Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Heranziehung von Aktien und Anteilen an Kapitalgesellschaften zur Vermögensabgabe im Rahmen von § 24 Ziff. 2 LAG genügt es, daß diese in den Tätigkeitsbereich eines Ausschusses für Geschäfte in amtlich nicht notierten Werten im Geltungsbereich des GG oder in Berlin (West) einbezogen waren, ohne daß es tatsächlicher Umsätze bedarf.

 

Normenkette

LAG § 24 Ziff. 2; 10. AbgabenDV-LA 39/1; 10-AbgabenDV-LA 39/2

 

Tatbestand

Der Bf. wurde zur Vermögensabgabe veranlagt. Hierbei erfaßte das Finanzamt auch Aktien einer AG, die der Bf. am 21. Juni 1948 besaß. Das Finanzamt berücksichtigte diese Aktien mit dem gemeinen Wert von ... DM je 100 DM Anteil und setzte hiervon gemäß § 24 Ziff. 2 LAG die Hälfte bei der Berechnung der Vermögensabgabe an.

Gegen die Veranlagung legte der Bf. Einspruch ein. Er begehrte, die Aktien der AG außer Ansatz zu lassen, da sie vor dem 31. Dezember 1948 weder im amtlichen Verkehr an der Börse zugelassen gewesen noch im Freiverkehr gehandelt worden seien.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung der Berufung führte der Bf. aus, es komme für einen Ansatz der Aktien bei der Vermögensabgabe nach § 24 Ziff. 2 LAG nicht auf die bloße Einbeziehung dieser Aktien in den Tätigkeitsbereich eines Ausschusses für Geschäfte in amtlich nicht notierten Werten an, sondern allein darauf, ob solche Aktien überhaupt einmal im Freiverkehr "gehandelt" worden seien. Ein solcher Freiverkehr habe bei den genannten Aktien aber nie stattgefunden. § 39 Abs. 1 und Abs. 2 der Zehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (10. AbgabenDV- LA) von 28. Juni 1954 (BGBl 1954 I S. 161) sei rechtswidrig, soweit dort bestimmt werde, Aktien unterlägen bereits dann der Vermögensabgabe, wenn sie in den Tätigkeitsbereich eines Ausschusses für Geschäfte in amtlich nicht notierten Werten im Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG) oder in Berlin (West) einbezogen waren (geregelter Freiverkehr). § 39 a. a. O. stehe hier in Widerspruch zu § 24 Ziff. 2 LAG, dort sei die Vermögensabgabepflicht bei Aktien im Freiverkehr von einem tatsächlichen Handel abhängig gemacht worden.

Die Vorinstanz wies die Berufung als unbegründet zurück. Sie ging in tatsächlicher Hinsicht davon aus, daß die Aktien der AG bis 31. Dezember 1948 in den Tätigkeitsbereich des Ausschusses für Geschäfte in amtlich nicht notierten Werten an der Börse in Frankfurt am Main einbezogen waren. Nach Ansicht des Finanzgerichts ergibt sich dies sowohl aus der Aufnahme dieser AG in das zu § 24 Ziff. 2 LAG vom Bundesminister der Finanzen erlassene Verzeichnis der betreffenden Gesellschaften (vgl. BStBl 1955 I S. 81) wie auch aus der Bestätigung der Börse in Frankfurt am Main gegenüber dem Bundesminister der Finanzen. Diese Bestätigung habe der Bundesminister der Finanzen inhaltlich der AG mitgeteilt. In rechtlicher Hinsicht sah die Vorinstanz § 39 der 10. AbgabenDV-LA als rechtsgültig an. Entsprechend den Abs. 1 und 2 a. a. O. seien die Aktien des Bf. zu Recht vom Finanzamt zur Vermögensabgabe herangezogen worden, weil sie in den geregelten Freiverkehr einbezogen gewesen wären. Soweit es § 24 Ziff. 2 LAG auf den Freiverkehr abstelle, lehne sich der Gesetzeswortlaut an die Börsensprache an. Da nach dem Sprachgebrauch der Börsen der Freiverkehr nicht nur den geregelten Freiverkehr, sondern auch den sogenannten Telefonverkehr umfasse, habe § 39 der 10. AbgabenDV-LA in zulässiger Weise den Gesetzeswortlaut ausgelegt.

