Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Begründung eines FG-Urteils

 

Leitsatz (NV)

1. Der Revisionsgrund der fehlenden Begründung des FG-Urteils liegt vor, wenn im FG-Urteil jegliche Begründung fehlt oder nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt bzw. auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die - selbst knappe - Begründung, ausgehend von der Rechtsauffassung des FG, den Nachweis der Rechtmäßigkeit für den Ausspruch der Urteilsformel zu erbringen vermag.

2. Die inhaltlichen Anforderungen an die Begründung des Urteils sind u. a. davon abhängig, in welchem Maße der unterlegene Beteiligte seiner Obliegenheit zu substantiiertem Sachvortrag genügt hat.

 

Normenkette

FGO § 105 Abs. 2 Nrn. 4-5, § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6

 

Tatbestand

Der verstorbene Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), Z, betrieb bis zum Jahre 1979 in . . . einen . . . einzelhandel. Zum 1. Juli 1979 übergab er diesen Betrieb mit allen Aktiven und Passiven mit Ausnahme des unbeweglichen Anlagevermögens seinem Sohn X, an den er das zurückbehaltene Gebäude für monatlich 800 DM verpachtete. Die Einkünfte hieraus erklärte er als solche aus ,,ruhendem Gewerbebetrieb". Für die vom Sohn übernommenen Verbindlichkeiten und die zu leistenden Pachtzahlungen wurde in Ergänzung zum Geschäftsübergabevertrag folgendes vereinbart:

,,1. Herr Z verpflichtet sich, für die von X übernommenen Bankverbindlichkeiten lt. Bilanz zum 30. 6. 1979 Bürgschaft bei den Banken . . . in Höhe von ca. 90 000 DM zu leisten.

2. Bankbürgschaft in Höhe der jeweiligen Miet-Pachtzahlung von monatlich 800 DM netto, höchstens auf die Miet-Pachtdauer von 10 Jahren und beschränkt auf die geleisteten Miet-Pachtzahlungen. . . .

3. Die geleistete Bürgschaft für die Mietgarantie soll in Höhe der geleisteten Mietzahlung als nicht mehr aufrechenbar im Falle einer Inanspruchnahme durch die Bürgschaft gelten."

Am 31. März 1983 gab Z den verpachteten Gewerbebetrieb auf.

Er veräußerte Grundstück und Ladeneinrichtung für insgesamt 300 000 DM. Die Eheleute tilgten Bankschulden des X in Höhe von insgesamt 77 493,29 DM ,,durch Ausgleich der auf drei Konten des Sohnes bis zu diesem Zeitpunkt einschließlich der Zinsen entstandenen Negativsalden".

Bei der Ermittlung des Aufgabegewinns wurde dieser Betrag in der folgenden Weise als Aufwand abgezogen:

1. Rückerstattung der erhaltenen Pacht (45 Monate à 800 DM) 36 000,00 DM

2. Zinsausgleich 4 700,29 DM

3. Rückerstattung der Investition Ladeneinrichtung

(schriftliche Vereinbarung vom 21. Januar 1980; gekürzt um

die Nutzung 1980 bis 1982) 36 793,00 DM

Summe: 77 493,29 DM

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1983 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Beträge zu 1. und 2. nicht an mit der Begründung, die diesbezüglichen Vereinbarungen seien unter fremden Dritten nicht üblich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der hiergegen gerichteten Klage trug die Klägerin vor: Die Bürgschaft habe es dem Pächter ermöglicht, Bankkredite u. a. zum Umbau der Geschäftsräume aufzunehmen. Die Bürgschaftsverpflichtung sei aus betrieblichem Anlaß begründet worden. Z sei im Jahre 1983 aus der Bürgschaft in Anspruch genommen worden. Er habe die bis dahin vereinnahmten Pachtgelder in Höhe von 36 000 DM zur Tilgung von Schulden des Pächters verwenden müssen. Im Falle der vorzeitigen Aufhebung des Pachtverhältnisses habe der Pächter X einen Ersatzanspruch in Höhe des Restbuchwerts seiner Mietereinbauten gehabt. Auf diesen Anspruch seien 36 793 DM gezahlt worden. Wegen verspäteter Zahlung dieses Betrages seien Zinsen in Höhe von 4700,29 DM angefallen. Die dem Zinsbetrag zugrundeliegende Ausgleichsschuld habe das FA zutreffend als betriebliche Schuld anerkannt. Dieser Vorgang stehe mit der Bürgschaftsverpflichtung in keinem Zusammenhang. Bei Abschluß des Pachtvertrages habe keine Veranlassung zur Aufnahme einer entsprechenden Zinsvereinbarung bestanden. Eine Verpflichtung zur Verzinsung könne auch unter nahen Angehörigen mündlich vereinbart werden.

