Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht
Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung von Begriffsbestimmungen des Zolltarifs.
Zur Feststellung der Verkehrsanschauung. Zolltarif 1951, Allgemeine Tarifierungsvorschriften Ziff. 2,
Normenkette
GZT Allgemein
Tatbestand
Streitig ist, ob der von der Beschwerdeführerin (Bfin.) in der Anlage zu ihrem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zollauskunft beschriebene und auch abgebildete Buchungsautomat als rechnende Buchungsmaschine der Tarifnr. 8456 B Zollsatz 15 % des Wertes oder als Registrierkasse der Tarifnr. 8456 C 2 Zollsatz 20 % des Wertes zuzuweisen ist. Wegen der Beschaffenheit des Buchungsautomaten wird auf die Warenbeschreibung Bezug genommen.
Die Oberfinanzdirektion X hat mit ihrer verbindlichen Zollauskunft den Buchungsautomaten der Tarifnr. 8456 C 2 unterstellt und diese Zollauskunft mit Einspruchsbescheid aufrechterhalten.
Die Bfin. wünscht dagegen die Zuweisung des Buchungsautomaten zur Zolltarifnr. 8456 B. Sie wiederholt mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) im wesentlichen ihre Einwendungen aus dem Einspruchsverfahren.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat Erfolg.
Unstreitig handelt es sich nach dem Einspruchsbescheid der Vorinstanz bei dem Buchungsautomaten um eine Registrier- Buchungsmaschine. Buchungsmaschinen sind im Zolltarif in der Tarifnr. 8456 genannt. Diese Tarifstelle enthält die Zollsätze für "Rechenmaschinen, Schreib- und Buchungsmaschinen mit Recheneinrichtung, Registrierkassen und ähnliche Registrierapparate und Lochkartenmaschinen". Sie ist wegen der verschiedenen Zollbelastung der einzelnen Waren in die Absätze A - D gegliedert. In den Absatz A gehören alle Rechenmaschinen, auch schreibende Rechenmaschinen. Der Absatz B umfaßt rechnende Schreibmaschinen und rechnende Buchungsmaschinen, Absatz C enthält Registrierkassen, Frankiermaschinen, Maschinen zum Drucken und Registrieren von Fahrkarten, Maschinen für Totalisatoren und ähnliche Apparate mit Zählsystem und Absatz D Lochkartenmaschinen. Eine Begriffsbestimmung ist im Zolltarif weder für rechnende Buchungsmaschinen noch für Registrierkassen gegeben. Infolgedessen ist nach Ziff. 2 Abs. 2 der Allgemeinen Tarifierungsvorschriften (ATV) zum Zolltarif für die Auslegung dieser Warenbegriffe die Verkehrsanschauung maßgebend. Durch diese gesetzliche Vorschrift ist für die Auslegung des einzelnen Warenbegriffs die beteiligte Wirtschaft eingeschaltet, aus deren Auffassung sich die Verkehrsanschauung bildet. Dies ist mit voller Absicht geschehen, denn der Zolltarif enthält Warenbegriffe der Wirtschaft, die von der Wirtschaft selbst vorgeschlagen sind und die Zölle, die bei der Einfuhr der im Zolltarif genannten Waren erhoben werden, bezwecken - abgesehen von den wenigen Finanzzöllen - den Schutz der deutschen Wirtschaft. Für die Frage, was man unter Verkehrsanschauung versteht bzw. für die Frage, ob eine bestimmte Ware nach der Verkehrsanschauung unter einen bestimmten, im Zolltarif genannten Warenbegriff fällt, ist deshalb, wie der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, allein der Standpunkt der beteiligten Wirtschaft maßgebend (vgl. das grundsätzliche Urteil des Bundesfinanzhofs V z 150/52 S vom 25. Juni 1953 = Slg. Bd. 57 S. 668 = Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 254 = Steuer und Wirtschaft 1953 Nr. 213). Zu ihr gehören bei der Wareneinfuhr in der Regel inländische Hersteller und Abnehmer (Importeure). Dieser Standpunkt der beteiligten Wirtschaft (die Verkehrsanschauung) kann, wie der Bundesfinanzhof bereits hervorgehoben hat, nicht ersetzt werden durch überlegung eines Finanzgerichts oder einer Verwaltungsbehörde. Er kann es auch nicht durch ein technisches Gutachten. Diese überlegung oder die technischen Gutachten können zwar mit der Verkehrsanschauung übereinstimmen; sie sind aber nicht die allein maßgebende Verkehrsanschauung; d. h. sie sind nicht der Standpunkt der beteiligten Wirtschaft. Diese Auffassung besagt nicht, daß in jedem Fall Sachverständigengutachten aus Kreisen der beteiligten Wirtschaft einzuholen sind, wenn der Standpunkt der beteiligten Wirtschaft anderweit einwandfrei festgestellt werden kann (vgl. Bescheid und Urteil des Bundesfinanzhofs V 105/52 S vom 23. März 1953 / 22. Juli 1954, BStBl. 1954 III S. 274). Jede Auslegung eines Warenbegriffs des Zolltarifs aber, die von der Auffassung der beteiligten Wirtschaft abweicht, kann - abgesehen von den Finanzzöllen - wegen des Schutzzwecks der Einfuhrzölle zu einer Gefährdung des beteiligten Wirtschaftszweiges führen. Deshalb kann im Interesse der Wirtschaft die Vorschrift der Ziff. 2 Abs. 2 der ATV nur eng ausgelegt werden.
