Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Lohnsteuerfreiheit von Fehlgeldentschädigungen, insbesondere zum Begriff des Kassen- oder Zähldienstes.
Normenkette
EStG § 19/1/1; LStR Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.), der als Rechtsanwalt eine Anwaltskanzlei unterhält, wird als Arbeitgeber auf Grund seiner Haftungspflicht wegen 26,60 DM Lohnsteuer und 3 DM Notopfer Berlin in Anspruch genommen, weil er in der Zeit vom Dezember 1950 bis September 1951 von dem Monatsgehalt einer Büroangestellten, das 250 DM, ab Juni 1951: 275 DM beträgt, monatlich 15 DM lohnsteuerfrei gelassen hat. Er begründet dies damit, daß der Teilbetrag von 15 DM eine Fehlgeldentschädigung und nach den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1950 Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2 nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusehen sei. Die Fehlgeldentschädigung sei zwischen ihm und der Angestellten durch mündlichen Arbeitsvertrag vereinbart. Diese habe neben sonstigen Aufgaben den büromäßigen Kassenverkehr zu erledigen und für die Ordnungsmäßigkeit des Geldverkehrs einzustehen; sie habe u. a. die Gerichtskostenmarken zu verwalten, viele kleine Nachnahmen einzulösen und Barzahlungen des Gerichtsvollziehers und von Mandanten entgegenzunehmen. Der Geldverkehr (Umsatz) betrage durchschnittlich im Monat 12.000 DM.
Das Finanzamt und Finanzgericht haben die Freilassung der 15 DM von der Lohnsteuer nicht anerkannt, weil die Angestellte nicht im "Kassendienst" oder im "Zähldienst" beschäftigt sei, eine wesentliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit der Fehlgeldentschädigung also nicht vorliege. Hiergegen wendet sich der Bf. mit der Rechtsbeschwerde (Rb.), die auf seinen Antrag vom Finanzgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache gemäß § 286 der Reichsabgabenordnung zugelassen ist.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
In den LStR 1950 Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2 ist ausgeführt, daß als steuerpflichtiger Arbeitslohn nicht anzusehen sind Fehlgeldentschädigungen (Zählgelder, Mankogelder) der Arbeitnehmer, die im Kassen- oder im Zähldienst beschäftigt sind, soweit sie in einem Tarifvertrag, einer Tarifordnung, einer Betriebs- oder Dienstordnung oder sonst bindenden Anordnungen oder in einem Arbeitsvertrag vorgesehen sind und 30 DM im Monat nicht übersteigen. Diese Verwaltungsanordnung ist auf den gemeinsamen Erlaß des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers vom 20. September 1941 (abgedruckt Reichssteuerblatt 1941 S. 697) über die einheitliche Behandlung von Lohnbezügen beim Steuerabzug vom Arbeitslohn und bei der Sozialversicherung (Abschn. B Nr. 5) zurückzuführen. Sie ist seitdem in gleichem Wortlaut in die Lohnsteuerrichtlinien übernommen.
Fehlgeldentschädigungen sind Zuwendungen des Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer zum Ausgleich des Risikos, das dieser bei der Führung der ihm vom Arbeitgeber anvertrauten Kasse trägt, indem er (Arbeitnehmer) für die bei der Kassenführung vorkommenden Kassenverluste einzustehen hat. Die Zuwendungen sollen nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gerechnet und deshalb lohnsteuerfrei gelassen werden, wenn die Fehlgeldentschädigung (Zählgeld, Mankogeld) an einen Arbeitnehmer, der 1.) im Kassen- oder Zähldienst beschäftigt ist, gezahlt wird und auch dann 2.) nur, soweit a) die Zahlung der Fehlgeldentschädigung in einem Tarifvertrag, einer Tarifordnung, einer Betriebs- oder Dienstordnung oder sonst bindenden Anordnungen oder in einem Arbeitsvertrag vorgesehen ist, und b) soweit die Entschädigung 30 DM im Monat nicht übersteigt.
Die Steuervergünstigung beschränkt sich hiernach auf Arbeitnehmer, die "im Kassendienst" oder "im Zähldienst" beschäftigt sind. Die Vorinstanzen haben die in der Anwaltskanzlei des Bf. beschäftigte und mit der Führung einer Kasse beauftragte Büroangestellte nicht zu dem begünstigten Arbeitnehmerkreis gerechnet. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Die Führung einer Kasse besteht in der Entgegennahme und Auszahlung von Geldbeträgen. Diese Tätigkeit steht aber noch nicht ohne weiteres einem "Kassendienst" oder einem "Zähldienst" im Sinne der Vergünstigungsanordnung gleich. Jede Kassenführung verlangt zwar Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit des hiermit betrauten Arbeitnehmers, wenn Unstimmigkeiten vermieden werden sollen. Mit dem besonderen Begriff des "Kassen- oder Zähldienstes" kann aber nur eine Tätigkeit gemeint sein, die wegen des Umfanges und der Art des Zahlungsverkehrs (Bargeldverkehrs) sowie wegen der äußeren Form, in der sich die Abfertigung der Einzahler und Zahlungsempfänger abspielt, erfahrungsgemäß auch bei Anwendung der im Geldverkehr üblichen Sorgfalt die ständige Gefahr mit sich bringt, daß bei der Entgegennahme und Aushändigung der Bargeldbeträge Unrichtigkeiten unterlaufen, die zu Kassenfehlbeträgen führen. Derartigen dauernden Gefährnissen ist eine Kassenführung, die - wie im zu entscheidenden Fall - in einer Anwaltskanzlei von einer Büroangestellten mitbesorgt wird, nicht ausgesetzt. Der Umfang der Kassenführung ist hier verhältnismäßig gering und leicht übersehbar. Nach den Angaben des Bf. beträgt der Geldumsatz im Monat nicht mehr als durchschnittlich 12.000 DM, das wäre je Arbeitstag durchschnittlich 480 DM. überdies spielt sich der Zahlungsverkehr nur zum Teil als Bargeldverkehr ab. Die Abfertigung der Einzahler und Zahlungsempfänger vollzieht sich in den Räumen der Anwaltskanzlei. Diese stehen nicht für einen unbeschränkten Zahlungsverkehr offen, sondern werden nur von einem abgegrenzten verhältnismäßig kleinen Personenkreis aufgesucht. Ein irgendwie ins Gewicht fallendes dauerndes finanzielles Risiko des eine solche Kasse führenden Arbeitnehmers, das zu einer besonderen ohne weiteres als steuerfrei anzusprechenden Zuwendung des Arbeitgebers neben dem laufenden Arbeitslohn Veranlassung geben könnte, kann deshalb nicht anerkannt werden. Hiernach kann die von der Büroangestellten des Bf. in der Anwaltskanzlei ausgeübte Kassenführung nicht als "Kassen- oder Zähldienst" im Sinne der Vergünstigungsanordnung angesehen werden und entfällt die erste Voraussetzung für die Anerkennung einer steuerfreien Fehlgeldentschädigung. Es erübrigt sich deshalb eine Prüfung, ob die weiteren Voraussetzungen der Anordnung erfüllt sind, insbesondere ob eine bloße mündliche formlose Vereinbarung im Rahmen eines Einzelarbeitsvertrages wie im vorliegenden Falle angesichts der dann außerordentlich großen Gefahr mißbräuchlicher Ausnutzung der Anordnung ausreichend ist und wie das Risiko eines Kassenfehlbetrages im einzelnen Fall bewertet werden soll.
Fundstellen
Haufe-Index 407681 |
BStBl III 1953, 252 |
BFHE 1954, 662 |
BFHE 57, 662 |