Leitsatz (amtlich)
Auch der Spediteur kann bei der Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen im öffentlichen Güterverkehr Steuerschuldner sein; er ist allerdings nur dann Steuerschuldner, wenn er nach den für diese Beförderungen maßgebenden Vorschriften zur Zahlung des Beförderungspreises verpflichtet ist.
Normenkette
BeiStG 1926 § 8; BefStG 1955 § 7
Tatbestand
Der Beförderungsunternehmer F. hatte unter anderem in der Zeit vom 7. Mai 1951 bis zum 5. Dezember 1951 und im Jahre 1952 die Beförderung von Gütern für andere durchgeführt, wobei teilweise untertarifliches Entgelt vereinbart war. Für diese Beförderungen hatte F. die Beförderungsteuer nur teilweise abgeführt. F. geriet in Vermögensverfall, so daß die rückständige Beförderungsteuer von ihm nicht mehr eingezogen werden konnte.
Das Finanzamt nahm hierauf unter Bezugnahme auf § 8 des Beförderungsteuergesetzes (BefStG) 1926 die Beschwerdeführerin (Bfin.) in Anspruch, und zwar einmal hinsichtlich eines Steuerbetrages von 230,45 DM mit Steuerbescheid vom 29. April 1954 und weiter hinsichtlich eines Steuerbetrages von 38,35 DM durch Steuerbescheid vom 20. Juli 1954.
Gegen die beiden Steuerbescheide legte die Bfin. Einspruch ein mit der Begründung, sie sei nicht Steuerschuldnerin, da nicht sie, sondern der an der Güterbeförderung Interessierte dem Beförderungsunternehmer F. den Beförderungsauftrag erteilt habe. Aus dem der Einspruchsbegründung beigefügten Vordruck, der unter anderem die Angabe des Namens des an der Güterbeförderung Interessierten als Auftraggeber vorsehe, ergebe sich dieses einwandfrei. Die Bfin. sei lediglich als Beförderungsmaklor, der den Beförderungsvertrag vermittelt habe, aufgetreten. Entgegen der Annahme des Finanzamts sei sie auch nicht als Spediteur aufgetreten.
Das Finanzamt wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Aus der Firmenbezeichnung der Bfin. ergebe sich, daß die Bfin. außer der Tätigkeit als Schiffsmakler ein Speditionsgeschäft betreibe. Zum Wesen des Speditionsgeschäfts aber gehöre, im eigenen Namen, wenn auch für fremde Rechnung, mit einem Frachtführer Beförderungsverträge abzuschließen. Damit sei der Spediteur der Auftraggeber hinsichtlich der Beförderung. Die Bfin. habe nicht etwa Schlußnoten (§ 94 HGB) ausgestellt und sich für eine Vermittlung einen Maklerlohn (§ 99 HGB) berechnet, sondern habe ihren Auftraggebern ihrerseits Rechnungen über die Beförderungskosten ausgestellt und das Beförderungsentgelt vereinnahmt. Sie habe sich also als Spediteur betätigt. Die Inanspruchnahme der Bfin. aus § 8 BefStG 1926 bestehe daher zu Recht.
