Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Abbruchkosten eines Gebäudes sind Betriebsausgaben, wenn der Restbuchwert des abgebrochenen Gebäudes durch eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung nach § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG abgeschrieben werden kann. Die insoweit anders lautende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Urteil I 74/58 S vom 2. Juni 1959 (BStBl 1959 III S. 323) wird mit Zustimmung des I. Senats des Bundesfinanzhofs aufgegeben. EStG § 4 Abs. 4, § 5, § 6 Abs. 1 Ziff. 1, § 7.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, §§ 5, 6/1/1, § 7
Tatbestand
Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1960, ob Abbruchkosten einer Werkhalle in Höhe von 13 421 DM als Betriebsausgaben oder als Herstellungskosten für die Errichtung eines neuen Fabrikgebäudes anzusehen sind.
Die beschwerdeführende KG (Bfin.) ist ein Herstellungsbetrieb. Sie besaß eine um 1920 aus Holz errichtete, etwa 200 qm große eingeschossige Werkhalle, die mit ihren Einrichtungen dem Beizen des bearbeiteten Metalls diente. Durch die Ausweitung des Betriebes im Laufe der letzten 15 Jahre waren die Beizereianlagen und die Räume unzulänglich und wegen des ständigen Gebrauchs ätzender Flüssigkeit baufällig geworden. Die Firma hatte schon vor Jahren die gewerbepolizeiliche Auflage zur Beseitigung des bisherigen Zustandes erhalten.
Im Jahre 1960 brach sie das Beizereigebäude und die darin befindlichen Anlagen ab. über die alte Grundfläche hinaus errichtete sie eine neue Halle mit einer Grundfläche von nunmehr 1500 qm. Die Beizereieinrichtungen, die anstelle der früheren Beizerei traten, befanden sich jedoch über der Grundfläche der früheren Halle, wenn auch in einem etwas verkleinerten Umfang. Der übrige Teil der neuen Halle wird für andere Zwecke verwendet.
Das Finanzamt erkannte die Abschreibung des Restbuchwerts der abgebrochenen Halle in Höhe von 1942 DM im Jahre 1960 an. Die Abbruchkosten in Höhe von 13 421 DM rechnete es jedoch unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 74/58 S vom 2. Juni 1959 (BStBl 1959 III S. 323, Slg. Bd. 69 S. 162) den Herstellungskosten des neuen Fabrikgebäudes zu.
Die Sprungberufung der Bfin. blieb erfolglos. Das Finanzgericht ging davon aus, daß nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 74/58 S zwar der Restbuchwert eines technisch oder wirtschaftlich verbrauchten Betriebsgebäudes im Zeitpunkt des Abbruchs abgeschrieben werden könne, die Abbruchkosten dagegen regelmäßig den Herstellungskosten des Neubaus zuzurechnen seien. Der Fall des Neubaus könne nicht anders behandelt werden als der Fall des Umbaus, bei dem die Abbruchkosten den Herstellungskosten des umgebauten Gebäudes zugerechnet würden. Trotz der im Schrifttum insbesondere von Schneeweiß (Der Betriebs-Berater 1961 S. 445) und Hoffmann (Neue Betriebswirtschaft 1960 S. 27) erhobenen Einwendungen habe der Bundesfinanzhof bis in die jüngste Zeit an dem bezeichneten S-Urteil festgehalten (vgl. Urteile VI 127/60 U vom 19. Mai 1961, BStBl 1961 III S. 114, Slg. Bd. 73 S. 238, VI 114/60 vom 6. Oktober 1961, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1962 S. 53). Dieser Auffassung trete das Finanzgericht bei. Allerdings hänge die Entscheidung von den Verhältnissen des Einzelfalles ab. Wenn indessen von vornherein wie im Streitfall die Absicht bestehe, eine neue Werkhalle zu errichten, weil die alte Werkhalle technisch oder wirtschaftlich verbraucht gewesen sei, dann seien die Abbruchkosten ihrem Wesen nach Herstellungskosten des Neubaus. Denn um die Absicht zu verwirklichen, sei es nötig, die alte Werkhalle abzureißen. Bei einheitlicher Betrachtung stünden die Abbruchkosten mit dem Neubau in so enger Beziehung, daß sie notwendige Aufwendungen darstellten, um den Neubau zu ermöglichen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Bfin. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das Finanzamt.
