Leitsatz (amtlich)
Leibrenten als Entgelt für die Veräußerung eines Betriebes oder Mitunternehmeranteils sind nicht mit dem Ertragsanteil (ß 22 Ziff. 1 a EStG), sondern, sobald die Summe der Bezüge das steuerlich maßgebende Kapitalkonto übersteigt, in voller Höhe als laufende, nachträgliche betriebliche Einkünfte zur Einkommensteuer heranzuziehen. Der Senat hält an der ständigen Rechtsprechung zur Behandlung betrieblicher Veräußerungsrenten fest (vgl. RFH-Urteil VI A 706/28 vom 14. Mai 1930, RStBl 1930, 580).
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1, § 22 Abs. 1/a, § 24 Abs. 2
Streitjahr(e)
1955, 1956, 1957, 1958
Tatbestand
Streitig ist bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1955 bis 1958, ob Rentenbezüge, die auf Grund der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils gewährt werden, als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb (ßß 15 Ziff. 1, 24 Ziff. 2 EStG) oder als private Leibrenten (ß 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG) steuerpflichtig sind.
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -) war Kommanditistin. Sie schied zum 1. Juli 1948 aus der KG aus. Ihr Kapitalkonto betrug zu diesem Zeitpunkt 19.756 DM. Die Gesellschaft räumte ihr als Gegenleistung eine Rente auf Lebenszeit ein. Im Jahre 1954 überstieg die Summe der bis dahin zugeflossenen Rentenbezüge den Stand des Kapitalkontos.
Das Finanzamt (FA) behandelte bei den Einkommensteuerveranlagungen 1955 bis 1958 die Rentenbezüge als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb und erfaßte sie in voller Höhe. Es vertrat die Auffassung, daß es sich um eine betriebliche Veräußerungsrente handle.
Mit dem Einspruch machte die Stpfl. geltend, daß die Bezüge als private Leibrenten nach § 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG nur mit dem Ertragsanteil steuerpflichtig seien. Sie beruhten auf einem Stammrecht. Der Mitunternehmeranteil sei gegen das Stammrecht eingetauscht worden. Die Rentenbezüge flössen aus dem Stammrecht; eine Verbindung zu dem früheren Betrieb bestehe nicht mehr (Hinweis auf Lademann-Lenski-Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Anmerkung 5 Ziff. 4 zu § 22 EStG). Von Bedeutung sei auch, daß sich die Rentenzahlungen bei der Gesellschaft nur in Höhe des in ihnen enthaltenen Zinsanteils auf den Gewinn auswirkten. Dem entspreche, daß auch nur der Ertragsanteil der Bezüge bei dem Empfänger zur Einkommensteuer herangezogen werden könne.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus, die Rentenbezüge wurzelten in der früheren Mitunternehmerschaft. Es handle sich um eine betriebliche Veräußerungsrente. Auf solche Renten träfen die Vorschriften über private Leibrenten nicht zu. § 22 EStG 1955 sei eine subsidiäre Vorschrift. Die im Schrifttum zum Teil geäußerten Bedenken gegen diese Art der Besteuerung der betrieblichen Veräußerungsrenten seien unbegründet. Auch wenn die Rente nicht als Veräußerungsrente, sondern als betriebliche Versorgungsrente anzusehen sei, was nicht entschieden zu werden brauche, ändere sich die steuerliche Beurteilung nicht. Denn in beiden Fällen lägen nachträglich Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor, die in voller Höhe steuerpflichtig seien.