Mit der Rb. wird mangelnde Sachaufklärung und unrichtige Anwendung des bestehenden Rechtes gerügt. Es stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, wenn das Finanzgericht es ungeprüft gelassen habe, ob die Einbeziehung der Aktien in den Freiverkehr zu Recht erfolgt und ob diese Einbeziehung bis zum 31. Dezember 1948 beibehalten worden sei. Daneben habe das Finanzgericht verkannt, daß § 39 Abs. 1 und 2 der 10. AbgabenDV-LA dem klaren Wortlaut von § 24 Ziff. 2 LAG widerspreche und deshalb nicht anzuwenden sei.

Der Senat hat an die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Wertpapierbörsen ein schriftliches Auskunftsersuchen gerichtet. Nach dem Antwortschreiben waren die Aktien der AG nur in den Tätigkeitsbereich des Ausschusses für Geschäfte in amtlich nicht notierten Werten an der Frankfurter Wertpapierbörse einbezogen, und zwar seit etwa 1935. Umsätze in Aktien der AG seien nicht bekannt geworden. Es lasse sich infolgedessen auch nicht feststellen, welche Umsätze vor dem 31. Dezember 1948 vorgekommen seien.

Weiterhin hat der Senat den Bundesminister der Finanzen um Beantwortung einiger Fragen gebeten, die der Bundesminister der Finanzen im wesentlichen wie folgt beantwortet.

Die Gründe, die für die Bestimmung des 31. Dezember 1948 als maßgebenden Zeitpunkt für die Heranziehung von Aktien zur Vermögensabgabe in § 39 Abs. 1 der 10. AbgabenDV-LA ausschlaggebend gewesen seien, seien in der amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift (abgedruckt in der Lose-Blatt-Ausgabe des LAG im Anschluß an die 10. AbgabenDV-LA), insbesondere in den Absätzen 3 und 4 dargelegt.

Die Fassung des § 24 Ziff. 2 LAG beruhe nicht, jedenfalls nicht unmittelbar, auf der Stellungnahme vom 2. Januar 1951 des Sonderausschusses Lastenausgleich beim Deutschen Bundesrat (2. Teil, 1. Abschn. Nr. 4 der Bundesrats-Drucksache 1080/50). Die Heranziehung der Aktien zur Vermögenabgabe, wie sie § 24 Ziff. 2 LAG vorsehe, sei auf Grund eines in der zweiten Lesung des Gesetzentwurfes über den Lastenausgleich im Plenum des Deutschen Bundestags eingebrachten Initiativantrages beschlossen worden. Bei der Begründung dieses Antrages sei ausdrücklich betont worden, daß der Vorschlag "sich mit dem Vorschlag des Bundesrates decke". Ausschußberatungen hätten hierzu nicht mehr stattgefunden. Durch die übernahme des Bundesrats-Vorschlages in dem vom Plenum alsdann angenommenen Initiativantrag sei eine ursprünglich nicht als Gesetzeswortlaut bestimmte, lediglich auf das Grundsätzliche beschränkte Fassung Gesetzestext geworden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Nach § 24 Ziff. 2 LAG sind bei der Veranlagung zur Vermögensabgabe Aktien mit dem halben Wert anzusetzen, soweit sie vor dem 31. Dezember 1948 zum amtlichen Verkehr an der Börse zugelassen waren oder im Freiverkehr gehandelt worden sind. Unstreitig sind die Aktien der AG zum amtlichen Verkehr an der Börse nicht zugelassen gewesen.

