Leitsatz (amtlich)
Zu den nicht der Lohnsteuer unterliegenden Annehmlichkeiten gehört auch die kostenlose Abgabe von täglich einem Liter Bier an die Arbeiter einer Mälzerei zum Verzehr an der Betriebstätte.
Normenkette
EStG § 19; LStDV § 3
Tatbestand
Anläßlich einer Lohnsteuerprüfung stellte das FA u. a. fest, daß die Klägerin den in ihren Mälzereien tätigen Arbeitnehmern täglich einen Liter Freibier gewährt hatte. Das FA schätzte den Wert dieser Zuwendungen für die Jahre 1957 bis 1962 im Benehmen mit der Klägerin aut 51 700 DM. Unter Anwendung eines Pauschalsteuersatzes von 20 v. H. forderte das FA mit Haftungsbescheid vom 25. Juni 1962 u. a. auch hierfür eine Lohnsteuer von insgesamt 10 340,16 DM und eine Kirchenlohnsteuer von insgesamt 827,20 DM nach.
Die Klage hatte in diesem Punkt nur insoweit Erfolg, als das FG mit Zustimmung des FA die pauschale Nachholung der Lohnsteuer für 1957 nur mit 7 v. H. für gerechtfertigt hielt. Es setzte demgemäß den Haftungsbetrag hinsichtlich der Lohnsteuer um 340,60 DM und hinsichtlich der Kirchenlohnsteuer um 27,24 DM herab. Es nahm aber entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht an, daß die Gewährung des Freibiers für die Arbeitnehmer eine bloße Annehmlichkeit darstelle, auch wenn diese Arbeitnehmer in feuchter und teilweise sehr warmer Luft arbeiten müßten und das Freibier der Erleichterung der Arbeit und der Hebung der physischen Leistungsfähigkeit gedient habe. Das Bier, das die Klägerin ihren Arbeitnehmern gewährt habe, gehöre vielmehr zu den Gütern mit Geldeswert. Bei bloßen Annehmlichkeiten handle es sich um Vorteile, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses zuwende, ohne daß der Arbeitnehmer eine objektive, in Geld ausdrückbare Bereicherung erfahre. Die Abgabe des Bieres sei hier aber mindestens ebenso sehr im Interesse der Arbeitnehmer wie in dem der Klägerin erfolgt. Da nach den eigenen Angaben der Klägerin die Arbeitnehmer durchweg täglich einen höheren Bierkonsum als einen Liter hätten, hätten sie sich insoweit eine tägliche Geldausgabe erspart und seien dadurch bereichert. Da die Arbeitnehmer die Bierzeichen für die Woche im voraus erhielten und damit den Verbrauch beliebig einteilen könnten, und weil sie die Bierzeichen sogar Arbeitskollegen hätten überlassen können, habe eine freie Verfügbarkeit bestanden, die ein wesentliches Merkmal für das Vorliegen von Arbeitslohn sei. Allein schon wegen dieser Verfügungsfreiheit könne sich die Klägerin nicht auf die Fälle berufen, in denen als sog. Annehmlichkeit zum zweiten Frühstück kostenlos Tee, Kaffee und dergleichen ausgeschenkt werde. Auch in den Tarifverträgen für die gewerblichen Arbeitnehmer des Mälzereigewerbes in Bayern sei die Ausgabe von Bier nicht angeordnet. Wenn die LStR in Abschn. 13 für Brauereiarbeiter einen Freitrunk als lohnsteuerfrei vorsähen, so sei diese Verwaltungsanweisung für das FG nicht verbindlich, und es könne diese Richtlinien auch nicht erweiternd auslegen und auf Mälzereiarbeiter anwenden. Soweit die Mälzereiarbeiter in den Betriebstätten A und B anstelle von Freibier einen Geldzuschuß von 0,25 DM pro Liter erhalten hätten, sei die Heranziehung zur Lohnsteuer schon deshalb gerechtfertigt, weil die Arbeitnehmer über den Zuschuß frei verfügen könnten.