Mit ihrer Rb. wiederholte die Stpfl. im wesentlichen ihre früheren Darlegungen. Ergänzend führt sie aus: Die gegenwärtige Besteuerung der Renten sei unbefriedigend. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) zur Behandlung der betrieblichen Veräußerungsrenten sei überholt. Der RFH habe seinerzeit nicht zu der angestrebten Lösung kommen können, weil nach früherem Recht bei Annahme wiederkehrender Bezüge die Rente in vollem Umfange hätten versteuert werden müssen. Da aber seit 1955 bei privaten Leibrenten nur der Ertragsanteil steuerpflichtig sei, müsse der Gedanke Platz greifen, daß Renten stets Ausfluß eines Stammrechts seien und daher in allen Fällen den Charakter wiederkehrender Bezüge nach § 22 EStG hätten. Die Unterscheidung der Veräußerungs- und Versorgungsrenten in betriebliche und nicht betriebliche sei vom Gesetz nicht gefordert. Alle Renten stellten einen Ausfluß des Stammrechts dar und müßten daher, unabhängig davon, auf welcher wirtschaftlichen Grundlage das Stammrecht zustande gekommen sei, als sonstige Einkünfte nach § 22 EStG behandelt werden. Es könne nicht gerechtfertigt werden, den Rentenbezug aus dem Verkauf eines Gewerbebetriebes anders zu behandeln als den aus dem Verkauf eines privaten Grundstücks. Die Bildung eines Rentenstammrechts vollziehe sich stets auf der Vermögensebene. Renten seien ihrem Wesen nach vermögens- und nicht ertragsorientiert. Es könne keine Rolle für die Besteuerung spielen, ob als Basis eines Rentenstammrechts gleichartige Vermögensteile entgeltlich oder unentgeltlich hingegeben worden seien. Bei dieser Vermögensumschichtung trete das Rentenstammrecht an die Stelle des ursprünglich vorhanden gewesenen Vermögens. Einkünfte aus dem früheren Vermögen lägen nicht mehr vor. Rentenbezüge könnten daher niemals nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb sein. Das gelte auch für betriebliche Versorgungsrenten. Der betriebliche Zusammenhang sei durch die Umwandlung des Betriebsvermögens in das Rentenstammrecht aufgehoben. Das Stammrecht sei Privatvermögen.
Entscheidungsgründe
Die als Revision zu behandelnde Rb. ist unbegründet.
RFG und Bundesfinanzhof (BFH) behandeln in ständiger Rechtsprechung die Gewinne, die aus der Veräußerung eines Betriebes oder eines Mitunternehmeranteils erzielt werden, als nachträgliche betriebliche Einkünfte, wenn das Entgelt in laufenden Bezügen besteht. Laufende Bezüge werden als Gewinn nur insoweit herangezogen, als das Entgelt das steuerlich maßgebende Kapitalkonto übersteigt (vgl. RFH-Urteil VI A 706/28 vom 14. Mai 1930, RStBl 1930 580; BFH-Urteil IV 85/62 U vom 23. Januar 1964, Sammlungen der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 79 S. 16 - BFH 79, 16 -, BStBl III 1964, 239). Die von der Stpfl. hiergegen erhobenen Einwendungen geben dem Senat keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Die Unterscheidung von betrieblichen und privaten Veräußerungsrenten ergibt sich aus dem Gesetz. Wiederkehrende Bezüge stellen nur dann sonstige (private) Einkünfte dar, wenn sie nicht anderen Einkunftsarten zuzuordnen sind (ß 22 Ziff. 1 EStG). Auch wenn man mit der Stpfl. davon ausgeht, daß Renten nach bürgerlichem Recht auf einem Stammrecht beruhen, so folgt daraus nicht, daß sie auch steuerrechtlich einheitlich behandelt werden müßten. Denn maßgebend ist die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Rentenverhältnisse. Die Veräußerung eines Betriebes oder Mitunternehmeranteils ist der letzte betriebliche Akt. Es gilt, den auf Grund der Veräußerung erzielten Gewinn steuerlich zu erfassen. Gewinn ist dabei allgemein das