Demgegenüber machte das FA vor dem Finanzgericht (FG) geltend: Die vereinbarte Bürgschaftsübernahme halte einem Fremdvergleich nicht stand. Mit dem Betrag von insgesamt 77 493,29 DM seien Bankverbindlichkeiten des Sohnes getilgt worden. Dies lasse darauf schließen, daß nicht die erhaltene Pacht zurückgezahlt worden sei. Der von der Klägerin dargestellte Zusammenhang der Schuldzinsen mit der vereinbarten Ausgleichszahlung liege nicht vor; die Zinsen beträfen ausweislich eines Schreibens des Beraters vom 26. November 1984 die Bankverbindlichkeiten des Sohnes X.

Das FG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die geltend gemachten Zahlungen seien nach § 12 EStG nicht abziehbar. Z und die Klägerin, die nicht Betriebsinhaberin gewesen sei, hätten Bankschulden ihres Sohnes getilgt. Sie hätten nicht nachgewiesen, daß sie aufgrund einer der Bank gegenüber eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung in Anspruch genommen worden seien. Sie hätten weder Bankbestätigungen noch eine Bürgschaftsurkunde vorgelegt. Es sei davon auszugehen, daß entgegen der Vereinbarung vom 31. August 1979 gegenüber der Bank keine Bürgschaftsverpflichtung bestanden habe. Auch unter dem Gesichtspunkt eines Schuldanerkenntnisses oder einer Schuldübernahme seien die Zahlungen nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Zwar könne die Vereinbarung vom 31. August 1979 bürgerlich-rechtlich in dieser Weise eingeordnet werden. Mit einem fremden Dritten wäre aber eine solche Vereinbarung nicht getroffen worden. Die gesamten Umstände der Betriebsübergabe ließen vielmehr den Schluß zu, daß Z die eigenen wirtschaftlichen Interessen (Erzielung von Pachteinnahmen) aus familiärer Rücksichtnahme gegenüber seinem Sohn zurückgestellt habe, um diesem die Betriebsführung zu erleichtern. Auch sei nicht dargelegt worden, warum sich die Klägerin selbst an einer angeblichen Betriebsschuld ihres Ehemannes beteiligt habe.

Mit der Revision rügt die Klägerin fehlende Begründung (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) sowie weitere Verfahrensmängel. Zur Abziehbarkeit des Betrages von 4 700,29 DM habe das FG keine Stellung genommen. Dies sei ein absoluter Revisionsgrund. Z sei im Jahre 1983 von der Bank aus der betrieblich veranlaßten Bürgschaftsübernahme in Anspruch genommen worden. Das FA habe die Bürgschaftsverpflichtung als solche nicht angezweifelt. In der mündlichen Verhandlung seien zwar die steuerrechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung einer betrieblich veranlaßten Bürgschaftsverpflichtung und der Zahlungsweg erörtert worden, aber auch das FG habe keine Zweifel an der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft geäußert. Das FG hätte, wenn es, wie geschehen, aus diesem Grunde die Klage abweisen wollte, von Amts wegen Beweis erheben müssen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das angefochtene Urteil ist mit Gründen versehen (§ 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6 FGO).

