist, daß die Kasse mit diesen Mitteln laufend ihre Leistungen gegenüber den Betriebsangehörigen erbringen kann. Diese Sicherstellung ist weitgehend illusorisch gemacht, wenn sich der Verein auf Grund des Versicherungsvertrags, zu dem auch der Nachtrag gehört, gegen eine wirtschaftlich Zinsen darstellende Zusatzprämie Vorauszahlungen auf die künftigen Versicherungsleistungen gewähren läßt. Mag der Verein auch verpflichtet sein, die auf die einzelnen Teilversicherungen entfallenden Anteile der Vorauszahlung, die einer Beleihung der künftigen Versicherungsleistung oder des Rückkaufswerts der Prämie gleichkommt, bis zum Eintritt des Versicherungsfalls zu tilgen, so steht diese Tilgung doch nicht im freien Belieben des Vereins. Sie hängt vielmehr weitgehend davon ab, daß die Bfin. ihre Verpflichtungen aus dem Darlehnsvertrag mit dem Verein erfüllen kann oder daß dem Verein die erforderlichen flüssigen Mittel tatsächlich zur Verfügung stehen. Insofern ist durch die Gestaltung der Vertragsbestimmungen zwischen der Bfin., dem Verein und dem Versicherungsunternehmen die mit der erhöhten Zuwendungsmöglichkeit des § 2 Abs. 5 ZuwG bezweckte Sicherstellung der künftigen Leistungen des Vereins weitgehend aufgehoben und dem Fall angeglichen, in dem das Unternehmen die seiner Kasse zur Ansammlung des Deckungskapitals gemachten Zuwendungen als Darlehen zurückerhält.
Es ist der Bfin. zuzugeben, daß trotzdem in beiden Fällen ein Unterschied insofern besteht, als das in der künftigen Entwicklung liegende Risiko dem Verein auch bei Beleihung der Jahresprämie regelmäßig abgenommen wird, während ohne versicherungsmäßige Rückdeckung das Vermögen der Kasse mit einem erheblichen Versicherungsrisiko belastet ist. Es ist auch richtig, daß es nicht darauf ankommen kann, ob die Bfin. die Jahresprämie tatsächlich durch Zahlung dem Verein zur Verfügung stellt. Denn ebenso wie in den Fällen des § 2 Abs. 2 ZuwG das Unternehmen die Zuwendung durch Begründung eines Darlehnsanspruchs der Kasse durchführen darf, können keine grundsätzlichen Bedenken dagegen erhoben werden, daß auch im Fall des § 2 Abs. 5 ZuwG der Kasse zunächst nur ein Betrag in Höhe der Jahresprämie gutgeschrieben wird, wenn z. B. die Kasse die Jahresprämie aus ihrem Vermögen entrichten kann. Die Einwendungen der Bfin. gegen die Ausführungen des Finanzgerichts und gegen die Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen, daß ihr Zuwendungsbetrag an den Verein um das ihr von dem Verein gewährte Darlehen zu kürzen sei, sind deshalb dem Grunde nach berechtigt. Auf die Berechtigung dieser Kürzung kommt es aber nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob der Begriff des Verschaffens im Sinne des § 2 Abs. 5 ZuwG so auszulegen ist, daß die vermögensmäßige übernahme des Versicherungsrisikos durch ein Versicherungsunternehmen allein genügt oder ob der Versicherungsvertrag so gestaltet sein muß, daß bei Eintritt des Versicherungsfalls die tatsächliche Erfüllung der laufenden Verpflichtungen gegenüber den Betriebsangehörigen nicht in gleicher Weise von den Vermögensverhältnissen des Unternehmens abhängt wie in den Fällen des § 2 Abs. 2 ZuwG. Der Senat ist der Ansicht, daß diese letztere Voraussetzung erfüllt sein muß. Hieraus soll jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß jede Beleihung der sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Rechte oder Leistungen zur Nichtanwendbarkeit des § 2 Abs. 5 ZuwG führt. Es wird vielmehr darauf ankommen, inwieweit im einzelnen Falle tatsächlich die Ansprüche der Betriebsangehörigen durch den Versicherungsvertrag oder durch die Vermögensgestaltung der Kasse und des Unternehmens sichergestellt werden. Bei dieser Würdigung kommt es weniger auf die rechtliche Gestaltung als auf die wirtschaftliche Auswirkung der zwischen dem Unternehmen, der Kasse und dem Versicherungsunternehmen getroffenen Vereinbarungen an. Der Ansicht des Bundesministers der Finanzen wird beigepflichtet, daß auf das streitige Rechtsproblem die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs VI 78/55 U vom 1. Februar 1957 sinngemäß anzuwenden sind.
Die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 5 ZuwG ist noch aus einem anderen Grunde abzulehnen. Der Verein schloß den Versicherungsvertrag erst im Jahr 1952, also nach Ablauf des Wirtschaftsjahres ab, zu dessen Lasten sich die von der Bfin. erstattete Versicherungsprämie auswirken soll. Bei dieser Sachlage kann ein Abzug nach § 2 Abs. 5 ZuwG für das Wirtschaftsjahr 1951 nicht in Betracht kommen, weil die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift, insbesondere der Abschluß des Vertrags mit dem Versicherungsunternehmen, in dem Wirtschaftsjahr vorliegen müssen, auf das sie sich auswirken sollen. Die in § 4 ZuwG enthaltene Anordnung, daß § 2 ZuwG erstmals für den Veranlagungszeitraum 1951 anzuwenden sei, bedeutet lediglich, daß die Vergünstigungen des Gesetzes mit Rückwirkung auf die im Veranlagungszeitraum 1951 vorliegenden Tatbestände gewährt werden sollen. Aus dieser Rückwirkung kann indessen nicht gefolgert werden, daß der Steuerpflichtige nach Ablauf des Veranlagungszeitraums 1951 noch die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung des ZuwG schaffen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 408886 |
BStBl III 1957, 416 |
BFHE 1958, 476 |
BFHE 65, 476 |
BB 1957, 1208 |