Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG
Leitsatz (NV)
Ein Grundstückskaufvertrag wird nicht rückgängig gemacht i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1983, wenn Grundschulden bestehen bleiben, die aufgrund der im Kaufvertrag getroffenen Vereinbarung der Sicherung der Darlehensforderungen einer Bank gegen den Käufer dienen, so daß der Veräußerer nicht wieder uneingeschränkt über das Grundstück verfügen und in seinem gesamten wirtschaftlichen Gehalt verwerten kann.
Normenkette
GrEStG 1983 § 16 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (EFG 1997, 1404) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) veräußerte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 11. September 1989 den im Grundbuch von A eingetragenen Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an einer näher bezeichneten Wohnung in einer Anlage, die insgesamt 40 Wohnungseinheiten umfaßte, an die Z-GmbH (GmbH). In der Urkunde wurde die Auflassung erklärt und die Eintragung einer Auflassungsvormerkung bewilligt. Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr gingen sofort nach der Beurkundung auf die GmbH über. In derselben Urkunde veräußerten auch die übrigen 39 Eigentümer ihr jeweiliges Wohnungseigentum an die GmbH. Von dem vereinbarten Gesamtkaufpreis von … DM entfiel auf den Kläger ein Betrag von … DM zuzüglich … DM für das Inventar. Für den zunächst fälligen Teilbetrag des Gesamtkaufpreises von … DM wurde der GmbH von der C-Bank (Bank) ein Darlehen gewährt. Die Abwicklung der Kaufpreiszahlungen an die Verkäufer erfolgte in der Weise, daß die Bank dem Kläger und den anderen Verkäufern unter Aufrechnung mit Restdarlehen die auf sie anteilig entfallenden Beträge gutschrieb. Dabei blieben die zugunsten der Bank bereits eingetragenen Grundpfandrechte bestehen; aufgrund der im Kaufvertrag vom 11. September 1989 erteilten Bewilligung zur Sicherung der Kaufpreisfinanzierung konnten auch neue Grundpfandrechte zugunsten der Bank eingetragen werden. Die GmbH wurde zahlungsunfähig; ein Konkursverfahren wurde mangels Masse eingestellt. Seit … betrieb die Bank die Zwangsverwaltung über die Wohnanlage und gegen den Kläger und die übrigen Verkäufer wegen der Forderung gegen die GmbH die Zwangsversteigerung; der Zuschlag erfolgte an einen Dritten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) hatte zunächst gegen die GmbH Grunderwerbsteuer in Höhe von … DM festgesetzt. Die Steuer wurde nicht entrichtet, Vollstreckungsversuche blieben ohne Erfolg. Das FA kündigte daraufhin u.a. dem Kläger durch Schreiben vom 7. September 1993 an, daß es beabsichtige, die Verkäufer als Steuerschuldner heranzuziehen. Entsprechend setzte das FA durch Bescheid vom 19. Oktober 1993 gegen den Kläger nach seinem Kaufpreisanteil Grunderwerbsteuer in Höhe von … DM fest. Dagegen machte der Kläger mit dem Einspruch geltend, der Erwerbsvorgang sei als rückgängig gemacht anzusehen. Der Kläger hatte die GmbH durch Schreiben vom 13. Oktober 1993 unter Fristsetzung bis zum 30. Oktober 1993 zur Zahlung des Restkaufpreises aufgefordert und darauf hingewiesen, daß er nach fruchtlosem Ablauf der Frist Schadensersatz wegen Nichterfüllung in noch zu ermittelnder Höhe, zumindest aber die Erteilung der Löschungsbewilligung für die der GmbH eingeräumte Auflassungsvormerkung verlange. Nachdem der Restkaufpreis nicht gezahlt worden war, lehnte er durch Schreiben vom 21. November 1993 die weitere Erfüllung des Vertrags ab und machte Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit der Klage beantragte der Kläger Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 19. Oktober 1993 wegen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1404 veröffentlichten Urteil statt. Es nahm an, daß aufgrund des Erlöschens des Übereignungsanspruchs der GmbH der Erwerbsvorgang i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) rückgängig gemacht worden sei. Dem stehe nicht entgegen, daß die Wohnungseigentumsrechte auf Betreiben der Bank als Grundpfandgläubigerin zwangsversteigert und einem Dritten zugeschlagen worden seien und der Kläger deshalb sein Eigentum verloren habe.
Mit der Revision macht das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend. Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Das Urteil des FG beruht auf der Verletzung von § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1983. Das FG hat zu Unrecht angenommen, der Grundstückskaufvertrag vom 11. September 1989 sei i.S. von § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1983 rückgängig gemacht worden.
Der Tatbestand der Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs in § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1983 erfordert, daß der die Grunderwerbsteuer auslösende Rechtsvorgang i.S. des § 1 GrEStG 1983 aufgehoben wird, daß alle aus diesem Rechtsvorgang entstandenen Leistungsbeziehungen rückgängig gemacht werden und daß alle sonstigen Beziehungen tatsächlicher und rechtlicher Art zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber, die von grunderwerbsteuerrechtlicher Bedeutung sind, beseitigt sein müssen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 7. Oktober 1987 II R 123/85, BFHE 152, 193, BStBl II 1988, 296, und vom 9. März 1994 II R 86/90, BFHE 173, 568, BStBl II 1994, 413).
Letzteres ist im Streitfall nicht geschehen, weil die zugunsten der Bank eingetragenen Grundpfandrechte, die aufgrund der im Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der GmbH getroffenen Vereinbarung der Sicherung der Darlehensforderungen der Bank gegen die GmbH dienten, bestehen blieben, so daß, was das FG verkannt hat, der Kläger als Veräußerer nicht wieder uneingeschränkt über das Grundstück verfügen und in seinem gesamten wirtschaftlichen Gehalt verwerten konnte. Im Streitfall zeigt sich dies daran, daß das Grundstück wegen der gegen die GmbH bestehenden Darlehensforderungen versteigert wurde, also im Interesse der GmbH als der Erwerberin und nicht im Interesse des Klägers.
2. Die Sache ist spruchreif, die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig. Die Grunderwerbsteuer ist mit Abschluß des Grundstückskaufvertrags vom 11. September 1989 entstanden, wobei (auch) der Kläger als Veräußerer Steuerschuldner ist (§ 13 Nr. 1 GrEStG 1983). Der Grunderwerbsteuerbescheid ist, wie sich aus den Ausführungen zu 1. ergibt, auch nicht gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1983 aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 302269 |
BFH/NV 1999, 1376 |
HFR 1999, 1005 |