Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge fehlender Urteilsbegründung i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO
Leitsatz (NV)
Macht das FG von der Begründungserleichterung nach § 105 Abs. 5 FGO Gebrauch, ist das Urteil nur dann i.S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO mit Gründen versehen, wenn das Gericht zu wesentlich neuem Vorbringen im Klageverfahren, über das in der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf noch nicht entschieden worden ist, Stellung genommen hat.
Normenkette
FGO § 105 Abs. 5, § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Revisionskläger (Kläger) abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. In den Entscheidungsgründen des Urteils hat das FG gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in vollem Umfang auf die in der Einspruchsentscheidung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) gegebene Begründung verwiesen. Dort hatte das FA die Ansicht vertreten, Zahlungen des Versicherungsmaklers X an den Kläger seien als sonstige Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung zu unterwerfen. Der Kläger habe nach einem von X entwickelten Konzept jeweils Versicherungsverträge abgeschlossen und so diesem die Abschlussprovision und ―durch das Abtreten der Rechte und Pflichten aus dem jeweiligen Vertrag― auch die Position des Versicherungsnehmers verschafft. Für das Auftreten gegenüber den Rentenversicherern als Versicherungsnehmer habe X an den Kläger vereinbarungsgemäß einen (kleinen) Teil der Provision ausbezahlt. Die Rentenversicherungsverträge hätten nicht der eigenen Zukunftssicherung des Klägers bzw. seiner Familie gedient. Dies werde insbesondere daraus deutlich, dass der Kläger kurz nach Abschluss der Verträge alle Rechte und Pflichten an X abgetreten habe. Auch die überaus hohen, die erklärten Einkünfte der Kläger erheblich übersteigenden jährlichen Versicherungsbeiträge, ließen darauf schließen. Es sei den Klägern schon im ersten Jahr der Versicherungsverträge nicht möglich gewesen, die Beiträge selbst zu bezahlen.
Gegen das Urteil des FG haben die Kläger Revision eingelegt, mit der sie rügen, die Entscheidung der Vorinstanz sei nicht mit Gründen versehen (Verletzung von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO).
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das finanzgerichtliche Urteil ist als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, weil die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist (§ 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6 FGO).
Nach § 105 Abs. 5 FGO kann das Gericht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt. Dies führt aber nicht dazu, dass geringere Anforderungen an die Stellungnahme zu allen entscheidungserheblichen selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmitteln zu stellen sind. Die Bezugnahme auf die Begründung der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf genügt den sich aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes und § 96 Abs. 1 Satz 3 FGO ergebenden Anforderungen nur, wenn das Gericht zu wesentlich neuem Vorbringen im Klageverfahren, über das in der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf nicht entschieden worden ist, Stellung genommen hat (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, z.B. Urteil vom 23. April 1998 IV R 30/97, BFHE 186, 120, BStBl II 1998, 626; Beschluss vom 23. November 1998 VII R 79/98, BFH/NV 1999, 942).
Im Streitfall haben die Kläger im Verlaufe des Klageverfahrens vorgetragen, die Abtretung der Versicherungsansprüche an X sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mangels Abtretungsanzeige nichtig. Außerdem haben sie vorgebracht, der Vergleich der Einkommensverhältnisse der Kläger mit der Höhe der Versicherungsprämien durch das FA verkenne die wirtschaftlichen Zusammenhänge, weil unberücksichtigt bleibe, dass durch die Prämienzahlungen erhebliche Rückkaufswerte gebildet und die Summe aus Provisionen und Rückkaufswert höher als die zu zahlenden Prämien gewesen sei. Zu diesem neuen Vorbringen im Klageverfahren enthält ―wie die Kläger mit der Revision zutreffend geltend machen― das angefochtene Urteil keine Ausführungen. Aus der bloßen Bezugnahme auf die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gemäß § 105 Abs. 5 FGO in den Entscheidungsgründen des Urteils der Vorinstanz ergibt sich nicht, ob und wie das FG das neue Vorbringen der Kläger im Klageverfahren gewürdigt hat.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache ohne sachliche Prüfung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, weil das angefochtene Urteil keine geeignete Grundlage für eine abschließende Entscheidung in der Sache bildet (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 116 Anm. 4, § 119 Anm. 3, jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen).
Fundstellen
Haufe-Index 424979 |
BFH/NV 2000, 731 |