Leitsatz (amtlich)

Die Teilnahme an einem Bildungslehrgang an einer Bundeswehrfachschule gemäß Nr. 7 der Richtlinien für die Zulassung von Unteroffizieren zur Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes (Ministerialblatt des Bundesministers der Verteidigung 1966 S. 266) ist Teil der Berufsausbildung. Die einem Berufssoldaten durch die Teilnahme am Lehrgang entstandenen Aufwendungen sind keine Werbungskosten; sie können nur im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG als Sonderausgaben berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG 1971 § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 9

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Berufssoldat. Er besuchte im Streitjahr 1973 an 122 Tagen die Bundeswehrfachschule in K. Für die täglichen Fahrten von seinem Wohnort E nach K benutzte er seinen PKW. Als Werbungskosten begehrte er die Berücksichtigung von Fahrtkosten an 122 Tagen zu je 0,36 DM, insgesamt 2 515,96 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) berücksichtigte lediglich 900 DM als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG.

Das FG gab seiner Klage statt. Es ging davon aus, daß der Kläger im Streitjahr 1973 als Berufssoldat mit dem Dienstgrad eines Hauptfeldwebels die Bundeswehrfachschule besucht habe, was ausschließlich dem Zweck gedient habe, ihn in seinem Beruf als Berufssoldat fortzubilden. In der Bundeswehrfachschule würden Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit in einer Gruppe und nach dem gleichen Unterrichtsplan unterrichtet. Er habe nicht speziell in seiner Eigenschaft als Berufssoldat am Unterricht teilgenommen. Unterrichtsfächer seien gewesen: Deutsch, Mathematik, Englisch, Politik, Geschichte, Erdkunde, Physik, Chemie, Biologie. Der erfolgreiche Besuch der Bundeswehrfachschule sei Zulassungsvoraussetzung für die Laufbahn der Offiziere des militär-fachlichen Dienstes (Aufstieg vom mittleren Dienst in den gehobenen Dienst). Zu den durch den Besuch der Bundeswehrfachschule erwachsenen Aufwendungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG gehörten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Arbeitsstätte sei dabei der Ort, an den sich ein Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers begebe, der ihm den Arbeitslohn zahle. Nach dieser Definition sei es unerheblich, welche Tätigkeit der Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers ausübe. Der Ort der dienstlichen Tätigkeit des Klägers sei deshalb als "Arbeitsstätte" zu bezeichnen. Nur auf Fahrten zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte sei die allgemeine Begriffsbestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG anzuwenden. Nur für diesen allgemeinen Werbungskostenbegriff hätte es von Bedeutung sein können, daß der Kläger die Bundeswehrfachschule nicht besuchen mußte, um seinen Sold für die Tätigkeit, die er vorher zu leisten hatte, "zu erhalten". Denn für die Erhaltung der Bezüge für die bisherige Tätigkeit sei der Besuch der Bundeswehrfachschule nicht erforderlich - er habe die Schule im Gegenteil besucht, um später andere Einnahmen, nämlich als Soldat im gehobenen Dienst, erzielen zu können. Diese Zielrichtung habe die Arbeitsstätte nicht zu einer Ausbildungsstätte gemacht, obwohl das Interesse des Klägers, in den gehobenen Dienst zu kommen, für Ausbildung spreche; denn er bekomme auch für die Tätigkeit an der Bundeswehrfachschule seinen Sold als Hauptfeldwebel und besuche als Gegenleistung diese Schule. Das persönliche Interesse des Soldaten werde überlagert durch das der Bundeswehr an geeigneten Offizieren und durch die Eingliederung in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis. Darum seien die Fahrtkosten auch nicht zum Teil nichtabsetzbare Kosten der Lebensführung im Sinne des § 12 Nr. 1 EStG, sondern es seien weitaus überwiegend durch den Beruf verursachte Aufwendungen.

