Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Nachholung früher unterlassener Nutzungen kann in der Regel als außerordentliche Waldnutzung gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1953 angesehen werden.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 3, § 34b
Tatbestand
Streitig ist, ob die Nachholung unterlassener ordentlicher Nutzungen als außerordentliche Waldnutzung gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1953 steuerbegünstigt ist.
Der Bf. ist Brauerei- und Gutsbesitzer; außerdem gehört ihm eine forstwirtschaftliche Gesamtholzfläche von 46,64 ha, bei der ein Bestandsvergleich für das stehende Holz nicht vorgenommen wird. Nach einer Bescheinigung des staatlichen Forstverwalters beträgt die jährliche Normalnutzung 180 fm. Im Wirtschaftsjahr 1953 hat der Bf. einen Mehreinschlag von 324 fm zur Deckung des Kapitalbedarfes für den Neubau des Brauereigebäudes vorgenommen. Er beantragt, den vollen Mehreinschlag als außerordentliche Waldnutzung gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1953 steuerlich zu begünstigen. Das Finanzamt hat jedoch den überhieb um Mindereinschläge der Wirtschaftsjahre vom 1. Juli 1949 bis 30. Juni 1953 von insgesamt 220 fm gekürzt und nur 104 fm als außerordentliche Waldnutzung anerkannt. Nach der Auffassung des Finanzamts bedeutet die Nachholung ordentlicher Nutzungen keine gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1953 begünstigte außerordentliche Nutzung. Forstwirtschaftliche Gründe lägen für die Mindereinschläge in den Vorjahren nicht vor; somit könne auch bei voller Anerkennung des besonderen Kapitalbedarfes des Bf. hinsichtlich der nachgeholten Nutzungen das Vorliegen wirtschaftlicher Gründe nicht anerkannt werden.
Das Finanzgericht ist der Auffassung des Finanzamts gefolgt und hat noch ausgeführt, daß eine außerordentliche Waldnutzung im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG 1953 im allgemeinen nur dann angenommen werden könne, wenn Eingriffe in die Substanz des Waldbestandes vorlägen.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Rb. hat der Bf. ausgeführt, daß weder aus dem Wortlaut des Gesetzes, das erst ab 1955 Nachholnutzungen vor den außerordentlichen Nutzungen ausnehme, noch aus Rechtsprechung oder Schrifttum der Abzug nachgeholter Nutzungen von dem steuerbegünstigten überhieb des Streitjahres gerechtfertigt sein könne. Die Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG 1953 wolle besonders hohe Gewinne, die bei der Eigenart der Forstwirtschaft in manchen Jahren entstehen, von der vollen Progression der Einkommensteuer ausnehmen. Die vom Finanzgericht vertretene Auffassung widerspreche dem Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Vorschrift.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Als außerordentliche Waldnutzungen gelten gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 EStG 1953 ohne Unterschied der Betriebsart alle aus wirtschaftlichen Gründen gebotenen Nutzungen, die über die nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen nachhaltig zu erzielenden jährlichen regelmäßigen Nutzungen hinausgehen. Das Finanzgericht vertritt die Auffassung, daß eine außerordentliche Waldnutzung grundsätzlich nur dann vorliege, wenn über die für eine ordnungsmäßige Nutzung festgelegte Holzmenge hinaus, und zwar nicht nur über die des laufenden Wirtschaftsjahres, sondern auch über die der vorangegangenen Wirtschaftsjahre, eingeschlagen werde. Es müsse also im allgemeinen ein Eingriff in die Substanz vorliegen, die bei Einhaltung des jährlichen Hiebsatzes noch vorhanden wäre. Der Einschlag der planmäßig vorgesehenen Holzmenge sei eine ordentliche Nutzung, und zwar auch dann, wenn er erst in einem späteren Jahre erfolge. Die Nachholung ordentlicher Nutzungen könne daher selbst dann nicht zu einer Steuervergünstigung führen, wenn der Erlös daraus zur Deckung eines dringenden Kapitalbedarfes benötigt worden sei.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Wie der Reichsfinanzhof in der auch vom Finanzgericht angezogenen Entscheidung VI A 41/28 vom 11. Juli 1928 (Steuer und Wirtschaft 1928 Nr. 571), die den im wesentlichen mit § 34 Abs. 3 EStG gleichlautenden § 59 EStG 1925 betraf, ausgeführt hat, bringt es der Betrieb der Forstwirtschaft mit sich, Wirtschaftspläne auf lange Sicht aufzustellen und in ihnen die nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen jährlich zu erzielenden Nutzungen festzulegen. Dabei könne der zunächst aufgestellte Wirtschaftsplan im Laufe der Zeit zu unwirtschaftlichen Einsparungen führen, die möglichst rasch beseitigt werden müßten, oder aber die persönliche Ansicht des Waldbesitzers über die nachhaltig zu erzielenden jährlichen regelmäßigen Waldnutzungen könne sich ändern. In allen diesen Fällen könne es vorkommen, daß frühere Einsparungen - sei es nun, daß sie sich wirklich als solche darstellten oder nur für solche gehalten würden - nachgeholt würden. In diesen Fällen entspreche es dem Wortlaut des § 59 EStG 1925, die Vergünstigung zu gewähren, ohne daß es darauf ankomme, ob in den Waldbestand, also in die Substanz, eingegriffen worden sei.
