Leitsatz (amtlich)
Eine Genossenschaft, die die Kaufbedingungen für die Käufe ihrer Mitglieder bei den Fabrikanten aushandelt, ist eine Kreditgenossenschaft, wenn sie die selbstschuldnerische Bürgschaft für den Eingang der Kaufpreisforderungen übernimmt und in bankmässiger Weise die Kaufpreisforderungen für die Fabrikanten einzieht und die Zahlungen der Genossen finanziert.
Normenkette
KStDV §§ 34, 36
Tatbestand
Streitig ist, ob überschüsse aus der Geschäftstätigkeit der Beschwerdeführerin (Bfin.) als Warenrückvergütungen vom Gewinn abgesetzt werden können. Nach § 1 der Satzung ist Gegenstand des Unternehmens der Bfin.: Die Förderung des Erwerbs und der Wirtschaft der Mitglieder durch Erleichterung , Vermittlung und Finanzierung des Wareneinkaufs, sowie durch diesen selbst, die Durchführung der Zahlungen für die Mitglieder unter Bewilligung einzelner oder laufender Kredite an diese, übernahme des Delkredere gegenüber den Fabrikanten und Leistung von Vorauszahlungen an diese in besonderen Fällen. Nach den besonderen Bestimmungen für den Geschäftsverkehr der Mitglieder mit der Bfin. und den Lieferfirmen (Ergänzung zu § 8 Ziffer 8 der Satzung, kurz: Besondere Bestimmungen für den Geschäftsverkehr) soll der Genossenschaftszweck in der Weise erreicht werden, daß die Genossenschaft mit einer nicht zu großen Anzahl Fabriken und Importfirmen (sogenannten Vertragslieferanten) allgemeine Lieferverträge (Lieferungsbedingungen) für die Belieferung ihrer Mitglieder abschließt.
Nach der Geschäftskorrespondenz, nach den Berichten des Wirtschaftsprüfers für 1949 und 1950 und dem ergänzenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung ergibt sich folgender Sachverhalt:
Die Bfin. schließt sogenannte Vertragslieferabkommen mit den Fabrikanten ab. In diesen Abkommen werden besondere Preisvergünstigungen für die Mitglieder der Bfin. vorgesehen, und zwar meist ein Mengenrabatt von 1 bis 4 % und ein Kassenskonto von 2 %. Außerdem vereinbart die Bfin. eine unmittelbar an sie zu zahlende, als Delkredereprovision bezeichnete Vergütung, die in den vorgelegten Verträgen meist auf 1 % festgesetzt ist. Dafür übernimmt sie die Einziehung des Kaufpreises und die selbstschuldnerische Bürgschaft für den Eingang des Kaufpreises. Die Bfin. gibt jeweils die erzielten Preisvergünstigungen unter empfehlendem Hinweis ihren Mitgliedern durch Rundschreiben bekannt. Die Mitglieder geben sodann ihre Aufträge direkt an die Vertragslieferanten. Die Auslieferung der Ware erfolgt ebenfalls direkt vom Vertragslieferanten (Hersteller) an die bestellenden Mitglieder. Der Mengenrabatt wird meist schon am Rechnungsbetrage gekürzt. Die Lieferanten übersenden eine Erstschrift der auf das Mitglied lautenden Rechnung an die bestellenden Mitglieder und eine Rechnungszweitschrift an die Bfin. Beide tragen den Vermerk "unter Delkredere der EKAGE". Die Bfin. zieht den Rechnungsbetrag von ihren Mitgliedern ein und überweist ihn an die Vertragslieferanten, und zwar so rechtzeitig, daß das Kassenskonto abgezogen werden kann. Wenn Mitglieder nicht oder nicht rechtzeitig zahlen können, tritt die Bfin. in Vorlage. In einigen Fällen, insbesondere dann, wenn der Mengenrabatt nach dem Gesamtumsatz aller Mitglieder bemessen wird, vergüten die Vertragslieferanten den Mengenrabatt an die Bfin. zur weiteren Ausschüttung an die Mitglieder. Sämtliche Unkosten der Bfin. werden aus der von den Fabrikanten erhaltenen Delkredereprovision gedeckt. Die Delkredereprovision deckt nicht nur die Kosten, die mit dem Abschluß der Vertragslieferabkommen zusammenhängen, sondern es kann noch nach Vornahme von Rückstellungen ein Teil der Delkredereprovision an die Mitglieder rückvergütet werden. Vorgesehen ist für II/1948 eine Rückvergütung von 0,75 % des Umsatzes jedes Mitglieds mit den EKAGE-Vertragslieferanten.
