Leitsatz (amtlich)
Ausgabenüberschüsse, die sich in vorangegangenen Veranlagungszeiträumen bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ergeben haben, können beim Übergang zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nicht in der Übergangsrechnung (vgl. Anlage 2 der EStR) abgezogen werden.
Normenkette
EStG §§ 4, 10d
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) war von 1952 bis Oktober 1957 Vertreterin eines Textilversandhauses, dessen Geschäftsstelle in S. sie als selbständige Handelsvertreterin vorstand. Nach Schließung dieser Geschäftsstelle infolge des Konkurses des Versandhauses betreibt sie seit Oktober 1957 das Textilgeschäft in S. in eigenem Namen. Den Gewinn ermittelte sie bis 1961 durch Einnahmeüberschußrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG). Für die Jahre 1957 und 1958 erklärte sie Verluste, da in diesen Veranlagungszeiträumen durch erstmalige hohe Wareneinkäufe die Ausgaben die Einnahmen überstiegen.
Zum 1. Januar 1961 ging die Steuerpflichtige zur Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) über. Der Revisionsbeklagte (FA) berücksichtigte deshalb bei der Ermittlung des Gewinns für das Jahr 1961 gemäß der Übersicht in der Anlage 2 zu den EStR 1961 die Unterschiede zwischen den Warenbeständen, Forderungen und Schulden am Anfang und am Ende des Zeitraums der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Auf Einspruch ließ das FA die Verteilung des errechneten Übergangsgewinns auf drei Jahre (EStR Abschn. 19) zu, lehnte aber die Anrechnung der Verluste aus den Jahren 1957 und 1958 ab.
Die Berufung blieb erfolglos. Das FG, dessen Urteil in EFG 1965, 218 abgedruckt ist, hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Übergangsrechnung müsse für die Gesamtdauer des bisherigen Bestehens des Betriebs den Gesamtgewinn ergeben, der bei ordnungsmäßiger Buchführung ausgewiesen worden wäre. Das sei bei der Berechnung des FA der Fall. Die Wareneinkäufe der Jahre 1957 und 1958 hätten sich als Betriebsausgaben in der Überschußrechnung ausgewirkt. In der Höhe des Warenbestands beim Übergang zur Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich müßten sie wieder als Einnahmen dem buchmäßigen Gewinn hinzugesetzt werden, weil sich beim Vermögensvergleich nur noch die Rohgewinne auswirkten.
Unabhängig von der richtigen Ermittlung des Gesamtgewinns sei zu prüfen, ob die durch die Überschüsrechnung ausgewiesenen Verluste sich auch steuerlich auswirken müßten. Das sei zu verneinen. Ein Grundsatz, daß Verluste sich irgendwie steuerlich auswirken müßten, bestehe nicht. Das Einkommensteuerrecht stelle grundsätzlich auf den Gewinn des Veranlagungszeitraums ab. Für den in § 10d EStG zugelassenen späteren Verlustabzug fehle es im Streifall an einer ordnungsmäßigen Buchführung im Sinne des § 5 EStG.
Mit der nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde beantragt die Steuerpflichtige, in der Übergangsrechnung den Wareneinkauf zu berücksichtigen, soweit er sich bei der Einnahmeüberschußrechnung noch nicht ausgewirkt habe, oder aber den Verlustabzug zuzulassen, was zum gleichen Ergebnis führe. Hilfsweise beantragt sie, entsprechend dem Urteil des FG Freiburg vom 8. April 1954 (EFG 1954, 170) die Geldeinlagen des Steuerpflichtigen in der Übergangsrechnung zu berücksichtigen. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Steuerpflichtige bezieht sich auf den Aufsatz von Eisemann in der Zeitschrift Deutsches Steuerrecht 1965 S. 357, nach dem die Rechtsgrundlage dafür fehlt, bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht erfaßte Betriebsvorgänge noch nachträglich beim Übergang zum Bestandsvergleich zu versteuern. Sie weist ferner erneut auf das unbefriedigende Ergebnis der Veranlagung hin: Für den Gesamtzeitraum 1953 bis 1960 habe sie mehr Gewinn versteuert, als sich bei ordnungsmäßiger Buchführung aufgrund Vermögensvergleichs ergeben hätte, weil der Ausgabenüberschuß der Jahre 1957 und 1958 unberücksichtigt geblieben sei.
Das Geschäft sei bis zum Konkurs des vertretenen Versandhauses auf dessen Namen gegen Provision und erst danach für eigene Rechnung geführt worden. Die dem Versandhaus zu Beginn der Tätigkeit als Sicherheit für den überlassenen Warenbestand gestellte Kaution sei zum Teil mit den im Geschäft verbliebenen Waren des Versandhauses verrechnet worden. Das FA habe diesen Betrag zunächst in der Übergangsrechnung berücksichtigt gehabt, im Einspruchsverfahren aber wieder ausgeschieden, weil die Verrechnung von Kaution gegen Waren bereits im Jahre 1960 stattgefunden habe. Dadurch habe das FA im Einspruchsverfahren ohne vorherige Benachrichtigung verbösert; jedenfalls müsse wegen der Änderung des Geschäftsbetriebs unterstellt werden, daß es sich bei dem Warenbestand, den sie von dem Versandhaus übernommen habe, um den Anfangsbestand bei Geschäftseröffnung gehandelt habe.