Nach der Entscheidung des erkennenden Senates III 196/59 U vom 26. April 1963 (BStBl 1963 III S. 372, Slg. Bd. 77 S. 151) ist unter "Freiverkehr" im Sinne von § 24 Ziff. 2 LAG der börsentechnische Begriff "geregelter Freiverkehr" zu verstehen. Nach dieser Entscheidung ist es bei § 39 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 der 10. AbgabenDV-LA (a. a. O.) auf die Zeit vor dem Mai 1945 abzustellen, d. h. auf die Zeit, als es noch einen geregelten Freiverkehr gab. Zu Recht ging das Finanzgericht von einer Einbeziehung der Aktien der AG in den Freiverkehr aus. Eine solche Einbeziehung wurde vom Bf. auch nicht bestritten. Die Tatsache dieser Einbeziehung der Aktien ergab sich für das Finanzgericht aus der Auskunft der Börse in Frankfurt am Main an den Bundesminister der Finanzen. Sie wurde durch die Auskunft der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Wertpapierbörsen an den Senat bestätigt. Auch im Wirtschaftshandbuch 1943 (vgl. dort S. 110), herausgegeben vom Handelsteil der Frankfurter Zeitung, ist die AG unter den Freiverkehrswerten aufgeführt und als Börsenplatz Frankfurt am Main genannt. Hiervon ausgehend war eine weitere Aufklärung durch das Finanzgericht dahin, ob bis zum 31. Dezember 1948 diese Einbeziehung fortbestanden hat, nicht geboten. Ab Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1948 konnte eine änderung nicht stattfinden, weil es nach Beginn der Besatzungszeit bis zum 31. Dezember 1948 einen geregelten Freiverkehr nicht gab.

Zu Recht hat die Vorinstanz ausgesprochen, daß es für die Heranziehung von Aktien und Anteilen für die Vermögensabgabe im Rahmen des § 24 Ziff. 2 LAG genügt, daß diese in den Tätigkeitsbereich eines Ausschusses für Geschäfte in amtlich nicht notierten Werten im Geltungsbereich des GG oder in Berlin (West) einbezogen waren, ohne daß es einer Erörterung über tatsächliche Umsätze bedarf.

