Leitsatz (amtlich)
Hat ein Versicherungsverein für außerordentliche Schadensfälle aus unverzinslichen Darlehen der Mitglieder einen Garantiefonds gebildet und wurde bei der Feststellung des Einheitswerts die Rückzahlungsverpflichtung der Darlehen als Schuld abgesetzt, so liegt eine Dauerschuld im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 1, § 8 Nr. 1 GewStG vor.
Normenkette
GewStG § 12 Abs. 2 Nr. 1, § 8 Nr. 1
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der seine Mitglieder gegen den Verlust oder die Beschädigung von Binnenfahrzeugen versichert. Die Ausgaben werden durch Beiträge unter Vorbehalt von Nachschüssen gedeckt. Außerdem ist nach § 43 der Satzung ein Garantiefonds gebildet, der den Zweck hat, vorübergehend außerordentliche Schadensfälle (Katastrophenfälle) zu decken. Der Fonds wird aus Einlagen der Mitglieder gespeist, deren Höhe und Fälligkeit die Mitgliederversammlung beschließt. Die Einlagen sind unverzinsliche Darlehen und beim Ausscheiden des Mitglieds in voller Höhe zurückzuzahlen. Während der Mitgliedschaft kann die Einlage nicht gekündigt oder zurückgefordert werden. Bei der Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs des Steuerpflichtigen auf den 1. Januar 1960 wurden die aktivierten Einlageforderungen gegen die Mitglieder mit einem abgezinsten Wert in Höhe von 200 696 DM angesetzt und der Garantiefonds als langfristige Darlehnsschulden mit abgezinst 292 345 DM vom Betriebsvermögen abgesetzt. In den Gewerbesteuermeßbescheiden für die Streitjahre 1961 und 1962 wurden diese Verbindlichkeiten dem Einheitswert des Gewerbebetriebs als Dauerschulden hinzugerechnet. Mit dem Einspruch machte der Steuerpflichtige geltend, daß in der Hinzurechnung von 292 345 DM nur eine echte Schuld von 91 649 DM enthalten sei, weil der übersteigende Betrag von 200 696 DM mit der aktivierten Einlageforderung gegen die Mitglieder identisch sei. Nur mit dem Betrag von 91 649 DM seien seine Betriebsmittel verstärkt worden.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das FG geht davon aus, daß in diesem Verfahren nicht untersucht werden könne, ob der Garantiefonds nur teilweise eine echte Verbindlichkeit des Steuerpflichtigen darstelle. Selbst wenn das Vorbringen des Steuerpflichtigen in dieser Frage zutreffend wäre, könnte infolge der Bindung an die Feststellungen im Einheitswertverfahren dem Verlangen des Steuerpflichtigen nicht stattgegeben werden.
Mit der Rb. (Revision) macht der Steuerpflichtige geltend, im Verfahren zur Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens würden die Schulden restlos vom Betriebsvermögen in Abzug gebracht, es werde aber nicht geprüft, welche Schulden kurz- oder langfristig sind. Diese Prüfung erfolge erst im Verfahren zur Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags. Der Gewerbesteuermeßbescheid sei also insoweit anfechtbar. Im übrigen wiederholt er sein Vorbringen, der Garantiefonds bestehe nur solange, als ein Katastrophenfall nicht vorkomme, gehe aber unter, soweit er in einem solchen Fall in Anspruch genommen werden müsse. Zweck des Garantiefonds sei, den Verein im Katastrophenfall vor Zahlungsunfähigkeit zu schützen. Solle der Garantiefonds dann in seiner alten Höhe erhalten bleiben, dann müßten die Mitglieder zur Wiederauffüllung desselben neue Beschlüsse fassen. Daraus ergebe sich, daß das Konto Einlageverpflichtungen der Mitglieder und das Konto Garantiefonds, soweit noch keine Zahlungen geleistet, untrennbar verbunden seien. Soweit am 1. Januar 1960 Zahlungen geleistet seien, werde eine Dauerschuld anerkannt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Dem FG ist darin beizupflichten, daß im Verfahren über den Gewerbesteuermeßbescheid für die Frage, ob Verbindlichkeiten vorliegen, eine Bindung an die Feststellung im Einheitswertverfahren besteht (vgl. Urteil des BFH IV 385/62 S vom 13. März 1964, BFH 79, 311, BStBl III 1964, 344). Im Einheitswertverfahren sind die Forderungen an die Mitglieder auf Erfüllung der Einlageverpflichtung unter den Besitzposten und die Rückzahlungsverpflichtung unter den Schuldposten enthalten. Daß eine Schuldverpflichtung besteht, kann also nicht mehr angezweifelt werden. Die Revision kann nur in dem Sinne verstanden werden, daß sie die Schuld nicht für eine Dauerschuld, sondern für eine laufende Schuld hält. Dieser Rechtsansicht kann indessen nicht beigetreten werden. Dauerschulden im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1, § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes sind u. a. solche, deren Gegenwert der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dient. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Garantiefonds ist zur vorübergehenden Dekkung von außerordentlichen Schadensfällen erforderlich und müßte - wenn nicht durch die Darlehen - aus eigenem Kapital gebildet werden. Diesen Zweck erfüllen die Einlageforderungen an die Mitglieder ebenso wie die geleisteten Einlagen; es ist darum richtig, wenn der Steuerpflichtige darauf hinweist, daß die Einlageverpflichtung ausgewiesen werden muß.
Ob die Bildung des Garantiefonds unumgänglich war, spielt bei der Beurteilung keine Rolle; das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen hielt in einem Schreiben an den Steuerpflichtigen die zusätzliche Garantie für "wünschenswert" und der Steuerpflichtige hat dies für erforderlich gehalten, denn unnötige Fonds und Kapitalbildung widersprechen kaufmännischen Überlegungen. Wird der Fonds aus Fremdmitteln gebildet, so verstärken diese das Betriebskapital. Diese Verstärkung ist auch nicht nur vorübergehend, da sie jederzeit zur Deckung außerordentlicher Schadensfälle bereitstehen soll und nach Erschöpfung neu gebildet werden müßte. Er hat also keinen vorübergehenden Charakter oder den einer laufenden Verbindlichkeit.
Hat demnach der Garantiefonds die Eigenschaft von Betriebskapital, so ist die damit verbundene Verpflichtung aus der Darlehnsschuld in vollem Umfang Dauerschuld - auch soweit die Mitglieder die Einlage noch nicht effektiv geleistet haben, sondern dem Steuerpflichtigen nur als Forderung zur Verfügung stellen.
Fundstellen
Haufe-Index 68160 |
BStBl II 1968, 717 |
BFHE 1968, 159 |