Aber auch bei einem gleichbleibenden Wirtschaftsplan bringt es der auf lange Sicht abgestellt forstwirtschaftliche Betrieb mit sich, daß aus forstwirtschaftlichen oder sonstigen wirtschaftlichen Gründen in manchen Jahren Einsparungen erfolgen, während in anderen Jahren erhöhte Einschläge vorgenommen werden. Durch die Steuerbegünstigung des § 34 Abs. 3 EStG 1953 sollen Härten vermieden werden, die sich daraus ergeben, daß der aus einem überhieb erzielte Gewinn, der wirtschaftlich in der Regel zum großen Teil auf vorhergegangene Wirtschaftsjahre entfällt, der Steuerprogression eines Jahres unterworfen wird. Es würde diesem Zweck der Steuerbegünstigung forstwirtschaftlicher Betriebe widersprechen, wollte man in solchen Fällen nachprüfen, ob die in den Vorjahren erfolgten Einsparungen aus forstwirtschaftlichen oder sonstigen Erwägungen heraus als berechtigt anzuerkennen sind.
Auch die in § 34 Abs. 3 EStG 1953 gegebene Begriffsbestimmung stellt nur darauf ab, ob eine Nutzung über die jährliche regelmäßige Nutzung hinausgeht. Ein Eingriff in die Substanz wird für das Vorliegen einer außerordentlichen Nutzung ebensowenig gefordert wie die Berücksichtigung von in den Vorjahren erfolgten Einsparungen. Die Frage der nachgeholten Nutzungen ist erstmalig in § 34 b EStG 1955 gesetzlich in der Weise geregelt worden, daß die außerordentliche Nutzung eines Wirtschaftsjahres um die in den letzten drei Wirtschaftsjahren eingesparten Nutzungen (nachgeholte Nutzungen) zu kürzen ist, wobei gemäß § 34 Abs. 3 Ziff. 2 EStG 1955 für diese Nachholnutzungen die Einkommensteuer nach dem durchschnittlichen Steuersatz festzusetzen ist, der sich bei Anwendung der Einkommensteuertabelle auf das Einkommen ohne Berücksichtigung der Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen, nachgeholten Nutzungen und Holznutzungen infolge höherer Gewalt ergibt. Da hiernach auch unter der Herrschaft des EStG 1955 die Nachholnutzungen steuerlich insoweit begünstigt bleiben als die Steuerprogression vermieden oder gemildert wird, so kann nicht angenommen werden, daß für die vorhergehende Zeit, für die eine gesetzliche Regelung fehlt, die volle Steuerprogression hinsichtlich der Nachholnutzungen zum Zuge kommen sollte. Für die Zeit bis zum Inkrafttreten dieser gesetzlichen Neuregelung, also bis zum 31. Dezember 1954, ist daher im Gegensatz zu der Auffassung des Finanzgerichts nicht zu prüfen, ob durch eine über den Jahresnutzungssatz hinausgehende Waldnutzung in die Substanz eingegriffen oder ob in ihr etwa die Nachholung früher unterlassener Einschläge enthalten ist. Den vom Finanzgericht geäußerten Bedenken, daß es vorwiegend in der Hand des Steuerpflichtigen liege, den Zeitpunkt und den Umfang der Holzeinschläge zu bestimmen, wird dadurch Rechnung zu tragen sein, daß in Fällen, in denen nur aus Gründen der Steuerersparnis Mindereinschläge gemacht werden, das Vorliegen wirtschaftlicher Gründe für die außerordentliche Nutzung eines späteren Wirtschaftsjahres verneint wird. Um solchen Mißbräuchen vorzubeugen, ist die bereits erwähnte Regelung in § 34 b EStG 1955 erfolgt.
Da die Vorentscheidung dies verkannt hat, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Weder die Höhe der außerordentlichen Waldnutzung noch das Vorliegen wirtschaftlicher Gründe - der durch den Neubau des Brauereigebäudes bedingte, auch vom Finanzamt in seiner Stellungnahme zur Sprungberufung ausdrücklich anerkannte Kapitalbedarf - sind streitig. Der Akteninhalt ergibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Bf. die Einsparung der Vorjahre etwa in der Absicht der Steuerersparnis gemacht hätte.
Fundstellen
Haufe-Index 424167 |
BStBl III 1960, 199 |
BFHE 1960, 534 |
BFHE 70, 534 |