Im Urteil I 74/58 S hat der Bundesfinanzhof ausgesprochen, daß die Abbruchkosten zu den Herstellungskosten des neuen Gebäudes, nicht zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehörten. Denn da bei Umbauten die Abbruchkosten im allgemeinen zu den Herstellungskosten des umgebauten Gebäudes gerechnet werden müßten, sei es nicht vertretbar, nicht auch dort, wo ein Gebäude abgerissen und ein neues Gebäude an seiner Stelle errichtet werde, die Abbruchkosten dem Herstellungsaufwand für das neue Gebäude zuzurechnen. Die Abbruchkosten könnten nur dann zu den laufenden Unkosten zählen, wenn auf einem Grundstück Anlagen errichtet würden, die nach kurzer Zeit wieder beseitigt werden sollten, z. B. Baracken.
Diese Rechtsauffassung gibt der Senat mit Zustimmung des I. Senats (ß 66 Abs. 1 Satz 2 der Reichsabgabenordnung) auf.
Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob die Abbruchkosten bei Umbauten zu den Herstellungskosten des umgebauten Gebäudes gehören. Wird ein Gebäude völlig abgebrochen und darf sein Restbuchwert wegen außergewöhnlicher technischer oder wirtschaftlicher Abnutzung abgeschrieben werden (ß 7 Abs. 1 Ziff. 4 EStG), so sind auch die Abbruchkosten als Betriebsausgaben zu behandeln. Denn jedenfalls beim Abbruch mit anschließendem Neubau tritt an die Stelle des bisherigen Wirtschaftsgut ein anderes Wirtschaftsgut. Das bisherige Wirtschaftsgut geht unter. Die Abbruchkosten sind dann als Aufwendungen anzusehen, die durch eine wirtschaftlich mit dem abgebrochenen Gebäude in Zusammenhang stehende Maßnahme ausgelöst werden. Sie stellen, ähnlich wie die Aufwendungen zur Erhaltung des Gebäudes, einen Teil der Gesamtaufwendungen für das abgebrochene und nunmehr auch bilanzmäßig nicht mehr vorhandene Gebäude dar, die den Wert des neuen Gebäudes nicht erhöhen. Wie im Urteil I 74/58 S mit Recht ausgeführt wird, kommt auch ihre Aktivierung auf den Grund und Boden nicht in Betracht. Die Abbruchkosten sind deshalb sofort abziehbare Betriebsausgaben.
Der VI. Senat vertrat im Urteil VI 330/61 U vom 21. Juni 1963 (BStBl 1963 III S. 477, Slg. Bd. 77 S. 428) ganz allgemein die Auffassung, daß der Abzug der Abbruchkosten nach den für die Abschreibung des Restbuchwert eines abgebrochenen Gebäudes geltenden Grundsätzen zu beurteilen sei. An dem diese Grundsätze einschränkenden Urteil VI 157/63 vom 23. März 1964, HFR 1964 S. 291, hält der VI. Senat auf Anfrage nicht mehr fest.
Entscheidend dafür, daß der Restbuchwert des abgebrochenen Gebäudes abgeschrieben werden kann und demgemäß die Abbruchkosten als Betriebsausgaben anzuerkennen sind, ist die Tatsache des Abbruchs durch den Kaufmann. Mit dem Abbruch bringt der Kaufmann im allgemeinen zum Ausdruck, daß das abgebrochene Gebäude für ihn wirtschaftlich verbraucht ist. Dieser Entscheidung des Kaufmanns, der die Verhältnisse seines Betriebs selbst am besten kennt, ist auch für die steuerliche Beurteilung zu folgen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn anstelle des abgebrochenen Gebäudes ein Neubau errichtet wird. Zu Sonderfällen, wenn z. B. ein Gebäude in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb abgebrochen wird oder wenn der Abbruch den Grund und Boden zur Herrichtung eines Lagerplatzes oder eines Parkplatzes freimachen soll, nimmt der Senat nicht Stellung.
Im Streitfall erkannten die Vorinstanzen die Ausbuchung des Restbuchwerts der abgebrochenen Beizereihalle an. Die Akten lassen in dieser Hinsicht keinen Rechtsirrtum erkennen. Deshalb sind auch die Abbruchkosten laufende Betriebsausgaben; eine Aktivierung bei den Herstellungskosten der neu erstellten Halle scheidet aus.
Unter Aufhebung der Vorentscheidung wird die Sache an das Finanzamt zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 411467 |
BStBl III 1965, 323 |
BFHE 1965, 214 |
BFHE 82, 214 |
BB 1965, 573 |
DB 1965, 726 |
DStR 1965, 338 |