Schließlich wendet sich die Revision auch gegen die Kostenentscheidung.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Geht ein Steuerpflichtiger von der Einnahmeüberschußrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG über, so ist die Zunahme des Betriebsvermögens in der Zeit der Überschußrechnung dem Bilanzgewinn im ersten Jahr des Bestandsvergleichs hinzuzurechnen, eine Minderung des Betriebsvermögens vom Bilanzgewinn abzusetzen. Die Zu- und Abrechnungen (vgl. Anlage 2 der EStR 1961) sind erforderlich, weil das Gesetz grundsätzlich den Gewinnbegriff in § 4 Abs. 1 und § 5 EStG festgelegt hat. Soweit § 4 Abs. 3 EStG eine vereinfachte Gewinnermittlung gestattet, ist dies nur eine aus Gründen der Vereinfachung befristete Verschiebung des Gewinnausweises, die bei dem Übergang zur Bestandsrechnung, spätestens mit der endgültigen Verwirklichung des gesamten Vermögenszuwachses bei der Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs ausgeglichen wird. Diese Gesetzesauslegung entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. z. B. Urteile des BFH I 236/60 U vom 3. Oktober 1961, BFH 73, 821, BStBl III 1961, 565; IV 98/60 S vom 23. November 1961, BFH 74, 535, BStBl III 1962, 199, und VI 340/65 vom 22. Juni 1966, BFH 86, 509, BStBl III 1966, 540). Der Senat sieht keinen Anlaß, von diesen Rechtsgrundsätzen abzugehen.
Wenn danach die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, im ganzen und auf die Dauer gesehen, denselben Gesamtgewinn wie der Vermögensvergleich ergibt, so können doch die Gewinne, die auf die einzelnen Veranlagungszeiträume entfallen und jeweils zu versteuern sind, je nach der Art der Ermittlung beträchtlich voneinander abweichen. Dem Vorteil der Einfachheit der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG steht insbesondere der Nachteil gegenüber, daß der etwaige Ausgabenüberschuß eines Jahres nicht als Verlust nach § 10d EStG in späteren Veranlagungszeiträumen wie Sonderausgaben von dem Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden kann. Das Begehren der Steuerpflichtigen läuft darauf hinaus, diese Folge der gesetzlichen Regelung nachträglich beiseite zu schieben. Der Senat kann diesem Begehren nicht stattgeben, da er an das Gesetz gebunden ist. Die Steuerpflichtige hätte die Nachteile der Überschußrechnung vermeiden können, wenn sie bereits im Jahre 1957, als sie den Betrieb für eigene Rechnung übernahm, zur Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich übergegangen wäre.
Die Vorentscheidung beruht auf den gleichen Rechtsgrundsätzen und Überlegungen und ist deshalb nicht zu beanstanden. Den Einwendungen des Steuerpflichtigen kann hingegen nicht gefolgt werden.
Da Ausgabenüberschüsse, die bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG auftreten, vom Verlustabzug in späteren Jahren ausgeschlossen sind, können sie auch nicht im Übergangsjahr angerechnet werden. Das gilt auch dann, wenn die Ausgabenüberschüsse durch den Einkauf von Waren entstanden. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, wären auch bei Fortführung der Überschußrechnung die Warenerlöse voll als Einnahmen erfaßt worden, obwohl die Ausgaben für die Anschaffung der Waren sich steuerlich nicht voll ausgewirkt hatten. Ob die Beschaffung der Waren im Kreditwege zu einer günstigeren Besteuerung geführt hätte, ist ohne Belang, da ein solcher Sachverhalt hier nicht zur Beurteilung steht. Dasselbe gilt für den Vergleich mit der Schätzung nach Richtsätzen, bei der übrigens auch Zu- und Abrechnungen in Betracht kommen (Urteil des BFH IV 388/60 vom 20. Februar 1964, HFR 1965, 157). Auch der Entscheidung des FG Freiburg vom 8. April 1954, a. a. O., lag ein anderer Sachverhalt zugrunde.
Die Behauptung der Steuerpflichtigen, bei der Umstellung des Geschäfts von der Tätigkeit gegen Provision auf die Tätigkeit für eigene Rechnung handle es sich um eine Geschäftsaufgabe und die nachfolgende Eröffnung eines neuen Betriebs, ist erst in der Revisionsinstanz erhoben worden. Sie betrifft weitgehend die Sachverhaltsfeststellung und hätte spätestens dem FG vorgetragen werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, die Steuerpflichtige und das FA vielmehr offensichtlich eine Fortsetzung des bisherigen Betriebs annahmen, kann dem FG keine Verletzung der Aufklärungspflicht vorgeworfen werden, wenn es ohne nähere Feststellungen insoweit der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten folgte. Ist aber von der Fortführung des Betriebs auszugehen, so ist es nicht möglich, den Warenbestand, den die Steuerpflichtige von dem Versandhaus gegen Verrechnung mit der von ihr geleisteten Kaution übernahm, als Anfangsbestand anzusehen.
Die Steuerpflichtige hat darauf hingewiesen, daß das FA im Einspruchsverfahren unangekündigt verbösert habe. Sie hat aber zugleich zu erkennen gegeben, daß sie eine Entscheidung über ihre sachlichen Einwendungen erstrebt (vgl. Urteil des BFH IV 66/62 U vom 17. Januar 1963, BFH 76, 628, BStBl III 1963, 228). Eines Eingehens auf den Hinweis bedarf es deshalb nicht.
Schließlich ist die Vorentscheidung auch nicht hinsichtlich der Kosten des Einspruchsverfahrens zu beanstanden. Wie das FG zutreffend dargelegt hat, war es Sache der Steuerpflichtigen, die durch einen rechtskundigen Berater vertreten wird, den Antrag auf dreijährige Verteilung des Übergangsgewinns im Veranlagungsverfahren und nicht erst im Einspruchsverfahren zu stellen.
Fundstellen
Haufe-Index 68175 |
BStBl II 1968, 736 |
BFHE 1968, 230 |