Leitsatz (amtlich)
Der Senat verbleibt bei seiner Rechtsprechung, daß auch dann die Anteile der zu versteuernden Kapitalgesellschaft nicht natürlichen Personen im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG "gehören", wenn diese Anteile im Gesellschaftsvermögen einer Kommanditgesellschaft liegen, an der die zu besteuernde Kapitalgesellschaft selbst als Komplementärin beteiligt ist.
Normenkette
KStG § 19 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) die Voraussetzungen der Vorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG insoweit erfüllt, als ihre Geschäftsanteile zu mindestens 76 v. H. des Nennkapitals natürlichen Personen gehören (müssen).
Die Klägerin - eine GmbH - ist Komplementärin und Geschäftsführerin einer KG; ihr Stammkapital betrug in den Streitjahren (1964 bis 1967) 40 000 DM, ihre Beteiligung an der KG 10 000 DM. An der KG sind als Kommanditisten zwei natürliche Personen mit einer Einlage von je 65 000 DM beteiligt. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die KG.
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung bei der Klägerin sowie bei der KG hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) die Veranlagung der Klägerin für die Streitjahre mit den Bescheiden vom 29. Mai 1969 für endgültig erklärt. Die Gewinne der Klägerin wurden dem Steuersatz von 51 v. H. unterworfen, während die Klägerin die Anwendung des Staffel-Steuersatzes des § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG für geboten hält. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Die Klägerin sei keine personenbezogene Kapitalgesellschaft i. S. der von ihr in Anspruch genommenen Vorschrift. Zwar werde die Anwendbarkeit dieser Vorschrift dann noch bejaht, wenn alle Geschäftsanteile einer GmbH im Betriebsvermögen einer ausschließlich aus natürlichen Personen bestehenden Personengesellschaft lägen (Urteil des BFH vom 2. November 1960 I 173/60 S, BFHE 72, 20, BStBl III 1961, 9). Im Streitfalle sei jedoch an der KG eine Kapitalgesellschaft - die Klägerin selbst - beteiligt. Das FG trete für diesen Fall der Auffassung des BFH bei, wie sie in den Urteilen vom 22. März 1966 I 60/64 (BFHE 85, 503, BStBl III 1966, 434) und vom 17. Februar 1971 I R 8/69 (BFHE 102, 41, BStBl II 1971, 535) zum Ausdruck gekommen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die angefochtenen Bescheide in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 22. September 1969 ersatzlos aufzuheben. Zur Begründung läßt sie vortragen:
Entgegen der in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung sei das Wort "gehören" in § 19 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG nicht allein bürgerlich-rechtlich zu verstehen und - so diese Auffassung - deshalb einer den Besonderheiten des Steuerrechts entsprechenden Auffassung nicht zugänglich. Es sei vielmehr zu vermuten, daß der Steuergesetzgeber bei der Schaffung dieser Vorschrift in steuerrechtlichen Kategorien gedacht habe. Deshalb sei (auch) hier der wirtschaftlichen Betrachtungsweise vor der bürgerlich-rechtlichen der Vorrang zu geben und die offensichtlich bestehende Gesetzeslükke dadurch auszufüllen, daß man zu den natürlichen Personen auch den Zusammenschluß von Personen zu einer Gesamthandsgemeinschaft zähle. Das Wort "gehören" bezeichne im Steuerrecht keineswegs das Eigentum "per se", wie § 11 Nr. 4 StAnpG deutlich mache. Es drücke somit - steuerrechtlich verstanden - nicht die "Rechtszuständigkeit" i. S. der Vorschriften des bürgerlichen und des Handelsrechts aus. Auf die Darstellung von Flume (DB 1972, 53 [60]) werde Bezug genommen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Der Senat stimmt mit der Rechtsauffassung der Klägerin insoweit überein, als auch er zu den natürlichen Personen i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG entsprechend dem Gesetzeszweck den Zusammenschluß von - natürlichen - Personen zu einer Gesamthandsgemeinschaft zählt (BFH-Urteile I 173/60 S und I 60/64). Er kann der Klägerin indes nicht auch insoweit zustimmen, als sie eine Gesamthandsgemeinschaft auch dann noch den natürlichen Personen zugerechnet wissen will, wenn an dieser Gesamthandsgemeinschaft auch eine juristische Person beteiligt ist.
a) Das Steuerrecht knüpft hinsichtlich der Einkommensbesteuerung der Kapitalgesellschaften und der sonstigen für körperschaftsteuerpflichtig erklärten Rechtsgebilde (vgl. § 1 Abs. 1 KStG) an die Begriffe des bürgerlichen und des Handelsrechts an (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 1970 I R 122/68, BFHE 101, 79, BStBl II 1971, 187). Es grenzt sie damit zugleich von den natürlichen Personen ab, die es auch in Ansehung ihrer Zusammenschlüsse zu Personengesellschaften - Gesamthandsgemeinschaften - als Subjekte der Einkommensteuerpflicht behandelt (§ 15 Nr. 2 EStG).
