Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung von Betriebsveräußerungs- oder -aufgabegewinn und laufendem Gewinn
Leitsatz (NV)
Zu den Voraussetzungen für die Annahme eines Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabegewinns, wenn ein Bauträger- und Baubetreuungsunternehmen die eigene werbende Tätigkeit einstellt und die Abwicklung der noch laufenden Projekte einem Dritten überträgt.
Normenkette
EStG §§ 16, 34; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin betrieb ein Bauträger- und Baubetreuungsunternehmen als Einzelunternehmen. Am 25. Oktober 1978 gründeten die Kläger und Revisionskläger (Kläger = Eheleute) eine GmbH, an der der Kläger zu 75 v. H. und die Klägerin zu 25 v. H. beteiligt ist. Am 6. November 1978 schlossen die GmbH und die Klägerin folgenden Vertrag ab:
,,Frau A tritt mit dem heutigen Datum sämtliche Rechte und Pflichten aus bestehenden Kauf- und Bauverträgen sowie sonstigen Verträgen an die GmbH ab. Diese nimmt die Abtretung an. Frau A errichtet Häuser und Wohnungen a) im eigenen Namen auf eigenen Grundstücken als Bauherrin sowie b) auf fremden Grundstücken im eigenen Namen als Baubetreuerin (Generalunternehmerin). Die GmbH übernimmt im oben genannten Fall a) den Restausbau der im Bau befindlichen Projekte bzw. die Realisierung der geplanten Projekte und erhält dafür als Vergütung den Unterschied zwischen dem kalkulierten Verkaufspreis und den Herstellungskosten einschließlich dem Gewinnanteil für die Restabwicklung ab dem Übernahmetag. Die GmbH kann die Bauraten der Ersterwerber einziehen. Sie verrechnet diese mit den Kosten der Endfertigung einschließlich dem Gewinn der GmbH. Der Unterschiedsbetrag ist auszugleichen. Die unter b) genannten Betreuungsvorhaben wird die GmbH in eigener Regie zu Ende führen und abrechnen. Frau A überträgt hierzu sämtliche Rechte und Pflichten aus den Baubetreuungsvorhaben an die GmbH. Diese nimmt die Abtretung an. Die GmbH zahlt den Kaufpreis nach beigefügter Bewertungsaufstellung. Die Zahlung des Kaufpreises kann ggf. gestundet werden, um die erforderliche Liquidität der Firma nicht zu gefährden. Der gestundete Kaufpreis ist mit 6% zu verzinsen." Dem Vertrag lag eine Aktennotiz des Steuerberaters der Klägerin vom gleichen Tag zugrunde, aus der sich u. a. folgendes ergibt:
,,Bei den Bauvorhaben, bei denen Frau A Bauherrin ist, wird mit Geschäftsaufgabe der Gewinn realisiert. Die Bauvorhaben werden ins Privatvermögen übernommen. Der GmbH wird der Restausbau übertragen. Der Preis für den Restausbau bemißt sich nach den Herstellungskosten zuzüglich Gewinnanteil laut Kalkulation des Bauvorhabens . . ."
Bei den im Vertrag vom 6. November 1978 unter a) genannten Objekten handelte es sich um fünf noch nicht fertiggestellte, aber bereits - und zwar schon im Planungsstadium - veräußerte Grundstücke. Bezüglich des Restausbaus dieser Objekte schlossen die Klägerin als Auftraggeberin und die GmbH als Auftragnehmerin einzelne Bauverträge ab. Als Vergütung vereinbarten die Parteien einen Pauschalpreis.
Die Klägerin behandelte diese Vorgänge in ihrer Einkommensteuererklärung 1978 als Aufgabe ihres Betriebs i. S. des § 16 Abs. 3 EStG. Dabei ging sie davon aus, daß sie die im Vertrag unter a) genannten Objekte in ihr Privatvermögen übernommen habe. Die Klägerin ermittelte einen Aufgabegewinn in Höhe von 1 381 768 DM, wovon nach ihren Berechnungen 440 000 DM auf die Überführung der im Vertrag unter a) genannten Objekte in ihr Privatvermögen entfielen.