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung bestehenden Rechts. Sie beantragt, die mit dem angefochtenen Haftungsbescheid angeforderte Lohnsteuer um weitere 9 999,56 DM und die Kirchenlohnsteuer um weitere 799,96 DM herabzusetzen. Sie macht geltend, daß das FG zu Unrecht in der freien Verfügbarkeit über die Bierzeichen oder die Zuschüsse ein wesentliches Merkmal für das Vorliegen von Arbeitslohn gesehen habe. Das FG habe ihr Vorbringen nicht ausreichend gewürdigt, daß die Mälzerei ein der Brauerei nahestehender Betrieb sei, in dem die Arbeiter ihre Tätigkeit unter Staub und Wärmeentwicklung ausübten und durch den üblichen Genuß von Bier am Arbeitsplatz eine Erleichterung erfahren sollten. Mälzereiarbeiter seien häufig auch Brauer. Der Bierkonsum der Mälzereiarbeiter stehe dem der in der Brauerei beschäftigten Arbeitnehmer nur wenig nach. Nach dem Manteltarifvertrag stünden den Arbeitnehmern in Brauereien drei Liter Bier pro Tag ohne Berechnung zu, für weitere drei Liter seien nur 0,40 DM pro Liter zu verrechnen. Im übrigen sei Bier zumindest in Bayern als Nahrungsmittel anzusprechen, jedenfalls im Kreis der hier beschäftigten Arbeiter. Deswegen sei auch ein Vergleich mit den unentgeltlichen oder verbilligten Abgaben von Mittagessen durch den Arbeitgeber im Sinn des Abschn. 15 Abs. 1 LStR gerechtfertigt. Wenn hier ein geldwerter Vorteil von 1,50 DM pro Tag steuerfrei belassen werde, so sei diese Grenze auch von den Gerichten zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung als geeignet anzusehen. Ein solcher Betrag sei auch so geringfügig, daß eine Zurechnung zum steuerpflichtigen Arbeitslohn nicht möglich sei. Dem habe die Verwaltung Rechnung getragen und in Abschn. 15 LStR 1968 klargestellt, daß insoweit zu den Mahlzeiten auch alle Speisen und Getränke gehörten, die üblicherweise der Ernährung dienten. Schließlich sei das FG auch zu Unrecht von einer freien Verfügbarkeit der Bierzeichen und Zuschüsse ausgegangen. Ihre Arbeitnehmer hätten diese nur für den Verzehr von Bier am Arbeitsort erhalten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet.
Der Senat hat im Urteil VI 291/62 U vom 26. April 1963 (BFH 77, 35, BStBl III 1963, 329) ausgesprochen, daß zu den nach § 19 Nr. 1 EStG 1958 steuerpflichtigen Einkünften zwar auch Bezüge und Vorteile gehörten, die dem Arbeitnehmer im Dienste für den Arbeitgeber gewährt würden, daß aber nicht jede Annehmlichkeit des Arbeitsplatzes oder jeder Sozialaufwand des Arbeitgebers ein Vorteil im Sinn dieser Vorschrift sei. Die Grenzen seien flüssig. Als solche Annehmlichkeiten kämen Sachleistungen des Arbeitgebers in Betracht, die der Belegschaft des Betriebes im ganzen zur Verfügung stünden, wie z. B. Einrichtungen zur Körperpflege, Freitrunk von Brauereiarbeitern, Freitabak an Arbeitnehmer in tabakverarbeitenden Betrieben, Gestellung von Freimilch zur Bekämpfung von Berufskrankheiten usw. Solche Vorteile böte der Arbeitgeber den Arbeitnehmern mehr in seinem eigenen Interesse als in dem der Arbeitnehmer. Er wolle durch eine gute Ausstattung des Arbeitsplatzes ein günstiges Betriebsklima schaffen, sowie die Anhänglichkeit der Belegschaft an den Betrieb fördern. Entsprechende Erwägungen lagen bereits dem Urteil des Senats VI 107/57 U vom 17. Juli 1959 (BFH 69, 406, BStBl III 1959, 412) zugrunde, wo es um die Steuerfreiheit der Getränke für Gießereiarbeiter ging.
