Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Nimmt ein Einzelunternehmer im Laufe des Wirtschaftsjahres einen Gesellschafter auf, so bleibt es bei dem bisherigen Gewinnermittlungszeitraum (Wirtschaftsjahr) auch für den Einzelunternehmer, wenn das Unternehmen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise lediglich in anderer Form fortgeführt wird.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 5, 6 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1958, ob ein Gewinn aus Gewerbebetrieb, den der Revisionskläger (Stpfl.) in der Zeit vom 1. Juli 1958 bis zum 31. Dezember 1958 als Einzelunternehmer erzielte, bei der Einkommensteuerveranlagung 1958 zu berücksichtigen ist.

Der Stpfl. war bis zum 30. Juni 1958 Mitunternehmer einer OHG, deren Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni eines Kalenderjahres lief. Nach Ausscheiden des anderen Gesellschafters zum 30. Juni 1958 führte er die bisherige Firma vom 1. Juli 1958 als Einzelunternehmer weiter. Durch Gesellschaftsvertrag vom 2. Januar 1959 nahm er unter unentgeltlicher übertragung eines Teiles seines Kapitalkontos und Umwandlung eines Darlehens in Kapital den Darlehnsgeber als neuen Gesellschafter auf. Das Unternehmen erhielt vom 1. Januar 1959 ab erneut die Rechtsform einer OHG. Nach § 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages wurde als Geschäftsjahr für die OHG jeweils die Zeit vom 1. Juli eines Kalenderjahre bis zum 30. Juni des nächsten Kalenderjahres bestimmt. Für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1959 wurde ein Rumpfgeschäftsjahr für die OHG festgelegt. In einer zum 31. Dezember 1958 eingereichten Zwischenbilanz wurde für das Einzelunternehmen für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1958 ein Gewinn von 23.521 DM ermittelt.

Entgegen der Auffassung des Stpfl., daß dieser Gewinn nicht im Veranlagungszeitraum 1958 zu versteuern sei, da er zum Gewinn aus Gewerbebetrieb 1959 gehöre, zog das FA den Gewinn für den Veranlagungszeitraum 1958 zur Einkommensteuer heran. Der Steuerbescheid wurde rechtskräftig. Hieran hielt das FA auch in einem nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO erlassenen Berichtigungsbescheid fest.

Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das FG führte im wesentlichen aus. Dem Stpfl. könne schon deshalb nicht recht gegeben werden, weil er den ersten ursprünglichen Bescheid habe rechtskräftig werden lassen, so daß nunmehr jedenfalls der vollen Berücksichtigung seines Begehrens der § 234 AO entgegenstehe. Aber auch soweit das nicht der Fall sei, könne die Berufung keinen Erfolg haben. Denn im Jahre 1958 seien nicht nur der Gewinnanteil aus der bis zum 30. Juni 1958 bestehenden OHG anzusetzen, sondern auch der Gewinn der Einzelfirma in der Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1958, da sie insoweit ein Rumpfwirtschaftsjahr im Kalenderjahr 1958 gebildet habe. Wenn im § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages für die neue OHG ausdrücklich bestimmt sei, daß diese ein Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1959 habe, so sei damit negativ festgelegt worden, daß das zweite Halbjahr 1958 nicht in das erste Geschäftsjahr der OHG einbezogen werden solle. Dies sei auch rechtlich nicht möglich gewesen, weil schon handelsrechtlich die OHG ein anderer Kaufmann als der Stpfl. als Einzelkaufmann sei und die OHG daher zum 1. Januar 1959 nach §§ 38 ff. HGB eine Eröffnungsbilanz habe aufstellen müssen. Damit habe ein neuer Ermittlungszeitraum begonnen (im Ergebnis ebenso Leusmann, Die steuerliche Betriebsprüfung 1963 S. 243 unter III; Schlegenberger-Hildebrandt, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 4. Aufl. , § 39 Anm. 7; Staub-Bondi, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, § 39 Anm. 2; Peters-Herrmann, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 15 EStG Anm. 27 e; Reichsgericht in Leipziger Zeitschrift für deutsches Recht 1914 S. 689; Urteil des BFH IV 296/52 U vom 27. August 1953, BFH 58, 170, BStBl III 1953, 357). Aber wenn man auch auf den einzelnen Gesellschafter als Kaufmann abstelle, habe der neueintretende Kaufmann eine Eröffnungsbilanz aufzumachen, in der sämtliches Vermögen der Gesellschaft auszuweisen sei. Auch aus steuerrechtlichen Gründen sei die Veranlagung des Gewinns des Einzelunternehmens vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1958 im Veranlagungszeitraum 1958 geboten. Grundsätzlich stimmten bei der Einkommensteuerveranlagung Ermittlungszeitraum und Veranlagungszeitraum überein. Die Anerkennung eines abweichenden Ermittlungszeitraums nach § 2 Abs. 5 und EStG sei als Ausnahmeregelung eng anzuwenden. Veräußere ein Einzelunternehmer mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr seinen Gewerbebetrieb am 31. Dezember des Jahres, so müsse er für dieses Kalenderjahr neben dem Gewinn aus dem abweichenden Wirtschaftsjahr auch den in dem Rumpfwirtschaftsjahr erzielten Gewinn versteuern. Wirtschaftlich liege eine Veräußerung des Einzelunternehmens insoweit vor, als der Einzelunternehmer einen Gesellschafter aufnehme und ihm einen Anteil an dem Unternehmen übertrage. Dann sei ein Rumpfwirtschaftsjahr bis zum Zeitpunkt des Eintritts des Gesellschafters zu bilden und der Gewinn bis zu diesem Zeitpunkt in dem Kalenderjahr zu versteuern, in dem dieses Rumpfwirtschaftsjahr ende. Im Urteil VI A 604/33 vom 30. April 1935 (RStBl 1935, 1296) habe der RFH entschieden, daß regelmäßig eine einheitliche Gewinnfeststellung erforderlich sei, wenn im Laufe eines Geschäftsjahres anstelle eines ausgeschiedenen Gesellschafters ein neuer Gesellschafter eintrete und der Eintritt mit einer neuen Regelung der Kapital- und Gewinnbeteiligung verbunden ist. Dann sei steuerlich ein Rumpfwirtschaftsjahr der Gesellschaft bis zum Ausscheiden des Gesellschafters zu bilden. Das müsse erst recht beim Eintritt eines Gesellschafters in ein Einzelunternehmen gelten.