Dieser Beurteilung folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zunächst in dem unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid 1978 vom 11. März 1981. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat das FA jedoch die Auffassung, daß im Jahre 1978 lediglich ein Gewinn in Höhe von 941 768 DM aus der Veräußerung der im Vertrag vom 6. November 1978 unter b) genannten Objekte anzusetzen sei. Hinsichtlich der im Vertrag unter a) genannten Objekte sei hingegen eine Gewinnrealisierung - als laufender Gewinn - erst im Jahr der Übergabe der Objekte an die jeweiligen Erwerber, also in den Jahren 1979 und 1980 entstanden. Die auf diese Jahre entfallenden laufenden Gewinne ermittelte das FA mit 225 000 DM für 1979 und 164 500 DM für 1980. Das FA änderte mit Bescheiden vom 11. Februar 1983 bzw. 17. Januar 1983 die Einkommensteuerbescheide 1978 und 1979 entsprechend gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) und erließ am 20. Januar 1983 einen entsprechenden erstmaligen Einkommensteuerbescheid für 1980.
Die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 1979 und 1980 blieben ohne Erfolg. Auch die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der die Verletzung der §§ 16, 34 EStG und des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 gerügt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG-Urteil verletzt weder §§ 16, 34 EStG noch § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977. Die Klägerin hat die Objekte nach Buchst. a des Vertrags vom 6. November 1978 (Eigenobjekte) weder im Rahmen einer Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG) noch im Rahmen einer Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) veräußert oder in ihr Privatvermögen überführt. Vielmehr hat sie mit der Übertragung der Eigenobjekte auf die Käufer in den Streitjahren laufende Gewinne erzielt, die der Besteuerung nach dem Tarif unterliegen.
1. Eine Veräußerung des Betriebs i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt nur vor, wenn der Veräußerer alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang entgeltlich auf einen Erwerber überträgt und damit seine bisherige gewerbliche Betätigung mit dem bisherigen Betriebsvermögen beendet (Urteil des Senats vom 24. Juli 1986 IV R 137/84, BFHE 147, 352, BStBl II 1986, 808).
a) Die Klägerin hat die Eigenobjekte nicht an die GmbH veräußert. Ein Vertrag über die Übertragung des Eigentums an diesen Objekten von der Klägerin auf die GmbH ist nicht abgeschlossen worden. Die Klägerin und die GmbH haben lediglich vereinbart, daß die GmbH gegen Entgelt die zu errichtenden Gebäude fertigstellte. Dabei handelte es sich um einen Werkvertrag i. S. der §§ 631 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der die Eigentumsverhältnisse am Grund und Boden und den Baulichkeiten unberührt ließ. Die GmbH ist auch nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Eigenobjekte geworden. Wirtschaftlicher Eigentümer eines Wirtschaftsguts ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977, wer die tatsächliche Sachherrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, daß er den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt. Die GmbH hat hinsichtlich der Eigenobjekte der Klägerin keine rechtliche und wirtschaftliche Stellung erlangt, die wesentlich von der eines Auftragnehmers bei einem Werkvertrag abweicht. Sie konnte und wollte einen Gewinn aus der Durchführung von Bauarbeiten für die Klägerin realisieren, nicht jedoch Gewinne aus der Veräußerung der bebauten Grundstücke an die Erwerber. Dies ergibt sich eindeutig aus den vertraglichen Vereinbarungen. Danach mußte die GmbH die Kaufpreiszahlungen der Erwerber an die Klägerin weiterleiten und durfte von den Kaufpreisraten lediglich ihren Werklohnanspruch abziehen. Gewollt war somit, daß entsprechend der bürgerlich-rechtlichen Lage die Klägerin den Käufern das Eigentum an den verkauften Objekten übertrug und als Gegenleistung das vereinbarte, wenn auch zunächst von der GmbH vereinnahmte Entgelt erhielt. Die GmbH hatte hinsichtlich des Entgelts im Verhältnis zur Klägerin lediglich eine Inkassofunktion. Sie mußte das Entgelt nach Verrechnung mit ihrem Werklohnanspruch an die Klägerin weiterleiten. So sind die Klägerin und die GmbH auch verfahren. Die Auflassung ist von der Klägerin erklärt worden, und die GmbH hat die Kaufpreiszahlungen nach Abzug ihrer Werklohnansprüche an die Klägerin weitergeleitet. Insgesamt ergibt sich daraus, daß die Klägerin entsprechend ihrem unternehmerischen Konzept Gewinne aus der Veräußerung bebauter Grundstücke durch Veräußerung erzielt hat. Die Vereinbarungen mit der GmbH haben insoweit lediglich bewirkt, daß ein Teil der Bauarbeiten nicht mehr von der Klägerin selbst, sondern von der GmbH durchgeführt wurde. Das hat aber nur zur Folge gehabt, daß der Gewinn der Klägerin sich entsprechend verringerte, da die GmbH, was ihrem Geschäftszweck entsprach, von der Klägerin nicht nur Kostenersatz erhielt, sondern auch einen Gewinn aus ihren Bauleistungen erzielte.
