Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Kosten für Familienheimfahrten aus dem Ausland als Werbungskosten eines Arbeitnehmers.
Reisekosten im Sinne von § 19 Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1957 sind auch Fahrtkosten, die ein Arbeitgeber für eine Besuchsreise der Ehefrau trägt, sofern diese Besuchsreise an die Stelle einer Familienheimfahrt des Arbeitnehmers tritt und der Arbeitnehmer die Reisekosten als Werbungskosten hätte geltend machen können, wenn er sie aus eigener Tasche bezahlt hätte.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 2 Nr. 2; LStDV § 4 Ziff. 2
Tatbestand
Der Bg. ist angestellter Ingenieur einer deutschen GmbH, einer Tochtergesellschaft eines amerikanischen Konzerns. Die Konzernleitung sandte den Bg. am 29. April 1957 nach Tokio zu einer anderen Konzerngesellschaft, um dort einige Zeit beim Aufbau mitzuarbeiten. Das Gehalt zahlte die deutsche GmbH weiter; die japanische Gesellschaft erstattete ihr diese Beträge und übernahm auch die Kosten der Reise und des Aufenthalts des Bg. in Japan. Die Abordnung endete am 22. Dezember 1957. Die Konzernleitung, deren etwa 75 Tochtergesellschaften in der ganzen Welt zerstreut sind, hat allgemeine Richtlinien für die Erstattung der Reisekosten aufgestellt. Danach darf ein Arbeitnehmer seine Ehefrau auf Kosten der Gesellschaft mitnehmen, wenn er mehr als sechs Monate abwesend ist. Kann die Ehefrau nicht mitreisen, so übernimmt die Firma während einer sechsmonatigen Abwesenheit die Kosten für wenigstens eine Heimreise. Um Arbeitsausfälle zu vermeiden, empfiehlt der Konzern aber, statt der Heimreise die Ehefrau an den Arbeitsort mitzunehmen. Der Bg. ließ anstelle einer Heimfahrt zu seiner Familie seine Ehefrau für die Zeit vom 3. Juni bis 3. Oktober 1957 nach Tokio kommen. Die japanische Firma zahlte die Kosten der Flugreise für die Hin- und Rückfahrt (4.500 DM) und die übernachtungskosten (615 DM), und sie erstattete auch die Verpflegungskosten (492 DM) und sonstigen Ausgaben (600 DM).
Das Finanzamt rechnete die von der japanischen Firma insgesamt gezahlten Kosten von 6.200 DM den Einkünften des Bg. aus nichtselbständiger Arbeit zu. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht, dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1965 S. 223 veröffentlicht ist, hielt die Kosten der Flugreise (4.500 DM) für eine steuerfreie Zahlung von Reisekosten nach § 19 Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1957. Es führte aus, Reisekosten im Sinne dieser Vorschrift seien auch die Kosten einer Familienheimfahrt. Die übrigen ersetzten Aufenthaltskosten der Ehefrau seien dagegen zusätzlicher Arbeitslohn, da damit Kosten der allgemeinen Lebenshaltung abgegolten worden seien. Diesen Einnahmen stünden auch keine Werbungskosten in gleicher Höhe gegenüber.
Entscheidungsgründe
Die Rb., mit der der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des § 19 Abs. 2 Ziff. 2 EStG rügt, ist unbegründet.
Nach § 19 Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1957 (ß 4 Ziff. 2 LStDV 1955) gehören nicht zum Arbeitslohn Beträge, die privaten Arbeitnehmern für Reisekosten und Fahrtauslagen gezahlt werden, soweit sie die tatsächlichen Aufwendungen nicht übersteigen. "Reisekosten" sind grundsätzlich auch die Kosten für beruflich bedingte Familienheimfahrten im Sinne von Abschn. 22 Abs. 3 LStR 1955. Zahlt der private Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diese Kosten, so sind die Zahlungen nicht Arbeitslohn, soweit der Arbeitnehmer die Beträge als Werbungskosten absetzen könnte, wenn er sie aus eigener Tasche bezahlte (Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Reisekosten" Ziff. 7 Abs. 2 sowie Abschn. 22 Abs. 6 Satz 1 LStR 1955).
