Leitsatz (amtlich)
Die Steuermeßzahl beträgt auch für elne Eigentumswohnung, die als Einfamilienhaus bewertet ist und die die Voraussetzungen einer Kleinwohnung im Sinn des § 62 WEG erfüllt, 3,5 v. T.
Normenkette
GrStG § 15 Abs. 1, 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer einer als Einfamilienhaus bewerteten Eigentumswohnung, die zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dient. Der Einheitswert beträgt 34 000 DM. Den Grundsteuermeßbetrag zum 1. Januar 1974 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) auf 119 DM fest. Dabei ging er von einer Steuermeßzahl von 3,5 v. T. aus. Einspruch und Klage, mit denen der Kläger die Anwendung der Steuermeßzahl 2,6 v. T. begehrte, blieben ohne Erfolg.
Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 62 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) vom 15. März 1951 (BGBl I 1951, 175, berichtigt Seite 209) in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juli 1973 (BGBl I 1973, 910). Er ist der Auffassung, die Steuermeßzahl 2,6 v. T. (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 des Grundsteuergesetzes -- GrStG --) sei auch auf Kleinwohnungen im Sinn des § 62 WEG anwendbar. Andernfalls würde der mit § 62 WEG angestrebte Förderungszweck vereitelt. Das FG berufe sich zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung zu Unrecht auf die enge Verknüpfung zwischen dem GrStG und dem Bewertungsgesetz (BewG). Es verkenne, daß die Sonderregelung des § 62 WEG nicht generell für alle Eigentumswohnungen gelte, sondern nur für die besonders geförderten Kleinwohnungen. Es sei auch nicht sachwidrig, wenn das Wohnungseigentum zwar nach den Vorschriften zu bewerten sei, die für Mietwohngrundstücke maßgebend sind, die Grundsteuer aber nach den Regelungen für Einfamilienhäuser bemessen werde. Der Kläger macht geltend, seine Ansicht werde von Bärmann/Pick/Merle (Wohnungseigentumsgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 1980, Rz. 83 zu §§ 61/62) geteilt. Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Steuermeßbetrag auf 88,40 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Steuermeßzahl beträgt gemäß § 15 Abs. 1 GrStG 3,5 v. T. Abweichend hiervon beträgt sie zwar für Einfamilienhäuser im Sinn des § 75 Abs. 5 BewG grundsätzlich 2,6 v. T. für die ersten 75 000 DM des Einheitswerts. Das Wohnungseigentum ist jedoch von dieser Regelung ausdrücklich ausgenommen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 GrStG).
2. Der Auffassung des Klägers, die Grundsteuermeßzahl 2,6 v. T. sei deshalb im Streitfall anzuwenden, weil § 62 WEG auch insoweit eine steuerliche Gleichbehandlung fordere, vermag der Senat nicht zu folgen. Nach der genannten Vorschrift stehen zwar i Wohnungseigentum stehende Wohnungen, die die Voraussetzungen einer Kleinwohnung im Sinn der Vorschriften über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen erfüllen, in steuerrechtlicher Hinsicht einer Wohnung im eigenen Einfamilienhaus gleich. Diese (Grundsatz-)Regelung findet jedoch dort ihre Grenze, wo der Gesetzgeber in einem Einzelsteuergesetz die gleiche steuerliche Behandlung ausdrücklich ausgeschlossen hat. Eine solche Ausnahmeregelung beinhaltet § 15 Abs. 2 Nr. 1 GrStG. Diese Vorschrift geht insoweit § 62 WEG vor. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß die Regelung des GrStG zeitlich erst nach dem WEG, insbesondere auch nach dessen Neufassung im Jahr 1973, ergangen ist. Darüber hinaus schließt § 15 Abs. 2 Nr. 1 GrStG seinem Wortlaut nach das als Einfamilienhaus bewertete Wohnungseigentum ganz allgemein von der Anwendung der Steuermeßzahl 2,6 v. T. aus. Es unterscheidet nicht zwischen Eigentumswohnungen, die die Voraussetzungen einer Kleinwohnung erfüllen, und sonstigem Wohnungseigentum. Das Fehlen einer Unterscheidung ist auch sachgerecht. Das FG hat in diesem Zusammenhang zu Recht auf die enge Verknüpfung zwischen dem GrStG und dem Bewertungsrecht hingewiesen.
Die Grundsteuer belastet den Ertrag des Grundstücks. Die Belastung ist aber um so stärker, je höher der bei der Einheitsbewertung anzuwendende Vervielfältiger (§ 80 Abs. 1 BewG) ist (vgl. dazu im einzelnen BT-Drucks. VI/3418, 84f., 87). Die Vervielfältiger für die verschiedenen Grundstücksarten liegen im Durchschnitt etwa bei der Zahl 10. Bei Einfamilienhäusern -- nicht jedoch bei Eigentumswohnungen -- liegt der maßgebende Vervielfältiger für Nachkriegsbauten im Durchschnitt bei 12,5. Die diesem Vervielfältiger entsprechende Belastungsquote liegt fühlbar über der Belastungsquote im Regelfall. Um die sich daraus ergebenden Härten zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die Steuermeßzahl bei Einfamilienhäusern für die ersten 75 000 DM des Einheitswerts von 3,5 auf 2,6 v. T. gesenkt (vgl. BT-Drucks. VI/3418, 88). Eigentumswohnungen, die zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dienen, werden jedoch nicht unter Zugrundelegung des höheren Vervielfältigers für Einfamilienhäuser, sondern anteilmäßig wie Mietwohngrundstücke bewertet (vgl. § 93 BewG). Der bei Mietwohngrundstücken anzuwendende Vervielfältiger ist aber niedriger als der von Einfamilienhäusern, so daß sich insoweit auch ein niedrigerer Einheitswert ergibt. Die Anwendung der Steuermeßzahl 2,6 v. T. bei Kleinwohnungen würde daher nicht zu einer grundsteuerlichen Gleichstellung mit den sonstigen Einfamilienhäusern führen, sondern im Gegenteil zu einer Besserstellung. Dies ist aber nicht der Zweck der Regelung des § 62 WEG.
Fundstellen
Haufe-Index 74583 |
BStBl II 1983, 338 |
BFHE 1982, 370 |