Das Finanzgericht wies die gegen beide Einspruchsentscheidungen eingelegten Berufungen, die es wegen der Einheitlichkeit der Sach- und Rechtslage verband, als unbegründet zurück. Unter demjenigen, der zur Zahlung des Beförderungspreises verpflichtet ist, sei der zu verstehen, der dem Unternehmer gegenüber unmittelbar zur Zahlung des Beförderungspreises verpflichtet sei, also der, der ihm den Auftrag im eigenen Namen erteilt habe. Ob der Auftraggeber die Beförderung für eigene Rechnung durchführen läßt oder für Rechnung eines Dritten, von dem er seinerseits die Frachtkosten ersetzt verlangen könne, sei unerheblich. Die bloße Vermittlung von Beförderungsaufträgen allerdings begründe keine Steuerschuldnerschaft. Im Streitfall aber habe die Bfin. selbst den Beförderungsauftrag erteilt. Wenn auch in dem von der Bfin. zu den Akten gegebenen Auftragserteilungsvordruck eine Spalte "Im Auftrage" vorgesehen sei, so dürfe nicht übersehen werden, daß sich dieser Vermerk ebenso wie die Angabe über die Ladung und den Empfänger in der Rubrik "Für den Fahrer" befinde, also offensichtlich dazu diene, den Empfänger bei der Aushändigung des Guts über die Herkunft der Sendung zu unterrichten. Dagegen könne der Vermerk nicht dahin verstanden werden, daß der in der Rubrik Angeführte auch Auftraggeber im Rechtssinn gegenüber dem Beförderungsunternehmer gewesen sei. Der Vordruck enthalte als Kopf die Angabe der Bfin. Die Bfin. sei im Vordruck ebenfalls für die Unterschrift vorgesehen. Von einer Auftragsvermittlung sei im Vordruck überhaupt nicht die Rede. Soweit der Vordruck im Streitfall überhaupt verwendet worden sei, was sich aber nicht habe feststellen lassen, könne es sich nur um ein Auftragsschreiben der Bfin. an den Beförderungsunternehmer handeln. Die Erteilung des Auftrags im eigenen Namen der Bfin. ergebe sich eindeutig aus den beim Beförderungsunternehmer F. vorgefundenen Unterlagen und den Auskünften derjenigen Versenderfirmen, bei denen deswegen angefragt worden sei. Es handle sich bei den strittigen Beförderungen insgesamt um 16 Fälle; in 12 Fällen lägen Rechnungen des Beförderungsunternehmers F. über die Beförderungsentgelte vor, die an die Bfin. gerichtet seien. In zwei Fällen habe die Versenderfirma unter Vorlegung von Rechnungsdurchschriften dargetan, daß sie nicht mit dem Beförderungsunternehmer F., sondern lediglich mit der Bfin. in Vertragsbeziehungen gestanden habe, von der sie auch die Rechnungen erhalten habe. In je einem Fall endlich hätten die Versenderfirmen das gleiche bestätigt. Auch die von einer dieser beiden Versenderfirmen überreichte Rechnungsdurchschrift weise aus, daß die Bfin, und nicht der Beförderungsunternehmer mit der Versenderfirma in Verbindung gestanden habe. Bezeichnend sei auch, daß die Bfin. der Versenderfirma eine höhere Fracht berechnet habe, als sie selbst habe bezahlen müssen. Die Bfin. habe also ihren Kunden gegenüber den ihr von diesen erteilten Auftrag in der Weise erfüllt, daß sie selbst im eigenen Namen Beförderungsverträge mit dem Beförderungsunternehmer F. abgeschlossen habe.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Bfin. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.
Die zunächst zu prüfende Frage, ob die Bfin. den Beförderungsauftrag dem Beförderungsunternehmer F. im eigenen Namen erteilt hat oder ob sie nur als Vermittler aufgetreten ist, liegt auf tatsächlichem Gebiete. Das Finanzgericht hat diese Frage bejaht. Die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts sind nach der an das Urteil des Reichsfinanzhofs VI v A 27/24 vom 29. Oktober 1924 (Slg. Bd. 14 S. 350) anknüpfenden ständigen Rechtsprechung der höchsten Steuergerichte gemäß § 288 Ziff. 1, § 296 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) für den Senat bindend, wenn das Finanzgericht auf Grund der ihm zustehenden freien Beweiswürdigung ohne Rechtsirrtum und ohne Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und gegen Verfahrensvorschriften zu dem gewonnenen Ergebnis kommen konnte; es ist nicht erforderlich, daß es zu diesem Ergebnis kommen mußte. Die Prüfung ergibt, daß das Finanzgericht aus den in der Vorentscheidung angeführten Gründen sehr wohl zu der Feststellung kommen konnte, daß die Bfin. den Beförderungsauftrag im eigenen Namen erteilt hat. Daß in dem im Nachgang zum Einspruch vom 25. Mai 1954 von der Bfin. zu den Akten gegebenen Vordruck unter der Überschrift "Für den Fahrer" die Angabe des Namens des Versenders mit dem Zusatz "Im Auftrag" statt mit dem Zusatz "Lieferant" oder "Absender" vorgesehen ist, wie die Bfin. geltend macht, ist gegenüber den vom Finanzgericht angeführten Gründen kein zwingender Beweis dafür, daß dem Beförderungsunternehmer der Beförderungsauftrag nicht von der Bfin. in eigenem Namen, sondern vom Versender lediglich unter Vermittlung der Bfin. erteilt worden ist. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts steht übrigens gar nicht fest, daß der Vordruck bei den strittigen Beförderungen verwendet worden ist. Demnach ist die Feststellung, daß die Bfin. im Streitfall als Spediteur tätig geworden ist, nicht zu beanstanden.
