Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wirken Musiker im Rahmen einer von Fall zu Fall zusammengestellten Kapelle bei Darbietungen unterhaltender Art (einschließlich Tanzmusik) im Rundfunk und für Schallplattenaufnahmen mit, so üben sie im allgemeinen eine selbständige (künstlerische), nicht eine gewerbliche Tätigkeit aus.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1, § 34 Abs. 5, § 34/4
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Musiker. Im Streitjahr 1950 war er hauptberuflich als Arbeitnehmer in einer Tanzkapelle angestellt, die zumeist in Clubs spielte. Daneben wurde er vom Rundfunk und von einem Schallplattenunternehmen, jeweils auf Vorschlag des Kapellmeisters X, von Fall zu Fall zu Tonaufnahmen herangezogen. Strittig ist, ob dem Bf. für diese Nebeneinkünfte (insgesamt 1.340 DM) die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zusteht. Die Vorbehörden haben dies verneint, weil diese Vergünstigung nur für (bestimmte) Einkünfte aus selbständiger Arbeit gelte, die Nebeneinkünfte des Bf. aber eben so wie dessen Haupteinkünfte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien. Arbeitgeber seien dabei Rundfunk und Schallplattenunternehmen. Der Bf. sei in deren Unternehmen derart eingegliedert gewesen, daß er den Weisungen der Unternehmer hinsichtlich Art und Zeit der Arbeit zu folgen verpflichtet gewesen sei. Auch Musiker, die von Fall zu Fall, sei es auch nur für einige Stunden, zu Veranstaltungen eines Unternehmers herangezogen würden, gälten nach herrschender Rechtslehre als Arbeitnehmer dieses Unternehmers, sofern sie nicht schon als Arbeitnehmer im Rahmen einer ständigen, also nicht erst für die jeweilige Veranstaltung zusammengestellten Kapelle mitwirkten. Der Bf. habe selbst bekundet, daß der Kapellmeister X kein ständiges Orchester beschäftigte, sondern seine Kapelle von Fall zu Fall zusammenstelle. Eine Ausnahme von dieser Regel könne nur dann gemacht werden, wenn der Steuerpflichtige als Solist tätig gewesen sei. In diesem Falle sei er als freiberuflicher Musiker anzusehen. Das letztere treffe aber für den Bf. nicht zu. Als Solist in diesem Sinne komme nur ein Musiker in Betracht, der weiten Kreisen des Publikums als hervorragender Musikinterpret bekannt sei, dessen Name Zugkraft besitze und der in seiner Eigenart durch einen anderen Künstler nicht ersetzt werden könne. Der Bf. möge zwar als Solist innerhalb von einzelnen Stellen des jeweiligen Stückes in der Weise tätig gewesen sein, daß er die Melodie allein übernommen habe. Das reiche aber noch nicht aus, ihn als Solisten in dem dargelegten Sinne anzusprechen. Daß der Bf. schriftliche Anstellungsverträge nicht abgeschlossen habe und die Unternehmer keine Lohnsteuer einbehalten hätten, der Bf. im Gegenteil Umsatzsteueranmeldungen abgegeben habe, sei für die rechtliche Beurteilung nicht entscheidend. Die Vorbehörde verwies zu allem insbesondere auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 165/36 vom 28. Januar 1937, Reichssteuerblatt (RStBl) 1937 S. 866, die Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 15/50 vom 18. April 1950, Slg. Bd. 54 S. 462, Steuerrechtsprechung in Karteiform (StRK) § 19 Abs. 1 Ziff. 1 EStG Rechtsspruch 4 und die amtlich nicht veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 504/52 vom 3. Juni 1953, Deutsche Steuer-Rundschau 1953 S. 405.
Selbst wenn aber der Bf. nicht als Arbeitnehmer der Rundfunk- und Schallplattenunternehmen anzusehen gewesen wäre, hätte, wie die Vorinstanz weiter ausgeführt hat, die Steuervergünstigung nicht gewährt werden können. Die Tätigkeit des Bf. in der Tanzkapelle und die Mitwirkung im Rundfunk und bei Schallplattenunternehmen sei, wirtschaftlich betrachtet, derart gleichartig gewesen, daß eine einwandfreie Abgrenzung zwischen beiden Tätigkeiten, wie sie § 34 Abs. 5 EStG verlange, nicht möglich wäre.
In seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) wiederholt der Bf. die bisherige gegenteilige Auffassung. Auch er nimmt im übrigen Bezug auf die Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs IV 15/50 vom 18. April 1950; aus ihr sei zu schließen, daß bei Tätigwerden nur für einzelne Stunden die beteiligten Musiker noch nicht als Arbeitnehmer des Unternehmers, der die musikalische Veranstaltung betreibe, zu betrachten seien. Er sei im übrigen als Künstler anzusprechen. Die Vergünstigung sei auch zu gewähren, wenn die Nebentätigkeit auf dem gleichen Gebiet wie die Haupttätigkeit liege. Nach Art und Bericht der Arbeit ließen sich trotzdem Haupt- und Nebentätigkeit ausreichend voneinander abgrenzen. Vor allem überwiege bei der Nebentätigkeit die solistische Mitwirkung im Gegensatz zur Tätigkeit in der Tanzkapelle. Auch die auftraggebenden Rundfunkanstalten bezeichneten ihn als freien Mitarbeiter. Er bekomme keine Zahlungen im Krankheitsfalle, habe keine Urlaubsansprüche und bei Streitigkeiten seien die ordentlichen Gerichte zuständig.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Der Senat hat in dem ähnlich liegenden Fall IV 106/54 U am heutigen Tage dahin entschieden, daß bei zeitlich eng begrenztem Mitwirken von Musikern im Rundfunk und bei Schallplattenaufnahmen von Fall zu Fall in der Regel noch keine ausreichend feste Eingliederung in den Organismus des Rundfunk- (Schallplatten-) Unternehmens vorliegt und deshalb ein Arbeitsverhältnis im Sinne von § 19 Abs. 1 EStG zwischen dem Musiker und dem Rundfunk- (Schallplatten-) Unternehmen nicht anzunehmen ist. Das gilt auch dann, wenn der Musiker hauptberuflich als Arbeitnehmer in einem ständigen Orchester (einer Kapelle) tätig ist und im Rundfunk beziehungsweise bei den Schallplattenaufnahmen ebenfalls im Rahmen eines gemeinsam konzertierenden Klangkörpers mitwirkt, es sei denn, daß diese Mitwirkung wirtschaftlich noch als eine Arbeitsleistung gegenüber dem ständigen (hauptberuflichen) Arbeitgeber anzusehen ist. Eine solche Ausnahme wird im allgemeinen jedoch nur anzunehmen sein, wenn die jeweilige Darbietung unmittelbar und allein zwischen der Orchester- (Kapellen-) leitung und dem bestellenden Unternehmen vertraglich vereinbart ist. Auch eine wiederholte Mitwirkung des einzelnen Musikers ändert an der Betrachtungsweise noch nichts, sofern die Mitwirkung nicht planmäßig vereinbart und damit die Arbeitskraft für einen nicht unerheblichen Zeitraum gegenüber dem Rundfunk- (Schallplatten-) unternehmen gebunden wird oder, wie im Falle des Urteils des Reichsfinanzhofs VI A 165/36 vom 28. Januar 1937, RStBl 1937 S. 866, eine Vereinigung von Musikern ausschließlich für eine voraussichtlich längere Mitwirkung im Rundfunk geschaffen wird. Im einzelnen wird auf die Begründung des Urteils IV 106/54 U Bezug genommen.
Da nach dem von der Vorbehörde festgestellten Sachverhalt der zuletzt erwähnten Ausnahmefall erheblicher zeitlicher Bindung im Streitfall nicht gegeben ist, hat die Vorentscheidung rechtsirrtümlich § 19 Abs. 1 EStG angewendet.
Es bleibt bei dieser Rechts- und Sachlage zu prüfen, ob die Nebentätigkeit des Bf. als selbständige Arbeit (künstlerische Tätigkeit) im Sinne von § 18 Abs. 1 Ziff. 1 und § 34 Abs. 5 EStG oder als solche gewerblicher Art (ß 15 EStG) anzusehen ist. Eine künstlerische Tätigkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur dann vor, wenn das Geschaffene (die Darbietung) ein "Kunstwerk" ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies bei Darbietung bloßer Unterhaltungs- oder Tanzmusik, wie sie nach dem Akteninhalt im Streitfall zum mindesten großenteils in Betracht kommt, grundsätzlich zu bejahen ist, auch wenn die Güte der Darbietung auf künstlerischer Höhe liegt. Der Senat bejaht die Frage jedenfalls bei Darbietungen im Rundfunk und für die Herstellung von Schallplatten, weil in diesen Fällen eine ausreichende Gewähr dafür geboten sein dürfte, daß nur künstlerisch ausgereifte Schöpfungen der Allgemeinheit als Hörer bzw. Käufer dargeboten werden sollen. Hier kommt infolgedessen die gewerbliche Natur, die dem Aufspielen zum Tanze, aber auch der Tätigkeit von Unterhaltungskapellen vielfach noch anhaftet, insbesondere wenn es sich um eine mehr handwerksmäßige Ausübung handelt, die künstlerische Leistung jedenfalls nicht im Vordergrund steht - vgl. Abschnitt 14 Abs. 1 am Ende und Abschn. 16 Abs. 3 der Gewerbesteuerrichtlinien - nicht zu Raum.
Der Senat sieht deshalb in der Nebentätigkeit des Bf. eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG.
Eine ausreichende Abgrenzbarkeit gegenüber den Bezügen aus nichtselbständiger Arbeit (der Haupttätigkeit) im Sinne von § 34 Abs. 5 EStG ist schon dadurch gegeben, daß die Nebentätigkeit eine andere Einkunftsart ist.
Hiernach ist dem Bf. die Vergünstigung des § 34 Abs. 5 EStG für die strittige Nebentätigkeit zuzubilligen.
Fundstellen
Haufe-Index 408306 |
BStBl III 1956, 112 |
BFHE 1956, 302 |
BFHE 62, 302 |