Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Zuschuß im Sinne des § 7 d Abs. 2 EStG 1951 und 1953 ist nicht gegeben, wenn die Aufwendung des Geldgebers gleichzeitig eine Gegenleistung für den Erb- und Pflichtteilsverzicht eines Kindes ist.

 

Normenkette

EStG § 7d/2

 

Tatbestand

Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Zuwendungen in Höhe von insgesamt 250.000 DM gemäß § 7 d EStG 1951/1953, die der inzwischen verstorbene Steuerpflichtige seiner Tochter und deren Tochter in den Jahren 1952 und 1953 gemacht hat. Der Steuerpflichtige hat am 30. März 1942 mit seiner Tochter einen Erbvertrag geschlossen, durch den er ihr 434 Aktien vermachte und seine Tochter ihrerseits auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtete. Es war in dem Vertrag vorgesehen, daß der Steuerpflichtige schon zu Lebzeiten das Aktienpaket seiner Tochter unentgeltlich übertragen konnte und daß das Vermächtnis in diesem Falle erlöschen sollte. Am 22. Dezember 1952 schloß der Steuerpflichtige mit seiner Tochter einen notariellen Vertrag, durch den der Erbverzicht aufrechterhalten, das Vermächtnis aber aufgehoben wurde. In diesem Vertrag wurde unter anderem bestimmt:

"II. Frau X. erhält von ihrem Vater als Gegenleistung für Verzicht zu I. eine Zuwendung von DM 200.000,-; daneben ihre Tochter eine solche von DM 50.000,-. Diese Zuwendung wird gezahlt als verlorener Zuschuß zur Förderung des Schiffsbaues i. S. von § 7 d Abs. 2 EStG 1951. Frau X. errichtet mit ihrer Tochter eine Kommanditgesellschaft unter der Firma X. Schiffahrts-KG mit dem Sitz in Y.

Frau X. ist persönlich haftende Gesellschafterin, ihre Tochter Kommanditistin mit einer Einlage von DM 50.000,-.

Der Gesellschaftsvertrag ist unter dem heutigen Tage vollzogen. Herr A. zahlt die genannten Beträge auf das von der X. Schiffahrts-KG bei der Z.-Bank errichtete Konto, und zwar DM 200.000,- sofort, d. h. bis spätestens 31. Dezember 1952, weitere DM 50.000,- bis zum 31. Januar 1953.

III.... IV. Diese Vereinbarung erlischt und das im Vertrage vom 3. Februar 1948 vereinbarte Vermächtnis tritt wieder in Kraft, wenn die von Herrn A. zugewendeten Mittel nicht in den nach den steuerlichen, gesetzlich vorgeschriebenen Fristen dem vereinbarten Zweck (ß 7 d Abs. 2 EStG) zugeführt werden können. In diesem Fall sind die geleisteten Zahlungen unverzüglich an Herrn A. zurückzugewähren."

Der Steuerpflichtige hat durch seine Bank am 23. Dezember 1952 200.000 DM und am 3. Januar 1953 50.000 DM auf ein Bankkonto der KG überwiesen. Da das Einkommen des Steuerpflichtigen im Jahr 1952 - wie er erst im Laufe des Jahres 1953 erkannte - niedriger war als 200.000 DM, vereinbarte er mit seiner Tochter am 20. Oktober 1953, daß von den im Dezember 1952 überwiesenen 200.000 DM ein Teilbetrag von 50.000 DM als Einzahlung des Jahres 1953 gelten solle und danach für dieses Jahr 100.000 DM als eingezahlt angesehen werden sollten. Entsprechende Bescheinigungen des Bundesministers für Verkehr wurden vorgelegt, nachdem vorher für 1952 bereits eine Bescheinigung über 200.000 DM beigebracht worden war. Das Finanzamt, das ursprünglich bei den Einkommensteuerveranlagungen für 1952 und 1953 150.000 DM bzw. 100.000 DM als abzugsfähig gemäß § 7 d EStG 1951/1953 berücksichtigt hatte, änderte beide Veranlagungen, als es von dem Vertrag vom 22. Dezember 1952 Kenntnis erhielt und erkannte für beide Jahre einen Abzug nach § 7 d EStG nicht mehr an. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg, weil der Steuerausschuß - ebenso wie das Finanzamt - die Aufwendung von 250.000 DM als Gegenleistung des Steuerpflichtigen für den Erbverzicht seiner Tochter ansah und annahm, daß unter diesen Umständen ein Abzug nach § 7 d EStG ausgeschlossen sei.