Das FG folge damit nicht der Ansicht des BFH (so im Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 255/70, BFHE 104, 220, BStBl II 1972, 242), der auf die Art der Tätigkeit abstelle, wonach das Nachholen der Allgemeinbildung stets Ausbildung wäre. Der Fall zeige auch die Bedenken, die gegen eine typisierende Lösung durch die Rechtsprechung zu erheben seien, zumal nach dem Gesetz nicht über typische Verhältnisse, sondern über die des Klägers zu entscheiden sei. Aus diesen Gründen habe das FG keinen Anlaß, der Frage weiter nachzugehen, ob "Soldat" ein Beruf sei oder ob es durchaus auch verschiedene Soldatenberufe gebe und alle Soldaten als verbindendes Element lediglich denselben Dienstherrn hätten (vgl. Urteil des BFH vom 4. August 1967 VI R 262/66, BFHE 90, 21, BStBl III 1967, 774). Zur Stütze seiner Auffassung verwies das FG ferner auf das Urteil des BFH vom 21. Januar 1972 VI R 337/70, BFHE 104, 203, BStBl II 1972, 261), das bei einem Finanzanwärter darauf abgestellt habe, daß dieser bereits in einem dem gewählten Beruf entsprechenden öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gestanden habe, wenn auch dort der Inhalt der Ausbildung nicht Allgemeinbildung, sondern berufsbezogene Fachbildung gewesen wäre. Das FG entschied demgemäß dahin, daß unter Abänderung des Bescheids des FA vom 28. November 1972 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 1972 der bei der Eintragung in die Lohnsteuerkarte 1973 zu berücksichtigende Betrag für die Fahrten von E nach K auf 2 515,96 DM festgesetzt werde.

Mit der vom FG zugelassenen und fristgerecht eingelegten Revision rügte das FA Verletzung materiellen Rechts, nämlich des § 12 Nr. 1 EStG. Es machte geltend, Ausbildungskosten, zu denen auch die Kosten für die Fahrt von der Wohnung zur Ausbildungsstätte gehörten, seien grundsätzlich Aufwendungen für die Lebensführung im Sinne von § 12 Nr. 1 EStG, die nur als Sonderausgaben im Rahmen des § 10 EStG abzugsfähig seien. Der Kläger sei nach den Feststellungen des FG an der Bundeswehrfachschule ausschließlich in allgemeinbildenden Fächern unterrichtet worden. Dann aber gehörten seine Aufwendungen grundsätzlich zu den Ausbildungskosten und nicht zu den als Werbungskosten abzugsfähigen Fortbildungskosten. Das FG habe sich mit der Art der Ausbildung des Klägers nur am Rande befaßt. Zu Unrecht meine das FG, der BFH habe im Urteil VI R 255/70 eine der Rechtsprechung nicht zukommende typisierende Auslegung betrieben, wenn er das Nachhclen der Allgemeinbildung als Ausbildung bewerte. Das FG habe damit die grundlegende rechtssystematische Bedeutung des Begriffspaares Ausbildungs- und Fortbildungskosten verkannt, das eine Abgrenzung der nichtabzugsfähigen von den abzugsfähigen Bildungsaufwendungen ermöglichen solle. Bei dieser Rechtslage könne es im Einzelfall nicht unentschieden bleiben, ob geltend gemachte Aufwendungen Ausbildungs- oder Fortbildungskosten seien. Der Hinweis auf das bei Soldaten bestehende Dienstverhältnis sei für sich jedenfalls nicht geeignet, die Grundsätze des Urteils VI R 255/70 zu widerlegen.

Der Kläger hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Mit dem FG ist er der Auffassung, daß es sich bei dem Besuch der Bundeswehrfachschule nur um die Wahrnehmung dienstlicher Obliegenheiten gehandelt habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für den Besuch allgemeinbildender Schulen gehören nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich zu den nach § 12 Nr. 1 EStG steuerlich nicht absetzbaren Ausbildungskosten. Die vom Kläger besuchten Lehrgänge bei der Bundeswehrfachschule dienten dem Ziel, im sogenannten zweiten Bildungsweg wie eine höhere Lehranstalt allgemeines Wissen zu vermitteln. Ihr erfolgreicher Abschluß ersetzt die Reifeprüfung. Das FG hat dem Soldatengesetz (BGBl I 1956, 114, und I 1969, 277) und den sich aus § 27 ergebenden Laufbahnvorschriften unzutreffend keine Beachtung zukommen lassen. Dem Umstand, daß der Kläger als Berufssoldat ebenso wie alle Soldaten der verschiedenen Laufbahnen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht, kann für die hier allein maßgebliche Frage der Abgrenzung der Ausbildungskosten von den Fortbildungskosten keine entscheidende Bedeutung zukommen.