Nach § 105 Abs. 2 Nrn. 4 und 5 FGO muß ein Urteil einen Tatbestand und Entscheidungsgründe enthalten. Die Wiedergabe der Entscheidungsgründe dient der Mitteilung der wesentlichen rechtlichen Erwägungen, die aus der Sicht des Gerichts für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren. Entscheidungsgründe i. S. des § 119 Nr. 6 FGO fehlen deshalb nur dann, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Ein Revisionsgrund ist gegeben, wenn jegliche Begründung fehlt oder wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt bzw. auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, 327, BStBl II 1985, 417). Dies ist nach dem Beschluß des BFH vom 9. Februar 1977 I R 136/76 (BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351) insbesondere dann der Fall, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat, das Urteil mithin bezüglich eines wesentlichen Streitpunktes nicht mit Gründen versehen ist (BFH-Beschluß vom 5. Dezember 1986 VI R 58/86, BFH/NV 1987, 175, m. w. N.).

Sind die rechtlichen Folgerungen eines Urteils nicht durch entsprechende tatsächliche Feststellungen gedeckt, so handelt es sich nicht um den Verfahrensmangel fehlender Gründe, sondern um einen materiellen Mangel des Urteils (BFH-Urteil vom 22. Januar 1985 VII R 112/81, BFHE 143, 203, 208, BStBl II 1985, 562, m. w. N.). Das gleiche gilt für das Vorbringen, die Vorinstanz habe bei der rechtlichen Würdigung des streitbefangenen Sachverhalts einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt übergangen; auch dies ist die Rüge unrichtiger Anwendung sachlichen Rechts (vgl. Beschluß in BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351).

Der absolute Revisionsgrund des § 119 Nr. 2 FGO ist ferner nicht gegeben, wenn die - wenn auch knappe - Begründung, ausgehend von der Rechtsauffassung des FG, den Nachweis der Rechtmäßigkeit für den Ausspruch der Urteilsformel zu erbringen vermag.

2. So liegt es im Streitfall. Die Abweisung der Klage ist maßgeblich darauf gestützt, daß die Abmachungen zwischen den Beteiligten inhaltlich einem Fremdvergleich nicht standhalten; die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann hätten Bankschulden ihres Sohnes getilgt. Diese wenn auch knappe Begründung trägt die Entscheidung auch insoweit, als es um die Abziehbarkeit des Betrages von 4 700,29 DM geht.

Die Klägerin hatte in ihrer Klageschrift zumindest konkludent behauptet, die Pflicht zur Verzinsung des Verwendungsersatzanspruchs sei mündlich vereinbart worden. Demgegenüber hatte das FA in seiner Klageerwiderung vom 16. Januar 1986 unter Hinweis auf das Schreiben des Prozeßbevollmächtigten vom 26. November 1984 vorgetragen, daß der von der Klägerin behauptete Zusammenhang von Schuldzinsen und Ausgleichszahlung für die Mietereinbauten nicht bestehe. Hierauf hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 3. Februar 1986 einzig erwidert, das FA stützte ,,seine rechtlichen Folgerungen lediglich auf Vermutungen"; zwischen dem Kläger und seinem Sohn hätten ,,eindeutige schriftliche Vereinbarungen" bestanden. Dieser unsubstantiierten Behauptung zum Rechtsgrund für die Zahlung des fraglichen Betrages brauchte das FG nicht näher nachzugehen. Es konnte - wie geschehen - den Vortrag der Klägerin damit bescheiden, daß lediglich Bankschulden des X getilgt worden seien.

3. Bei einer zulassungsfreien Revision kann nur über den zulässigerweise geltend gemachten Verfahrensmangel entschieden werden, sofern nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO vorliegt (§ 118 Abs. 3 Satz 1 FGO; vgl. BFH-Urteil vom 22. April 1971 I R 149/70, BFHE 102, 353, BStBl II 1971, 631; BFH-Beschluß vom 10. November 1987 VII B 75/87, BFHE 151, 331, BStBl II 1988, 285). Über die unter 2. der Revisionsbegründungsschrift vorgetragenen weiteren Verfahrensmängel kann daher im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden. Die auf diese Verfahrensmängel gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit Beschluß vom heutigen Tage als unzulässig verworfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417889

BFH/NV 1991, 832

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