Bezahlt ein privater Arbeitgeber die Fahrtkosten für eine an die Stelle einer Familienheimfahrt des Arbeitnehmers getretene Besuchsreise von nahen Familienangehörigen, so gehört auch dieser Kostenersatz nicht zum Arbeitslohn, vorausgesetzt, daß die Fahrtkosten, wenn der Arbeitnehmer sie selbst getragen hätte, als Werbungskosten anzuerkennen wären. Kosten von Besuchsreisen naher Angehöriger sind, wie der Senat im Urteil VI 209/64 vom 29. Januar 1965 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965 S. 373) ausgeführt hat, Werbungskosten, wenn z. B. der Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen oder wegen eigener Erkrankung nicht zu seiner Familie fahren kann. Da Familienheimfahrten in erster Linie den Arbeitnehmer mit seinen Angehörigen zusammenführen sollen, kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer seine Familie an seinem Wohnort oder an seinem Arbeitsort wiedersieht. Besuchsreisen von nahen Familienangehörigen zum Arbeitsort können daher ähnlich wie Kosten von Familienheimfahrten des Arbeitnehmers als Reisekosten im Sinne von § 19 Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1957 (bzw. § 4 Ziff. 2 LStDV 1955) anerkannt werden. Aus solchen überlegungen wird nach dem öffentlichen Reisekostenrecht auch Beamten bei Besuch der Ehefrau oder anderer Familienmitglieder eine nach § 3 Ziff. 13 EStG 1957 steuerfreie Reisebeihilfe in Anrechnung auf zustehende Familienheimfahrt gewährt.
Unter diesen Gesichtspunkten konnte das Finanzgericht ohne Rechtsverstoß die von der japanischen Gesellschaft für die Flugreise der Ehefrau gezahlten Kosten als nach § 19 Abs. 2 Ziff. 2 EStG steuerfrei behandeln. Hätte der Bg. während seiner vorübergehenden Abordnung eine Familienheimfahrt nach Deutschland gemacht, so wären die ihm ersetzten Fahrtkosten nach § 19 Abs. 2 Ziff. 2 EStG 1957 steuerfrei gewesen. Der Streitfall liegt ähnlich wie der im Urteil VI 209/64 a. a. O. behandelte Fall, in dem der Senat bei Versetzung eines amerikanischen Staatsangehörigen nach Deutschland zwei Familienheimfahrten nach den USA als Werbungskosten anerkannt hat. Bei der etwa achtmonatigen Abordnung nach Japan wäre mindestens eine Familienheimfahrt des Bg. von Tokio nach Deutschland als beruflich veranlaßt anzuerkennen gewesen. Damit ist auch die anstelle der Heimreise getretene Besuchsfahrt der Ehefrau nach Tokio als durch die Abordnung des Bg. beruflich veranlaßte Reise anzuerkennen. Da die japanische Gesellschaft die Kosten übernommen hat, ist der Kostenersatz nach § 19 Abs. 2 Ziff. 2 EStG nicht Teil des Arbeitslohns. Der Bg. hat auf Empfehlung des Konzerns statt einer Familienheimfahrt im Interesse des Dienstes seine Ehefrau kommen lassen.
Entgegen der Ansicht des Finanzamts sind die Kosten nicht etwa deshalb Kosten der Lebensführung, weil die Ehefrau ihre Reise schon nach einer einmonatigen Abwesenheit des Bg. angetreten hat. Man rechnete jedenfalls mit einer längeren Beschäftigung in Japan. Unter diesen Umständen kann es keinen wesentlichen Unterschied machen, ob die Besuchsfahrt nach Japan am Anfang oder am Ende der Abordnung stand.
Das Finanzamt weist noch darauf hin, daß Beamten bei einer Abordnung im Inland erst nach zweimonatiger Abwesenheit eine Reisebeihilfe gewährt wird. Abgesehen davon, daß die Vorschrift des öffentlichen Dienstes bei privaten Arbeitnehmern nicht ohne weiteres anzuwenden sind (vgl. Urteile des Senats VI 264/62 S vom 22. November 1963, BStBl 1964 III S. 141, Slg. Bd. 78 S. 364; VI 209/64 a. a. O.), ist dieser Vergleich schon deswegen nicht berechtigt, weil der Bg. ins Ausland abgeordnet war.
Das Finanzgericht hat daher zu Recht die ersetzten Fahrtkosten der Flugreise nicht als Arbeitslohn erfaßt. Zu der Frage, ob die erstatteten übernachtungskosten, Verpflegungskosten und sonstigen Ausgaben der Ehefrau steuerfreie Reisekosten sind, braucht der Senat nicht Stellung zu nehmen, da diese Frage nicht mehr streitig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 411840 |
BStBl III 1966, 75 |
BFHE 1966, 207 |
BFHE 84, 207 |