Inwieweit die Gewährung kostenloser Getränke an die Arbeitnehmer lediglich eine Annehmlichkeit darstellt, die nicht zu den lohnsteuerpflichtigen Bezügen gehört, ist danach nur schwer abzugrenzen. Soweit es sich um alkoholfreie Getränke wie Tee, Milch, Limonaden handelt, wird man den Charakter der Annehmlichkeit im Sinne der Rechtsprechung in aller Regel bejahen müssen, sofern es sich lediglich um einen Ausschank zum Verzehr im Betrieb handelt und die Frage des geldwerten Vorteils kaum ins Gewicht fällt. Ob man bei der Gewährung von Freibier ebenfalls nur von einer Annehmlichkeit sprechen kann, mag insofern zweifelhaft sein, als Bier wegen seines Alkoholgehalts doch eine andere Rolle spielt als jene Getränke. Man wird aber auch für die Beurteilung der Frage, ob die Gewährung von Freibier lediglich eine Annehmlichkeit darstellt oder einen geldwerten Vorteil, die Gegebenheiten des Betriebes nicht außer acht lassen können.
Solchen Gegebenheiten wurde in Abschn. 13 LStR 1962 Rechnung getragen, wenn die Gewährung von Getränken und Genußmittel lediglich insoweit von der Steuerpflicht ausgenommen wurde, als diese im Betrieb hergestellt oder verarbeitet waren. Die LStR 1968 haben diese Einschränkung fallen lassen. Nach ihnen gehören nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn Getränke und Genußmittel, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zum eigenen Verbrauch im Betrieb unentgeltlich oder verbilligt überläßt. Wenn auch, wie das FG zutreffend ausführt, die LStR als Verwaltungsanweisung für die Gerichte nicht bindend sind, so werden sie doch nach der Rechtsprechung des Senats weitgehend als zutreffende Gesetzesauslegung angesehen. Nach der Auffassung des Senats gibt auch Abschn. 13 Satz 1 LStR 1968 nur wieder, was ohnehin aus dem Gesetz folgt, daß nämlich die Gewährung von zum sofortigen Verzehr im Betrieb bestimmten Getränken und Genußmitteln, weil hierin nur eine Annehmlichkeit liegt, keine Lohnsteuer auslöst. Ob das ohne jede Einschränkung gilt, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls sieht der Senat keine Bedenken, auch die Gewährung von Freibier unter den angegebenen Bedingungen dann als eine bloße Annehmlichkeit anzusehen, wenn es sich um Betriebe handelt, in denen die Verwendung von Bier zum Ausgleich von Flüssigkeitsverlusten üblich ist. Daß das im Streitfall gewährte Bier zum Verzehr im Betrieb bestimmt ist und auch die Biermarken nicht anders verwertet werden können, ist unbestritten. Ebenso ist unbestritten, daß die Arbeit in einer Mälzerei unter erschwerten Arbeitsbedingungen zu leisten ist. Zutreffend hat die Klägerin auch darauf hingewiesen, daß das Gewerbe einer Mälzerei mit dem einer Brauerei, in der der Freitrunk üblich ist, in engen Beziehungen steht. Ohne auf die besonderen Verhältnisse in Bayern eingehen zu müssen, ist der Senat unter diesen Umständen der Auffassung, daß man in der Abgabe von einem Liter Bier pro Tag an Arbeitnehmer in einer Mälzerei noch eine betriebsbedingte Annehmlichkeit sehen muß, die einem steuerpflichtigen Sachbezug nicht gleichgestellt werden kann. Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung waren deshalb insoweit aufzuheben und der Haftungsbescheid nach dem Ergebnis der Einspruchsentscheidung nach den Anträgen der Klägerin um 10 340,16 DM Lohnsteuer und um 827,20 DM Kirchenlohnsteuer herabzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 68379 |
BStBl II 1969, 115 |
BFHE 1969, 219 |