Das Finanzgericht hat das Vorliegen von steuerbegünstigten Warenrückvergütungen verneint, da ein Zusammenhang mit Warenlieferungen nicht vorliege. Nach Ansicht des Finanzgerichts stammen die Ausschüttungen aus sonstigen Einnahmen, die von dritter Seite, den Lieferfirmen, für die übernommene Delkrederehaftung an die Bfin. gezahlt seien.
Die Bfin. hält einen ausreichenden Zusammenhang mit den Warenlieferungen für gegeben. Die sogenannte Delkredereprovision sei nicht der Gegenwert für eine den Vertragslieferanten gewährte Leistung, sie sei ein Teil des Warengewinns aus der Einkaufstätigkeit. Wirtschaftlich sei die bei der Bfin. vorliegende Gestaltung die gleiche, als wenn die Mitglieder 1 % Delkredereprovision von den Lieferanten erhielten und sie dann an die Bfin. als Unkostenbeitrag abführten. Es sei nur eine Vereinfachungsmaßnahme, von den gesamten Prozentnachlässen 1 % abzuzweigen und unmittelbar der Bfin. zuzuwenden.
Die Bfin. sei keine Kreditgenossenschaft, sondern eine echte Einkaufsgenossenschaft, bei der die Einkaufstätigkeit im Vordergrund stehe. Vermittelnde Einkaufsgenossenschaften seien nach den Anschauungen des Verkehrs keine Kreditgenossenschaften. Die jetzige Art der Einkaufstätigkeit sei die aus der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung sich ergebende moderne Form einer echten genossenschaftlichen Einkaufstätigkeit.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Bei der Untersuchung ist auszugehen von der Satzung. Maßgebend ist die erst nach der mündlichen Verhandlung eingereichte Satzung vom 12. Januar 1929/19. Juni 1946. Den weiteren Satzungsänderungsbeschlüssen nach dem 31. Dezember 1948 kann steuerlich nur insoweit Rückwirkung zugesprochen werden, als sie sich auf die Umstellung von RM auf DM beziehen. Als Wareneinkäufer, wie in § 1 der Satzung vorgesehen, und als Wareneinkaufsvermittler (ß 84 HGB) tritt die Bfin. nicht mehr auf. Sie handelt lediglich mit den Vertragslieferanten die Kaufbedingungen aus, zu denen ihre Mitglieder unmittelbar von den Vertragslieferanten kaufen. Die dadurch erfolgte Einschaltung in den Warenverkehr zwischen Mitglied und Vertragslieferant reicht aber nicht aus, um ihr die Eigenschaft einer Warengenossenschaft zusprechen zu können, die (steuerfrei) Warenrückvergütungen nach § 36 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes (KStDV) 1949 ausschütten könnte. Das Schwergewicht der Tätigkeit der Bfin. liegt auf der Geldseite des Warenverkehrs, in seiner geldlichen Abwicklung, und zwar in der Verbürgung für den Eingang des Kaufpreises und in der Einziehung und Kreditierung des Kaufpreises. Auf diese geldliche Seite des Warenverkehrs sind auch die für die Beurteilung entscheidenden Satzungsbestimmungen ausgerichtet. Diese Satzungsbestimmungen sind auf die Begrenzung des bankmässigen Risikos der Bfin. abgestellt.
Der Abänderung des Namens "Großhandels-Kredit-Kontor" in "Einkaufsgenossenschaft" ist keine Bedeutung zuzumessen, weil die tatsächliche Geschäftsführung im Geldverkehr sich nicht geändert hat. Wenn nach § 38 Absatz 3 der Satzung die erst nach dem 31. März 1932 eingetretenen Mitglieder für die drei ersten Geschäftsjahre keinen Anspruch auf eine Warenrückvergütung haben, vielmehr die ihnen rechnerisch zustehenden Beträge zur Stärkung der eigenen Betriebsmittel der Bfin. dem Reservefonds (ohne Ausgleichsanspruch der neuen Mitglieder) zugeführt werden, so entfernt sich damit die Bfin. in entscheidender Weise von der Aufgabe einer Warengenossenschaft, an alle Mitglieder entsprechend ihren Umsätzen gleiche Warenrückvergütungen auszuschütten. Dieser Satzungsbestimmung liegt der Gedanke zugrunde, daß die Bürgschaftsübernahme für neue Mitglieder ein größeres Risiko als die Bürgschaftsübernahme für alte Mitglieder bedeutet und sich deshalb (aus bankmässigen Erwägungen) eine besondere Vergütung rechtfertige.