Die Entscheidung der Vorinstanz ist auf ein Gutachten der Fachgemeinschaft ... gestützt. Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, daß nach der in diesem Gutachten wiedergegebenen Verkehrsanschauung der Buchungsautomat als eine Registrier- Buchungsmaschine der Tarifnummer 8456 C zuzuweisen ist. Die Bfin. bestreitet, daß die in dem Gutachten der Fachgemeinschaft gegebene Begriffsbestimmung die Verkehrsanschauung darstellt. Dieser Einwand trifft insoweit zu, daß sich dies aus dem Gutachten des Fachverbandes, der eine unrichtige Formulierung des Absatzes B der Tarifnr. 8456 behauptet, nicht mit Sicherheit erkennen läßt. Es bedarf noch der Aufklärung, ob nach der Verkehrsanschauung eine Registrier-Buchungsmaschine, wie sie der Buchungsautomat darstellt, als eine rechnende Buchungsmaschine im Sinne der Tarifnr. 8456 B oder als eine Registrierkasse im Sinne der Tarifnr. 8456 C anzusehen ist. Auch die Gutachten der Industrie- und Handelskammern Y und Z und das Gutachten des ... haben sich bisher nicht dazu geäußert. Auch ihre Stellungnahmen zu dieser Frage sind noch einzuholen. Außerdem hält es der Senat für erforderlich, ein Gutachten der Abnehmer (des Importhandels) anzufordern. ...
Die Vorinstanz vertritt in ihrer Entscheidung die Auffassung, daß nach der Entstehungsgeschichte der Wille des Gesetzgebers dahin gegangen sei, in Absatz B der Tarifnr. 8456 nur die rechnenden Schreibmaschinen (Schreibmaschinen mit einem oder mehreren Rechenwerken, sogenannten Schreib-Buchungsmaschinen) zu erfassen. Absatz B der Tarifnr. 8456 sei ungenau formuliert. Selbst wenn dies zutreffen sollte, so ist dieser Wille des Gesetzgebers aber in dem Gesetz, das im Absatz B der Tarifnr. 8456 rechnende Schreibmaschinen und rechnende Buchungsmaschinen aufführt, nicht zum Ausdruck gekommen und auch nicht aus dem durchaus klaren Wortlaut dieser Tarifstelle und auch nicht aus dem Sinnzusammenhang zu entnehmen. Er kann deshalb bei der Tarifauslegung nicht berücksichtigt werden, "Die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der auszulegenden Bestimmung ist nicht entscheidend. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer Auslegung bestätigt, die sich aus dem in der Gesetzesvorschrift zum Ausdruck gekommenen objektivierten Willen des Gesetzgebers, dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg nicht ausgeräumt werden können." (Vgl. Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. I S. 299/312). Auch nur in diesem Sinn hat der Bundesfinanzhof in dem von der Vorinstanz angezogenen Urteil V z 77/53 vom 31. Juli 1953 (Slg. Bd. 58 S. 28 = BStBl. 1953 III S. 301) auf die Entstehungsgeschichte zurückgegriffen.
Aus diesen Gründen war, wie geschehen, die Sache, zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 318 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO), die Entscheidung über die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 320 Abs. 3 AO.
Fundstellen
Haufe-Index 408140 |
BStBl III 1955, 179 |
BFHE 1955, 471 |
BFHE 60, 471 |