über den Betrag des Kapitalkontos hinaus erzielte Entgelt. Während bei Veräußerungszeitrenten (Kaufpreisraten) der Veräußerungsgewinn grundsätzlich im Zeitpunkt der Veräußerung nach Maßgabe des Kapitalwerts (Barwerts) der Rentenleistungen realisiert ist, müssen bei betrieblichen Veräußerungsleibrenten wegen des ihnen anhaftenden Risikos laufende Bezüge angenommen werden. Andernfalls würde, wenn der Berechtigte früher als nach der allgemeinen Lebenserwartung vorausgesetzt stirbt, ein zu hoher Gewinn, wenn er später stirbt, ein zu niedriger Gewinn versteuert. Diese schon von der Rechtsprechung des RFH zugrunde gelegten Erwägungen ermöglichen eine steuerliche Behandlung der betrieblichen Veräußerungsrenten, die ihrer wirtschaftlichen Eigenart gerecht wird. Für eine entsprechende Anwendung der für die Besteuerung privater Leibrenten geltenden Vorschrift des § 22 EStG besteht keine gesetzliche Handhabe und auch kein Bedürfnis. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung der Besteuerung der privaten Renten durch das Steuerneuordnungsgesetz vom 16. Dezember 1954 (BGBl I S. 373, BStBl I 1954, 575) den Bereich der betrieblichen Renten ausgeklammert (vgl. die Amtliche Begründung in Bundestagsdrucksache 481, 2. Wahlperiode, S. 85 ff.). Die unterschiedliche Besteuerung von Leibrenten aus der Veräußerung beispielsweise von Betrieben einerseits und von Privatvermögen andererseits entspricht somit dem geltenden Recht.
Der Einwand der Stpfl., sie könne auch deshalb nur mit dem Ertragsanteil (ß 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG) zur Einkommensteuer herangezogen werden, weil sich bei dem Rentenverpflichteten die Zahlungen nur in Höhe des in ihnen enthaltenen Zinsanteils gewinnmindernd auswirkten, geht fehl. Denn die steuerliche Behandlung des Vorganges muß nach allgemeinen bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen beim Veräußerer eine andere sein als beim Erwerber (Verpflichteten). Auf seiten des letzteren liegt ein Anschaffungsgeschäft vor, das erfolgsneutral zu behandeln ist, so daß sich nur die Zinsleistungen für das jeweilige Rentenkapital auf den Gewinn auswirken können. Bei der Besteuerung der Bezüge des Rentenberechtigten dagegen ist der aus der Veräußerung erzielte Gewinn zu erfassen. Im übrigen stimmt der sich beim Verpflichteten ergebende individuelle bemessene, veränderliche Zinsanteil betragsmäßig nicht mit dem in § 22 EStG vorgeschriebenen schematisierten, unveränderlichen Ertragsanteil überein.
Auch soweit die Rentenbezüge als betriebliche Versorgungsrenten anzusehen sein sollten, ist § 22 EStG unanwendbar. Es handelt sich auch insoweit um nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb (vgl. BFH-Urteil VI 322, 323/61 U vom 10. Oktober 1963, BFH 77, 741, BStBl III 1963, 592). Der Umstand, daß ein Stammrecht vorliegt, führt nicht dazu, betriebliche Versorgungsrenten als sonstige Einkünfte zu behandeln. Entscheidend ist der enge wirtschaftliche Zusammenhang der Rentenbezüge mit der früheren betrieblichen Tätigkeit. Der im Schrifttum geäußerten gegenteiligen Auffassung (vgl. Lademann-Lenski-Brockhoff, Anm. 5 Ziff. 5 b zu § 22 EStG), auf die sich die Stpfl. bezieht, stimmt der Senat nicht zu.
Es braucht für den Streitfall auch nicht entschieden zu werden, welche Bedeutung bei der Versteuerung betrieblicher Versorgungsrenten dem Vorliegen eines Kapitalkontos dem Ausscheiden aus dem Betrieb zukommt, vor allem ob und inwieweit eine Verrechnung vorzunehmen ist. Denn im Streitjahr war der Betrag des Kapitalkontos bereits überschritten.
Fundstellen
Haufe-Index 425782 |
BFHE 86, 733 |