Die Berufung führte zur Berücksichtigung der vom Steuerpflichtigen beantragten Abzüge nach § 7 d EStG 1951/1953 in Höhe von 150.000 DM bzw. 100.000 DM. Das Finanzgericht stellte sich auf den Standpunkt, daß ein Zuschuß im Sinne des § 7 d EStG anzunehmen sei bei der Hingabe von Sachgütern oder Geldleistungen an einen anderen, wenn dieser nicht zur Rückgewähr verpflichtet sei. Es genüge, wenn der Empfänger in den Besitz der Zuwendungen komme und diese zu dem begünstigten Zweck verwende. Es sei nicht erforderlich, daß der Zuschußgeber uneigennützig handle. Demgemäß stehe der in Verbindung mit einer Zuschußgewährung erfolgte Verzicht auf den Erbteil oder auf ein Vermächtnis dem Abzug nach § 7 c oder § 7 d EStG 1951/1953 nicht entgegen. Im übrigen sei ein solcher Verzicht bürgerlich-rechtlich überhaupt keine Gegenleistung gegenüber dem Erblasser. Daß der Steuerpflichtige einen Teilbetrag von 50.000 DM von dem im Dezember 1952 überwiesenen Zuschuß erst bei der Veranlagung für 1953 berücksichtigt haben wolle, könne auch nicht abgelehnt werden. Nach § 11 EStG stelle eine Gutschrift einen Zufluß bei dem Empfänger nur dar, wenn dieser frei über das Geld verfügen könne. Aus Ziff. IV des Vertrags vom 22. Dezember 1952 gehe jedoch hervor, daß der Steuerpflichtige sich eine möglichst günstige steuerliche Wirkung habe sichern wollen und sich die Rückforderung der Zuwendung vorbehalten habe, wenn und soweit sie dem vereinbarten Zweck nicht steuerlich wirksam zugeführt werden könne. Da die Empfänger demnach nicht sofort in voller Höhe und jederzeit frei über das Geld hätten verfügen können, sei bei ihnen ein Zufluß im Sinne des § 11 EStG noch nicht anzunehmen gewesen. Solange der Steuerpflichtige das Geld nicht ganz oder zum Teil zurückgefordert oder eine andere Verwendung bestimmt habe, hätten die Empfänger es gewissermaßen nur zu treuen Händen empfangen. Bei den engen persönlichen Beziehungen der Beteiligten spreche alles für die Behauptung des Steuerpflichtigen, daß alle sich hierüber klar gewesen seien. Unter diesen Umständen habe der bei der Besteuerung für 1952 nicht verbrauchte Teilbetrag von 50.000 DM erst auf Grund der Vereinbarung vom 20. Oktober 1953 endgültig zur freien Verfügung gestanden und sei daher erst in diesem Jahr zugeflossen.

Der Vorsteher des Finanzamts vertritt in der Rb. die Auffassung, daß der Erbverzicht der Tochter des Steuerpflichtigen eine echte Gegenleistung sei, der den Zuschußcharakter des hingegebenen Geldes nach § 7 d EStG 1951/1953 ausschließe. Das Finanzgericht habe übersehen, daß die vorzeitige Abfindung der Tochter das Motiv für die streitige Zuwendung gewesen sei. In derartigen Fällen habe sowohl der Reichsfinanzhof in dem Urteil VI 197/38 vom 30. März 1938 (Slg. Bd. 43 S. 290) als auch der Bundesfinanzhof in der Entscheidung IV 384/52 U vom 10. April 1953 (BStBl 1953 III S. 157, Slg. Bd. 57 S. 400) das Vorliegen einer Gegenleistung bejaht, wenn ein Erbberechtigter mit seinen Erb- und Pflichtteilsansprüchen abgefunden werde. Der Reichsfinanzhof habe es als bedeutungslos bezeichnet, daß der Erblasser selbst zu seinen Lebzeiten keinen unmittelbaren Vorteil aus dem Erb- und Pflichtteilsverzicht habe. Es genüge, wenn die Gegenleistung einem Dritten, zum Beispiel den Erben des Steuerpflichtigen, zugute komme. Im Streitfall hätten außerdem der Steuerpflichtige und seine Tochter klar und deutlich vereinbart, daß Frau X. nach Zahlung der Beträge keinerlei Ansprüche mehr gegen den Steuerpflichtigen und dessen Nachlaß habe, was auch durch die annähernde Gleichwertigkeit des Zuschußbetrags mit dem Wert der Anwartschaft auf die übertragung der Aktien bestätigt werde. Hilfsweise werde geltend gemacht, daß die Verlagerung eines vorbehaltlos gegebenen Zuschusses in einen späteren Veranlagungszeitraum nicht möglich sei. Das Finanzgericht habe entgegen dem klaren Inhalt der Akten unterstellt, daß die vom Steuerpflichtigen zugewendeten Geldmittel den Empfängern nicht zur freien Verfügung gestanden hätten. Ein solcher Vorbehalt sei aus keinem der abgeschlossenen Verträge ersichtlich und könne ihnen auch nicht unterstellt werden, da Vereinbarungen zwischen nahen Verwandten in besonderem Masse klar sein müßten. Der Steuerpflichtige habe für das Jahr 1952 eine Fehldisposition getroffen, die nach dem EStG nicht nachträglich geändert werden könne. Im übrigen seien die Ausführungen des Finanzgerichts in sich widerspruchsvoll. Das Finanzgericht habe von seinem Standpunkt aus untersuchen müssen, ob die im Jahr 1952 überwiesenen 200.000 DM unter einer auflösenden oder einer aufschiebenden Bedingung gegeben worden seien. Nehme man an, daß die 200.000 DM im Dezember 1952 noch nicht endgültig hingegeben gewesen seien, so habe das Finanzgericht dies nicht nur für 50.000 DM, sondern für den ganzen Betrag annehmen müssen und die Berücksichtigung bei der Veranlagung für 1952 überhaupt ablehnen müssen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

