Leitsatz (amtlich)
1. Mietet der Arbeitgeber eine Wohnung und überläßt er die Wohnung einem Arbeitnehmer zu einer Miete, die unter der von ihm selbst gezahlten Miete liegt, so ist Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1960 in der Regel nicht anwendbar.
2. Diese Bestimmung gilt auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber die von ihm gemietete Wohnung mit Einrichtungsgegenständen ausstattet und in der Form von möblierten Zimmern an Arbeitnehmer vermietet.
Normenkette
EStG 1960 § 8; LStDV 1959 § 3 Abs. 1; LStR 1960 Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte ist eine GmbH. Ihr Alleingesellschafter hat aus eigenen Mitteln und einem 7c-Darlehen der Revisionsbeklagten ein Mietwohnhaus errichtet und an die Revisionsbeklagte vermietet. Die Revisionsbeklagte hat die Wohnungen an ihre Arbeitnehmer weitervermietet; einige Wohnungen sind möbliert und in Einzelzimmern an Arbeitnehmerinnen vermietet.
Das FA sah als angemessenen Mietpreis für die Wohnungen 1,80 DM bzw. 2 DM je qm und für die möblierten Zimmer 2,84 DM je qm an, rechnete den nach Abzug der tatsächlichen Miete sich ergebenden Unterschiedsbetrag zum Arbeitslohn und unterwarf ihn mit 20 v. H. der Lohnsteuer. Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG führte aus, da geldwerte Vorteile mit den von dem Arbeitnehmer ersparten Aufwendungen anzusetzen seien, müsse als Wohnungsentgelt die preisgebundene Miete angesetzt werden, sofern der Arbeitnehmer nach den bestehenden Bestimmungen zu diesem Marktbereich Zugang gehabt habe und die Wohnung nach ihrer Eigenart dem dort angebotenen Wohnungstyp entspreche. Im Streitfall seien die maßgebenden Mieten für die unmöbliert vermieteten Wohnungen dem Markt für öffentlich geförderte Wohnungen zu entnehmen, da die Ausstattung der Wohnungen, wie auch das FA annehme, diesem Wohnungstyp entspreche und nach den Einkommensverhältnissen der begünstigten Arbeitnehmer angenommen werden könne, daß sie andernfalls eine öffentlich geförderte Wohnung erlangt hätten. Bei Anwendung der maßgebenden Bestimmungen erscheine es angemessen, die maßgebliche Miete für die Wohnungen mit 1,60 DM je qm anzusetzen. Den Unterschied gegenüber der von den Arbeitnehmern gezahlten Miete zog das FG auf Grund des Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1960 nicht zur Lohnsteuer heran, weil er unter 20 DM je Wohnung liege. Für die möbliert vermieteten Wohnungen hielt es einen Quadratmeterpreis von 2,40 DM je qm für angemessen. Es vertrat die Ansicht, Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1960 sei auch auf möbliert vermietete Zimmer anzuwenden. Da der Mietvorteil je Zimmer ersichtlich unter 20 DM liege, sei die Mietverbilligung nicht lohnsteuerpflichtig.
Im Revisionsverfahren wird die lohnsteuerliche Behandlung der unmöbliert vermieteten Wohnungen, wie sie vom FG durchgeführt wurde, vom FA nicht mehr angegriffen. Auch gegen den Ansatz eines Quadratmeterpreises von 2,40 DM für die als Einzelzimmer vermieteten Wohnungen erhebt das FA keine Einwendungen. Streitig ist nur noch, ob in diesen Fällen bei der Überlassung der Zimmer an die Arbeitnehmerinnen zu einem niedrigeren Quadratmeterpreis Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1960 Anwendung findet.
Das FA ist der Meinung, diese Bestimmung gelte nicht für die Überlassung von möblierten Zimmern. Den Begriff der Wohnung erfülle nur eine abgeschlossene Wohneinheit mit abgetrennter Küche oder Kochstelle. Bei Wohnungen handele es sich um entsprechend größere Wohneinheiten. Eine Abrundung von 20 DM sei hier angemessen. Dagegen falle bei Zimmern mit erheblich geringerer Wohnfläche der Betrag von 20 DM so stark ins Gewicht, daß die Anwendung der der Vereinfachung dienenden Bestimmung des Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1960 einem nichtgewollten Steuerfreibetrag gleichkäme. So wären, wenn man dem FG folgen würde, im Streitfall bei den nichtmöbliert vermieteten Wohnungen insgesamt nur 20 DM anzusetzen, bei den möblierten Wohnungen mit gleicher Wohnfläche dagegen zwei- bzw. dreimal 20 DM. Zudem sei zu berücksichtigen, daß kein möbliertes Zimmer für 2,40 DM je qm zu haben sei. Es handele sich hierbei um einen gerade noch vertretbaren Mindestsatz; die Bewilligung eines zusätzlichen Freibetrages erscheine deshalb in diesen Fällen doppelt ungerechtfertigt.