Mit seiner als Revision zu behandelnden Rb. beantragt der Stpfl. unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuer 1958 unter Ausscheidung des Gewinns für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1958 festzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung des FA.

Im Urteil IV 284/63 U vom 18. März 1964 (BFH 79, 197, BStBl III 1964, 304) entschied der Senat, daß nach Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft beim verbleibenden Gesellschafter keine Neugründung des Unternehmens vorliege, weil er als Gesellschafter Unternehmer des gesamten Betriebs gewesen sei und nach Ausscheiden des anderen Gesellschafters das bisherige Unternehmen als Einzelunternehmer fortführe. Aus diesem Grunde wurde dem nunmehrigen Einzelunternehmer das Recht versagt, sein Wirtschaftsjahr ohne Einvernehmen des FA auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr umzustellen (§ 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG). Für die im Streitfall zu entscheidende Frage, ob bei Aufnahme eines Gesellschafters in ein Einzelunternehmen das Wirtschaftsjahr des bisherigen Einzelunternehmers im Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft endet, gelten gleichartige Grundsätze. Denn würde man diese Frage bejahen, so müßte folgerichtig im gleichen Zeitpunkt ein neues Wirtschaftsjahr der neugegründeten Personengesellschaft beginnen, so daß diese wie in Fällen der Neugründung eines Unternehmens ihr Wirtschaftsjahr ohne Einvernehmen des FA frei bestimmen könnte. Das wäre nicht gerechtfertigt, weil insoweit die Fälle des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Gesellschaft und des Eintritts eines Gesellschafters in ein Einzelunternehmen nicht unterschiedlich behandelt werden können. Entscheidend für die Beurteilung des Streitfalles ist, ob trotz Aufnahme eines Gesellschafters in ein Einzelunternehmen der bisherige Einzelunternehmer bei wirtschaftlicher Betrachtung sein bisheriges Unternehmen lediglich in andere Rechtsform fortsetzt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn in das Einzelunternehmen ein Gesellschafter mit einer Geldeinlage aufgenommen und das Unternehmen nicht dergestalt verändert wird, daß von einer Neugründung gesprochen werden müßte. So liegen die Verhältnisse hier. Der Gesellschafter wurde mit einer verhältnismäßig geringen Geldeinlage in das Einzelunternehmen des Stpfl. aufgenommen; entscheidende Veränderungen des Unternehmens wurden weder behauptet noch festgestellt. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt ist es ohne Bedeutung, daß die neue Personengesellschaft eine Eröffnungsbilanz aufstellte und daß die einheitliche Gewinnfeststellung nur für die Zeit ab Bestehen der Gesellschaft durchzuführen ist, also den Gewinn des bisherigen Einzelunternehmens nicht enthält. Der Stpfl. konnte nicht gezwungen werden, auf den 31. Dezember 1958 ein Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden, weil das für das Unternehmen als wirtschaftlicher Organismus maßgebende Wirtschaftsjahr durch das Ausscheiden und die Aufnahme eines Gesellschafters nicht berührt wurde. Sollte sich aus dem Urteil des I. Senats I 47/64 vom 11. Oktober 1966 (BFH 87, 153, BStBl III 1967, 86) insoweit, als dort die unentgeltliche Betriebsübertragung bei der Auswirkung auf das Wirtschaftsjahr der Veräußerung gleichgestellt wird, etwas anderes ergeben, so stimmt der erkennende Senat dem I. Senat nicht zu. Die Anrufung des Großen Senats nach § 11 Abs. 3 FGO ist nicht möglich, weil die vom I. Senat zu dieser Frage vertretene Auffassung für die Entscheidung des Falles unerheblich war. Der Gewinn des Stpfl. als Einzelunternehmer bis zum 31. Dezember 1958 und sein Gewinnanteil aus der neugegründeten Personengesellschaft per 30. Juni 1959 sind daher als einheitlicher Unternehmensgewinn gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 2 EStG erst für den Veranlagungszeitraum 1959 zur Einkommensteuer heranzuziehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412711

BStBl III 1967, 753

BFHE 1968, 14

BFHE 90, 14

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