Nach § 27 Abs. 2 Nr. 1 a des Soldatengesetzes wird für die Laufbahn der Unteroffiziere, der der Kläger im Streitjahr noch zugehörte, lediglich der Besuch einer Volksschule oder ein entsprechender Bildungsstand gefordert. Für die Laufbahn der Offiziere wird in Abs. 2 Nr. 2 a dieser Vorschrift das Reifezeugnis einer höheren Schule oder ein entsprechender Bildungsstand verlangt. Den Laufbahnen der Beamten des öffentlichen Dienstes entsprechend sind in § 2 Abs. 1 der Soldatenlaufbahnverordnung - SVL - (BGBl I 1972, 1751), die ihre Rechtsgrundlage in §§ 27, 72 Abs. 1 Nr. 2 des Soldatengesetzes hat, für die Soldaten die Laufbahnen der Mannschaften, der Unteroffiziere und der Offiziere vorgesehen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SVL ist ein Laufbahnwechsel zulässig, wenn ein Soldat die Befähigung für eine neue Laufbahn besitzt. Unteroffiziere können nach § 33 SVL bei Eignung zur Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes zugelassen werden, wenn sie mindestens 21 Jahre alt sind und an einem Auswahllehrgang teilgenommen haben. Nr. 7 der Richtlinien für die Zulassung von Unteroffizieren zur Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes vom 21. Juli 1966 (Ministerialblatt des Bundesministers der Verteidigung 1966 S. 266) fordert, daß die zugelassenen Unteroffiziere zur Förderung ihres Bildungsstandes an einem bis zu 1 1/2 Jahre dauernden Bildungslehrgang teilnehmen, wenn sie nicht insbesondere das Reifezeugnis einer höheren Schule besitzen. Bei dieser Sachlage hätte das FG die Grundsätze beachten müssen, die der Senat im Urteil VI R 255/70 dargelegt hat, nach denen Aufwendungen für den Besuch allgemeinbildender Schulen auch dann nicht zu den als Werbungskosten absetzbaren Berufsfortbildungskosten gehören, wenn sie bei einem bereits im Beruf stehenden Arbeitnehmer anfallen. Die Auffassung des FG, die Bundeswehrfachschule sei für den Kläger zur Arbeitsstätte geworden und die Fahrtkosten seien nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG abzugsfähig, trifft deshalb nicht zu.

Aus dem Urteil des Senats VI R 337/70 kann für den vorliegenden Streitfall nichts hergeleitet werden. Wie der Senat in dem Urteil vom 3. Dezember 1974 VI R 159/74 (BStBl II 1975, 356) unter Bestätigung seines Urteils VI R 337/70 ausgesprochen hat, sind bei einem Finanzanwärter die mit seiner Ausbildung zusammenhängenden Lehrgangskosten Werbungkosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG, weil er sich ihnen dienstlich nicht entziehen kann, ohne mit einer fristlosen Kündigung seines Beamtenverhältnisses auf Probe rechnen zu müssen. Im Streitfall fehlt es dagegen bei dem Besuch der Bundeswehrfachschule an einer entsprechenden Berufsbezogenheit. Für die bisherige berufliche Tätigkeit des Klägers als Hauptfeldwebel war ein Besuch der Bundeswehrfachschule mit den allgemeinbildenden Fächern nicht erforderlich. Sie war lediglich Voraussetzung für die von ihm angestrebte Übernahme in die höherrangige Offizierslaufbahn. Der vom Kläger damit angestrebte Laufbahnwechsel bedeutete für ihn im Sinne des Urteils des Senats vom 29. Mai 1974 VIR 182/71 (BFHE 112, 490, BStBl II 1974, 636) den Übergang in eine andere berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche (eine gehobenere) Stellung als vorher. Die dadurch veranlaßten Kosten sind daher solche der privaten Lebensführung und deshalb nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig.

Das Urteil des FG steht somit im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Senats; es war deshalb nach § 118 Abs. 1 FGO aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Die streitigen Aufwendungen des Klägers für den Besuch der Bundeswehrfachschule gehören nicht zu abzugsfähigen Werbungskosten des § 9 EStG. Da das FA sie zutreffend mit dem sich aus § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG ergebenden Höchstbetrag als Kosten der Berufsausbildung bei den Sonderausgaben berücksichtigt hat, war die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 71349

BStBl II 1975, 436

BFHE 1975, 29

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