b) Eine Betriebsveräußerung i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 28. März 1985 IV R 88/81, BFHE 143, 559, BStBl II 1985, 508) allerdings auch vor, wenn einzelne Wirtschaftsgüter, die nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, nicht auf den Erwerber übertragen, sondern vom Veräußerer zurückbehalten und anderweitig verwertet werden. Werden solche Wirtschaftsgüter in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der wesentlichen Betriebsgrundlagen in das Privatvermögen des Veräußerers überführt, so liegt auch hinsichtlich des sich aus der Überführung der Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen ergebenden Gewinns ein begünstigter Veräußerungsgewinn vor (BFH-Urteil vom 24. Juli 1962 I 280/61 U, BFHE 75, 414, BStBl III 1962, 418).
Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Bei den Grundstücken und den darauf errichteten Einfamilienhäusern handelte es sich um Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens der Klägerin (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 1974 VIII R 61-62/73, BFHE 114, 354, BStBl II 1975, 352). Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 12. März 1964 IV 107/63 U, BFHE 79, 476, BStBl III 1964, 406; vom 16. September 1966 VI 118, 119/65, BFHE 87, 134, BStBl III 1967, 70, und vom 25. Juni 1970 IV 350/64, BFHE 99, 479, BStBl II 1970, 719) können Wirtschaftsgüter dieser Art anläßlich einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe nicht mit der Absicht in das Privatvermögen überführt werden, sie bei sich bietender Gelegenheit zu verkaufen. In Verkaufsgeschäften dieser Art ist nach der Rechtsprechung des BFH vielmehr eine Fortführung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit zu sehen. Gewinne aus Veräußerungsgeschäften dieser Art gehören nicht zum begünstigten Veräußerungs- oder Aufgabegewinn, sondern zu dem der Besteuerung nach dem Tarif unterliegenden laufenden Gewinn (BFH-Urteile in BFHE 99, 479, BStBl II 1970, 719, und vom 2. Juli 1981 IV R 136/79, BFHE 134, 23, BStBl II 1981, 798). Dies gilt erst recht, wenn, wie im Streitfall, die zur Veräußerung verpflichtenden Verträge noch vor der Einstellung der werbenden Tätigkeit abgeschlossen und die danach erfolgenden Veräußerungen in Erfüllung dieser Verträge erfolgen.
2. Aus den 1. dargelegten Gründen scheidet auch die Annahme aus, die Grundstücke mit den noch fertigzustellenden Bauten seien vor der Veräußerung im Rahmen einer Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) in das Privatvermögen der Klägerin gelangt. Die Klägerin hat mit der Übertragung der Rechte und Pflichten aus den Bau- und Baubetreuungsverträgen (Objekte im Sinne von Buchst. b des Vertrags vom 6. November 1978) und der Veräußerung der Eigenobjekte ihre eigene gewerbliche Tätigkeit nicht eingestellt. Eine Betriebsaufgabe i. S. des § 16 Abs. 3 EStG liegt nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Urteil vom 5. Juli 1984 IV R 36/81, BFHE 141, 325, BStBl II 1984, 711) vor, wenn aufgrund eines Entschlusses des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, die bisherige gewerbliche Tätigkeit endgültig eingestellt und alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang entweder insgesamt in das Privatvermögen überführt oder insgesamt einzeln an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt werden und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. unter 1. b) ist diese Voraussetzung aber nicht erfüllt, soweit Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, wie im Streitfall, entsprechend dem Betriebszweck an die Kunden veräußert werden. Die hieraus entstehenden Gewinne unterliegen der Besteuerung nach dem Tarif.
Danach war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 415655 |
BFH/NV 1988, 558 |