Das FA beantragt, die zusätzlich zu erhebende Lohnsteuer auf 1 595,21 DM festzusetzen.
Die Revisionsbeklagte trägt vor, es handele sich bei den streitigen Räumen nicht um möblierte Zimmer im landläufigen Sinn, bei denen der die Wohnung nutzende Hauptmieter einen Teil der von ihm selbst genutzten Wohnung einem Dritten zur Teilnutzung überlasse. Im Streitfall leite vielmehr jeder Inhaber eines möblierten Zimmers sein Mietrecht unmittelbar von der Revisionsbeklagten ab. Außerdem fehle jede Betreuung durch eine Hauptmieterin. Es fehle zudem die Gestellung von Wäsche und sonstigen Einrichtungsgegenständen wie Tischdecken, Blumenvasen u. ä., die zur Einrichtung eines möblierten Zimmers gehörten. Deshalb sei der Preisvergleich mit einem echten möblierten Zimmer verfehlt. Die von den Mieterinnen zu zahlende Miete liege in mehreren Fällen mit weniger als 20 DM unter den vom FG angenommenen angemessenen Mietpreis.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Als steuerpflichtig ist nach Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1960 nicht anzusehen bei Gewährung von freien oder verbilligten Wohnungen in werkseigenen Gebäuden (Werkswohnungen, Dienstwohnungen) der Unterschiedsbetrag zwischen dem Preis, zu dem die Wohnung überlassen wird, und dem ortsüblichen Mietpreis, wenn der Unterschied 20 DM monatlich nicht übersteigt. Der Senat hat im Urteil VI 31/61 U vom 8. September 1961 (BFH 73, 606, BStBl III 1961, 487) diese Bestimmung als eine auch von den Steuergerichten zu beachtende, fortgeltende rechtsnormähnliche Bestimmung aus der autoritären Zeit angesehen. Er hat allerdings im Urteil VI R 328/66 vom 8. März 1968 (BFH 92, 96, BStBl II 1968, 459) diese Beurteilung in Zweifel gezogen, ohne jedoch zu einer abweichenden Entscheidung zu kommen, da es im Streitfall des dortigen Urteils hierauf nicht ankam. Er läßt diese Frage auch bei der jetzigen Entscheidung dahingestellt, da es auf sie letztlich nicht ankommt. Mit der ab 1968 erfolgten Erhöhung des Freibetrags von 20 DM auf 40 DM hat die Bestimmung in jedem Fall ihren rechtsnormähnlichen Charakter verloren (vgl. das Urteil des Senats VI 46/64 U vom 5. Februar 1965, BFH 82, 155, BStBl III 1965, 302).
Den Begriff der "werkeigenen Wohnungen" hat der Senat im Urteil VI 219/61 U vom 9. Februar 1962 (BFH 74, 441, BStBl III 1962, 165) erweiternd dahin ausgelegt, daß hierunter nicht nur Wohnungen fallen, die bürgerlichrechtlich im Eigentum des Werks stehen. Es genügt, daß sie wirtschaftlich eng mit dem Werk verbunden sind. Das ist z. B. der Fall, wenn die Wohnungen nur an Werksangehörige vermietet werden. Ob unter den Begriff "Wohnungen" in diesem Sinn auch möblierte Zimmer fallen, hat der Senat im Urteil VI R 328/66 (a. a. O.) dahingestellt sein lassen. Die Frage ist vom FG Baden-Württemberg verneint (EFG 1967, 118), vom FG in Hannover bejaht worden (EFG 1966, 194).