Nach § 8 des im Streitfall anzuwendenden BefStG 1926 ist im öffentlichen Güterverkehr, um den es sich hier handelt, Steuerschuldner derjenige, der den Beförderungspreis zu zahlen hat. Darunter kann nur derjenige verstanden werden, dem gegenüber der Beförderungsunternehmer den Anspruch auf die Zahlung des Beförderungspreises hat. Steuerschuldner ist mithin der zur Zahlung des Beförderungspreises dem Beförderungsunternehmer gegenüber bürgerlich-rechtlich Verpflichtete. Steuerschuldner ist also derjenige, für dessen Rechnung die Beförderung durchgeführt wird, nur dann, wenn gegen ihn der Anspruch des Beförderungsunternehmers auf Zahlung des Beförderungspreises besteht. Dies ergibt sich auch aus der Vorschrift des § 10 BefStG 1926, wonach die Steuer hinsichtlich der Einziehung, der Geltendmachung im Rechtsweg usw. als Teil des Beförderungspreises gilt.
Im Streitfall hängt danach die Entscheidung davon ab, ob die Bfin., die nach den Feststellungen des Finanzgerichts den Beförderungsauftrag im eigenen Namen erteilt hat, auch zur Zahlung des Beförderungspreises dem Beförderungsunternehmer gegenüber verpflichtet war. Hierzu ist allgemein folgendes zu sagen: Zur Zahlung des Beförderungspreises an den Beförderungsunternehmer kann der Spediteur verpflichtet sein. Er ist dies aber nicht in jedem Falle. Die Meinung der Bfin., daß der Spediteur überhaupt nicht als Steuerschuldner in Betracht kommen könne, geht fehl. Auch der Spediteur ist Steuerschuldner, wenn er dem Unternehmer gegenüber zur Zahlung des Beförderungspreises verpflichtet ist. Damit war allerdings vor dem Inkrafttreten der Vorschrift des § 7 Abs. 3 BefStG 1955 für den Spediteur hinsichtlich der Beförderungsteuer ein gewisses Risiko gegeben, das in der Möglichkeit der Nichtabführung der Steuer durch den Beförderungsunternehmer und des Vermögensverfalls des Beförderungsunternehmers lag. In diesem Risiko, das für den Spediteur nicht größer war als für jeden anderen Beförderungsteuerschuldner, kann entgegen der Meinung der Bfin. keine Sonderbelastung eines bestimmten Berufstandes erblickt werden, die mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland nicht vereinbar wäre. Dieses Risiko ist übrigens mit dem Inkrafttreten der vorgenannten Vorschrift weggefallen. Nach dieser Vorschrift ist der Steuerschuldner nicht mehr in Anspruch zu nehmen soweit er den Beförderungspreis und, wenn die Steuer besonders berechnet ist, auch die Steuer an den Unternehmer gezahlt hat, es sei denn, daß der Steuerschuldner weiß, daß der Unternehmer die Steuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat, und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt. Der Spediteur ist aber, wie bereits gesagt, nicht in jedem Fall dem Unternehmer gegenüber zur Zahlung des Beförderungspreises verpflichtet, obwohl der Beförderungsvertrag nur zwischen ihm und dem Beförderungsunternehmer geschlossen ist. Für das Frachtgeschäft gelten bei der gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen die Sondervorschriften für den Güterverkehr mit Kraftfahrzeugen, die insoweit die Vorschriften des HGB über das Frachtgeschäft (§ 425 ff. HGB) ausschließen (vgl. Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 425 Anm. 1 und Anm. 34). Diese Sondervorschriften waren in dem am 18. Oktober 1952 außer Kraft getretenen Gesetz über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (GFG) vom 26. Juni 1935 (Reichsgesetzblatt 1953 I S. 788) enthalten, an dessen Stelle anschließend das am 19. Oktober 1952 in Kraft getretene Güterkraftverkehrsgesetz (GüKG) vom 17. Oktober 1952 (Bundesgesetzblatt 1952 I S. 697) getreten ist. Auf Grund des § 13 GFG ist die im Reichs-Verkehrs-Blatt B 1936 S. 151 veröffentlichte Kraftverkehrsordnung (KVO) für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen (Beförderungsbedingungen) ergangen. Die heute noch geltende KVO (§ 106 Abs. 2 GüKG) ist zwar keine Rechtsverordnung und damit nicht allgemein verbindlich, sie erlangt aber ihre Wirksamkeit als allgemein festgelegte Vertragsgrundlage im Einzelfall infolge beiderseitiger Unterwerfung der Beteiligten unter ihre Bestimmungen (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 1 S. 83, Bd. 6 S. 146, ferner Baumbach-Duden, Handelsgesetzbuch, 13. Aufl., Anm. 1 zu § 20 GüKG im Anhang I zu § 452). Die Unterwerfung kann stillschweigend geschehen. Sie ist anzunehmen, wenn ein Spediteur mit einem berufsmäßigen Güterfernverkehrsunternehmer den Beförderungsvertrag abschließt (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 12 S. 139). Der Anspruch des Beförderungsunternehmers auf Zahlung des Beförderungspreises beruht auf dem Beförderungsvertrag, der zwischen dem Beförderungsunternehmer und dem frachtbriefmäßigen Absender des Gutes abgeschlossen wird (§ 3 KVO), wobei im Fall der Versendung des Gutes unter Inanspruchnahme eines Spediteurs frachtbriefmäßiger Absender der Spediteur ist (vgl. Hein, Kraftverkehrsordnung für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen, § 3 Anm. 1, Seite 70). Der Beförderungsvertrag (§ 3 KVO) ist ein Frachtvertrag i. S. der §§ 425 ff. HGB und ein Werkvertrag i. S. der §§ 631 ff. BGB, der die Beförderung des Gutes nach dem vom Absender bestimmten Ort zum Gegenstand hat (vgl. Hein, a. a. O., § 21 Anm. 2, S. 111). Schuldner des Beförderungsentgeltes ist also der Absender, es sei denn, daß etwas anderes vereinbart ist oder als vereinbart gilt. In dieser Beziehung bestimmt § 21 Abs. 1 KVO, daß der Absender die Wahl hat, ob er die Fracht bei Aufgabe des Gutes bezahlen oder auf den Empfänger überweisen will, wobei nach § 21 Abs. 5 KVO Frachtbeträge, deren Bezahlung der Absender nicht laut Frachtbriefvorschrift übernommen hat, als auf den Empfänger überwiesen gelten. Der Empfänger wird nach § 25 Abs. 2 Unterabsatz 2 KVO - wie es auch § 436 HGB vorschreibt - allerdings erst durch die Annahme des Frachtbriefes und des Gutes verpflichtet, dem Beförderungsunternehmer den Beförderungspreis nach Maßgabe des Frachtbriefes zu zahlen.
Die Vorinstanzen haben die Frage, ob die Bfin. in den in Betracht kommenden Fällen zur Zahlung des Beförderungspreises verpflichtet war und damit Steuerschuldner ist, ohne weiteres bejaht. Aus den Akten läßt sich jedoch nicht ersehen, ob dies mit Recht geschehen ist. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die noch nicht spruchreife Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409329 |
BStBl III 1959, 214 |
BFHE 1959, 557 |