Der Entwurf des Gesetzes über einen allgemeinen Lastenausgleich vom Januar 1951 (Bundestagsdrucksache Nr. 1800) sah eine Freistellung sämtlicher Aktien von der Vermögensabgabe vor (vgl. dort § 16 Abs. 2 Nr. 2). Demgegenüber vertrat der Bundesrat die Meinung, eine Heranziehung der Anteilseigner mit ihren Anteilen an Kapitalgesellschaften neben der Heranziehung der Kapitalgesellschaften selbst zur Vermögensabgabe erscheine grundsätzlich zumutbar (vgl. berichtigte Stellungnahme vom 9. Februar 1951 des Sonderausschusses Lastenausgleich beim Bundesrat zu dem Entwurf eines Gesetzes über den allgemeinen Lastenausgleich, Bundesrats-Drucksache Nr. 1080/50 dort 2. Teil, 1. Abschn. unter Nr. 4). Zugleich wollte der Bundesrat in der Stellungnahme die Abgabepflicht aber auf Aktien, Kuxe und sonstige Anteile beschränkt wissen, die zum amtlichen Verkehr an der Börse bis zum 31. Dezember 1948 zugelassen waren oder im Freiverkehr gehandelt worden sind. Dieser Stellungnahme entsprach ein in der 2. Lesung des Gesetzentwurfes eingebrachter Initiativantrag (vgl. S. 9050 ff. der amtlichen Niederschrift über die 208. Bundestagssitzung am 7. Mai 1952). § 24 Ziff. 2 LAG, der diesem Initiativantrag insoweit entspricht, unterscheidet für Zwecke der Vermögensabgabe zwei Gruppen von Aktien und Anteilen. Der Gesetzgeber betrachtete die Erfassung der Anteilseigner mit den Anteilen zur Vermögensabgabe dann als nicht vertretbar, wenn es sich um kleinere Kapitalgesellschaften bzw. Familiengesellschaften handelte; Anteile an größeren Kapitalgesellschaften sollten aber zur Vermögensabgabe erfaßt werden. Es lag nahe, die Trennung dieser beiden Gruppen dahin vorzunehmen, ob es sich um Aktien handelte, deren Handel an der Börse oder im geregelten Freiverkehr erfolgte. Man grenzte also die zwei Gruppen danach ab, ob eine Aktie usw. "börsenfähig" im weiteren Sinne, also unter Einbeziehung des geregelten Freiverkehrs, war. § 24 Ziff. 2 LAG stellt es hiernach auf die Möglichkeit eines Umsatzes in bestimmter Form (Börse oder geregelter Freiverkehr) ab. Bei der Auslegung der Begriffe "zum amtlichen Verkehr an der Börse zugelassen" und "im Freiverkehr gehandelt" in § 24 Ziff. 2 LAG kommt es nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht darauf an, ob ein Umsatz tatsächlich vorgenommen worden ist. Es ist deshalb auch unerheblich, wie der Abgabepflichtige seine Aktien erworben hat; es genügt für die Einbeziehung von Aktien und Anteilen in das der Abgabe unterliegende Vermögen, daß für diese Wertpapiere ein Handel an der Börse oder im geregelten Freiverkehr möglich war (ebenso: Kühne-Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Anm. 1 zu § 39 der 10. AbgabenDV-LA; Harmening, Kommentar zum Lastenausgleich, Anm. 24 zu § 24 LAG). Entscheidend ist also "Handeln" im Sinne eines abstrakten Einbezogenseins in den freien Börsenverkehr ohne die Notwendigkeit eines tatsächlichen Umsatzes. Bei dieser Auslegung besteht übereinstimmung mit den Voraussetzungen für die Heranziehung der zum amtlichen Verkehr an der Börse zugelassenen Aktien und Anteile. Ein Unterschied zwischen Aktien, die zum amtlichen Verkehr an der Börse zugelassen waren und solchen, die im (geregelten) Freiverkehr gehandelt werden konnten, ist aus dem Gesetz nicht zu entnehmen und würde jeder inneren Begründung entbehren.

Ob die Einbeziehung der Aktien der AG in den geregelten Freiverkehr börsenrechtlich formell richtig durchgeführt worden ist oder nicht, unterliegt nicht der Nachprüfung der Steuergerichte. Der Bf. bringt gegen die Einbeziehung keine konkreten Einwände vor, sondern bestreitet nur einen tatsächlichen Handel mit diesen Werten. § 24 Ziff. 2 LAG ist dahin auszulegen, daß Aktien und Anteile bei der Ermittlung des der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögens dann mit dem halben Wert anzusetzen sind, wenn sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Tätigkeitsbereich eines Ausschusses für Geschäfte in amtlich nicht notierten Werten einbezogen waren (geregelter Freiverkehr). Diese Einbeziehung ist somit Tatbestandsmerkmal für die Erfassung dieser Wertpapiere bei der Vermögensabgabe. Liegt dieses Tatbestandsmerkmal vor, so sind die börseninternen Vorgänge, die zu der Einbeziehung der Aktien geführt haben, und weiter die Frage der tatsächlichen Umsätze bei diesen Aktien, nicht zu prüfen. Vielmehr hatte sich das Finanzgericht bei seiner Prüfung und Entscheidung darauf zu beschränken, die bis 1945 bestehende Einbeziehung in den geregelten Freiverkehr festzustellen. Das ist geschehen. Somit ist die Heranziehung der Aktien des Bf. zur Vermögensabgabe zutreffend.

Da § 39 der 10. AbgabenDV-LA den Begriff des Freiverkehrs in § 24 Ziff. 2 LAG lediglich auslegt, braucht auf die Ermächtigung in § 24 Ziff. 2 LAG letzter Satz ("durch Rechtsverordnung wird das Nähere bestimmt") nicht eingegangen zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411208

BStBl III 1964, 374

BFHE 1964, 395

BFHE 79, 395

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