Nach bürgerlichem wie nach Handelsrecht sind den mit den Begriffen der Kapitalgesellschaft und der Personengesellschaft gekennzeichneten Rechtsgebilden - soweit hier von Interesse - bestimmte Sachen und Rechte zugeordnet, die ihr Gesellschaftsvermögen bilden. An diesen Sachen und Rechten haben die Gesellschafter als solche, d. h. als natürliche Personen, im Falle der Kapitalgesellschaft keine, im Falle der Personengesellschaft gesamthänderisch gebundene Herrschaftsrechte. Die das Gesellschaftsvermögen ausmachenden Sachen und Rechte "gehören" im Falle der Kapitalgesellschaft der Gesellschaft selbst, im Falle der Personengesellschaft den Gesellschaftern zur gesamten Hand (das Gesellschaftsvermögen ist als solches gesamthänderisch gebunden; die Gesellschafter können als solche, d. h. als Einzelpersonen, über die einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Sachen oder Rechte nicht verfügen). Ist das aber der Fall, so kann auch hinsichtlich des in § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG verwendeten Begriffs "gehören" nicht daran vorbeigegangen werden, daß hier ebenfalls ein bestimmter Bezug von natürlichen Personen zu Sachen oder Rechten (hier den Geschäftsanteilen an einer Kapitalgesellschaft), ein bestimmtes bürgerlich-rechtliches oder handelsrechtliches Herrschaftsverhältnis angesprochen ist. Sachen und Rechte, die zum Gesellschaftsvermögen einer Gesellschaft "gehören", stehen nach bürgerlichem Recht, nach Handelsrecht wie hier auch nach Steuerrecht der Gesellschaft, nicht ihren Gesellschaftern zu. Nichts anderes hat der erkennende Senat bereits in den Urteilen I 60/64, vom 11. Oktober 1966 I 148/64 (BFHE 87, 80, BStBl III 1967, 33) und I R 8/69 ausgeführt.
b) Die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG meint auch - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht den wirtschaftlichen Bezug, sondern die bürgerliche Rechtszuständigkeit. In der Regel fallen - wie auch Flume in anderem Zusammenhang an der von der Klägerin angezogenen Stelle ausgeführt hat - wirtschaftliches und zivilrechtliches Herrschaftsrecht zusammen. Aber selbst wenn man unterstellte, daß die Besteuerung hier mit dem Begriff "gehören" auf einen wirtschaftlichen Bezug abstellte, d. h. als Steuertatbestand der wirtschaftliche Tatbestand der Vermögenszugehörigkeit gemeint sei, könnte nichts anderes gelten. Denn so lange man nicht den Begriff der juristischen Person als Rechtspersönlichkeit (und als Subjekt der Steuerpflicht) aufgibt, sind - auch wirtschaftlich betrachtet - die ihr Gesellschaftsvermögen ausmachenden Sachen und Rechte ihr - der juristischen Person - zuzurechnen.
2. Daraus folgt, daß in allen Fällen, in denen Anteile an der zu besteuernden Kapitalgesellschaft zum Gesellschaftsvermögen einer Gesamthandsgemeinschaft gehören, an der auch eine Kapitalgesellschaft beteiligt ist, mit Sicherheit nicht mehr davon gesprochen werden kann, daß diese Anteile an der zu besteuernden Kapitalgesellschaft natürlichen Personen "gehörten".
Dies übersieht auch die Kritik von Brezing (Anm. zum BFH-Urteil I R 8/69 in FR 1971, 468), die die Bestimmung des Begriffs "gehören" statt am bürgerlichen und am Handelsrecht allein an steuerrechtlichen Vorschriften orientiert sehen will. Wollte man allein dem Wortlaut des Gesetzes folgen, wäre auch in jenen Fällen die Voraussetzung des § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG nicht erfüllt, in denen an der Gesamthandsgemeinschaft ausschließlich natürliche Personen beteiligt sind. Es entspricht aber - wie im Urteil I 60/64 dargelegt - nach Auffassung des Senats dem Zweck des Gesetzes, die Vorschrift hier erweiternd auszulegen.
Der Senat sieht auch nach nochmaliger Prüfung seiner Rechtsprechung keinen Anlaß, sie aufzugeben oder in Teilen von ihr abzuweichen. Auch der Gesetzgeber hat in Ansehung dieser Rechtsprechung trotz mehrfacher zwischenzeitlicher Änderung der Vorschrift des § 19 KStG (vgl. die Steueränderungsgesetze vom 13. Juli 1961, BStBl I 1961, 444 - 448 -, und vom 21. Dezember 1967, BStBl I 1967, 484 - 485 -) keinen Anlaß genommen, die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KStG i. S. der Zielvorstellungen der Klägerin neu zu fassen.
Fundstellen
Haufe-Index 70687 |
BStBl II 1974, 15 |
BFHE 1974, 365 |