In den Jahren 1952 und 1953 konnten die Steuerpflichtigen unter den in § 7 d Abs. 2 EStG 1951/1953 niedergelegten Voraussetzungen Zuschüsse zum Bau von Schiffen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzen. Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die Aufwendungen des Steuerpflichtigen Zuschüsse in diesem Sinne sind. Das Finanzgericht hat das bejaht. Der Senat tritt dieser Auffassung nicht bei. Der Steuerpflichtige wollte mit der streitigen Zuwendung die nach seinem Tode notwendige Erbteilung vorwegnehmen. Diese Absicht lag bereits der Vereinbarung vom 30. März 1942 zugrunde. In teilweiser Abänderung dieses früheren Vertrags verpflichtete er sich am 22. Dezember 1952 zur Hingabe von insgesamt 250.000 DM an seine Tochter und seine Enkelin. Diese Zuwendung stellte nach Ziff. II des Vertrages die Gegenleistung des Steuerpflichtigen dar für den Erb- und Pflichtteilsverzicht seiner Tochter. Es handelte sich dabei also um eine Vermögensteilung des Steuerpflichtigen. Daß die Zuwendung in dem Vertrag gleichzeitig als verlorener Zuschuß zur Förderung des Schiffsbaues im Sinne des § 7 d Abs. 2 EStG 1951/1953 bezeichnet wurde, machte sie nicht zu einem nach dieser Vorschrift abzugsfähigen Zuschuß. Einer genauen Abgrenzung, wann ein solcher Zuschuß anzunehmen ist, bedarf es für den Streitfall nicht. Wenn es auch - ebenso wie bei den Zuschüssen zum Wohnungsbau nach § 7 c EStG - nicht erforderlich ist, daß der Zuschußgeber bei der Hingabe eines Zuschusses völlig uneigennützig handelt, so kann diese Erwägung doch nicht so weit gehen, daß Vermögenszuwendungen erbrechtlicher Art auf Grund von gegenseitigen Verträgen zwischen Erblasser und gesetzlichen Erben über § 7 d EStG bei der Einkommensteuer begünstigt werden. Dementsprechend wurde bereits die Anwendung des § 7 c EStG abgelehnt für Aufwendungen, die wirtschaftlich Teil des Anschaffungspreises eines Grundstücks waren (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 421/55 U vom 13. Dezember 1956, BStBl 1957 III S. 130, Slg. Bd. 64 S. 343; vgl. auch I 2/54 vom 13. März 1956 in "Der Betrieb" 1956 S. 635). Die Vorentscheidung, die dies verkannt hat, ist daher wegen Rechtsirrtums aufzuheben.

Eines Eingehens auf die Ausführungen der Rb. zu der Auslegung, die das Finanzgericht dem § 11 EStG in der Vorentscheidung gegeben hat, der auch der Senat aus den in der Rb. dargelegten Gründen nicht folgen könnte, bedarf es unter diesen Umständen nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409968

BStBl III 1961, 132

BFHE 1961, 354

BFHE 72, 354

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