Der Zweck der Bestimmung des Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1960 ist, wie der Senat mehrfach betont hat, kleinliche Auseinandersetzungen über die ortsübliche Miete für Werkswohnungen, die oft nicht einfach zu ermitteln ist, dadurch zu vermeiden, daß eine mögliche Mietersparnis, die nicht die Grenze von 20 DM übersteigt, außer Ansatz bleiben soll (Urteile des Senats VI 219/61 U, a. a. O., und VI R 328/66, a. a. O.). Die Freigrenze in Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1960 hat nicht den Charakter eines zusätzlichen steuerlichen Vorteils für die Inhaber von Werkswohnungen.
Für die Anwendung dieser Bestimmung ist also dort kein Raum, wo die ortsübliche Miete unschwer zu ermitteln ist. Mietet der Arbeitgeber eine bestimmte Wohnung von einem Dritten und überläßt er diese Wohnung unentgeltlich oder verbilligt seinem Arbeitnehmer, so ist, wie der Senat im Urteil VI 219/61 U (a. a. O.) ausgeführt hat, in der Regel die ortsübliche Miete die vom Arbeitgeber selbst bezahlte Miete. Das gleiche muß gelten, wenn mehrere Wohnungen - im Streitfall ein ganzes Mietwohnhaus - angemietet werden. In solchen Fällen bedarf es gewöhnlich keiner Schätzung, um die ortsübliche Miete zu ermitteln. Fordert der Arbeitgeber in solchen Fällen vom Arbeitnehmer eine geringere Miete als er selbst bezahlt, so liegt in dem Unterschied ein geldwerter Vorteil für den Arbeitnehmer, der voll zu erfassen ist. Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR gilt für diese Fälle grundsätzlich nicht.
Im Streitfall hat die Revisionsbeklagte die in Betracht kommenden Wohnungen von ihrem alleinigen Gesellschafter, dem sie für deren Errichtung ein 7c-Darlehen gewährt hatte, gemietet. Offenbar haben diese engen Beziehungen aber auf die Bildung des Mietpreises keinen Einfluß gehabt. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Revisionsbeklagten ist die Festsetzung einer von den mietpreisrechtlichen Bestimmungen abweichenden Miete unterblieben, weil andernfalls die Gewährung des 7c-Darlehens als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt worden wäre. Es kann hiernach im Streitfalle davon ausgegangen werden, daß die von der Revisionsbeklagten gezahlte Miete die ortsübliche Miete war. Über die Angemessenheit dieser Miete besteht denn auch zwischen den Beteiligten kein Streit mehr. Nach den vorstehenden Darlegungen wäre also für die Anwendung des Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1960 kein Raum gewesen. Da insoweit aber kein Streit mehr besteht, kann diese Frage dahingestellt bleiben.
Steht aber die ortsübliche Miete für Wohnungen, die der Arbeitgeber gemietet und an seine Arbeitnehmer unmöbliert weitervermietet hat, fest, so können Unklarheiten, die im Fall der Möblierung entsprechender Wohnungen durch den Arbeitgeber und möblierten Weitervermietung an seine Arbeitnehmer über den Mietwert entstehen, nur eine Folge der Ausstattung der Wohnräume mit Möbeln und sonstigen Einrichtungsgegenständen (Vorhängen, Teppichen usw.) sein. Es ist, wie der Revisionsbeklagte in der Klageschrift selbst zutreffend betont hat, in solchen Fällen zu unterscheiden zwischen dem Mietpreis für die Wohnungen und dem für die Möblierung, mögen auch beide Elemente in einem einheitlichen Gesamtmietpreis aufgehen. Auf die verbilligte Überlassung von Mobilar an Arbeitnehmer ist aber die Bestimmung des Abschn. 2 Abs. 2 Nr. 4 LStR 1960, der ausdrücklich nur von Wohnungen spricht, nicht anwendbar.
Der Unterschied zwischen dem Mietwert der möbliert überlassenen Räume, der von den Beteiligten übereinstimmend mit 2,40 DM je qm angenommen wird, und dem von den Arbeitnehmerinnen tatsächlich entrichteten Mietpreis ist hiernach in voller Höhe ein geldwerter Vorteil aus dem Arbeitsverhältnis und als solcher nach § 3 LStDV zur Lohnsteuer heranzuziehen.
Aus der Vorentscheidung sind die Unterlagen zur Berechnung dieses geldwerten Vorteils nicht ersichtlich. Die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen, das die nachzufordernde Lohnsteuer nach den dargelegten Grundsätzen festzusetzen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 425937 |
BStBl II 1972, 490 |
BFHE 1972, 124 |