Warenrückvergütungen sollen an die Mitglieder zur Verwendung in ihrem Betrieb zurückfließen. Sie werden zu diesem Zweck von der Körperschaftsteuer freigelassen. Sie sollen aber nicht den Grundstock für die Schaffung eines erheblichen, einer bankmässigen Tätigkeit entsprechenden eigenen Kapitals bilden. Die Verpflichtung der Mitglieder, die ihnen rechnerisch zustehenden "Warenrückvergütungen" darlehnsweise in einem Ausgleichsfonds der Bfin. (ß 32a der Satzung) so lange stehen zu lassen, bis die Gutschriften des einzelnen Mitgliedes 2 % des Jahresdurchschnitts seiner Umsätze mit der Bfin. in den letzten drei Jahren erreicht haben, bedeutet eine Blockierung der Ausschüttung auf lange Zeit und eine ganz beachtliche Verstärkung der Kapitalkraft der Bfin., die schon durch die Festsetzung eines Genossenschaftsanteils auf 1 000 DM und der Haftsumme auf 2 000 DM ein Ausmaß erreicht hat, das eher einer bankmässigen Tätigkeit als einer - keine erhebliche Kapitalkraft erfordernden - Warenvermittlungstätigkeit entspricht. Der Stärkung der Kapitalgrundlage dienen neben der Möglichkeit, Anleihen aufzunehmen (ß 20 Ziffer 3 der Satzung) auch die Bestimmungen über den Reservefonds und den außerordentlichen Reservefonds in §§ 31 und 32 der Satzung, die wiederum teilweise aus zurückgehaltenen "Warenrückvergütungen" gespeist werden. Wenn angebliche Warenrückvergütungen zur Ausschüttung bereitgestellt sind, so ist dies unter Verletzung der erörterten Satzungsbestimmungen geschehen. Für die Abgrenzung zwischen Kredit- und Warengenossenschaft ist in Zweifelsfällen die Satzung entscheidend, so daß es nicht darauf ankommt, ob die beschlossenen Ausschüttungen als im Warenverkehr erwirtschaftet angesehen werden können.
Die Bfin. bezeichnet zudem zu Unrecht die Delkredereprovision als einen Teil des Warengewinns aus der Einkaufstätigkeit. Sie verkennt, daß die Provision in erster Linie das unmittelbare Entgelt für eine zusätzliche Leistung der Bfin. an die Fabrikanten darstellt, sie unterscheidet sich dadurch vom Mengenrabatt und Kassenskonto. Durch die selbstschuldnerische Bürgschaft der Bfin. erlangt der Fabrikant eine größere Sicherheit, als wenn die Bfin. selbst die Waren bezogen hätte. In diesem Falle würde dem Fabrikanten nur das Vermögen der Bfin. (einschließlich der Haftsumme von 2 000 DM je Mitglied) haften. Bei dem direkten Kauf der Mitglieder haftet das Mitglied, aber nicht nur mit 2 000 DM Haftsumme, sondern mit seinem ganzen Vermögen und zusätzlich die Bfin. mit ihrem ganzen Vermögen. Dadurch und durch die Abwicklung des Zahlungsverkehrs durch eine Stelle (Zahlungsverkehr des Fabrikanten nur mit der Bfin. statt mit 100 Mitgliedern), tritt eine Risikominderung und eine Unkostenersparnis für den Fabrikanten ein, die für ihn den Aufwand für die Delkredereprovision mehr oder weniger aufwiegt. Die Zahlung der Delkredereprovision an die Bfin. kann daher nicht, wie die Bfin. meint, dem Fabrikanten ein Anlaß sein, sie durch eine höhere Kaufpreisforderung auf das Mitglied abzuwälzen (Ausführungen auf Blatt 25/26 des Gutachtens Sp. vom 1. Februar 1951) und sie dadurch im Endergebnis als Leistung des Mitglieds wirken zu lassen. Vielmehr muß die Einsparung von Unkosten und die Minderung des geschäftlichen Risikos durch die Leistung der Bfin. unter gesunden Wettbewerbsverhältnissen den Fabrikanten bestimmen, von einer Abwälzung - wenn sie überhaupt möglich ist - der Delkredereprovision auf seine Käufer (die Mitglieder der Bfin.) mindestens insoweit Abstand zu nehmen, als der Mehraufwand durch die Einsparung von Unkosten und die Minderung des geschäftlichen Risikos gedeckt ist. Diese Erwägung zeigt, daß die Delkredereprovision nicht unmittelbar zunächst die Warenseite (die Höhe der Kaufpreisforderung) berührt, sondern in dem Rechtsverhältnis Bfin. - Fabrikant wirtschaftlich ihren Grund in einer echten Unkostensenkung und Verminderung des geschäftlichen Risikos für den Fabrikanten findet. Die Delkredereprovision stellt sich also auch von dieser Seite gesehen als eine Vergütung des Fabrikanten für die ihm geleistete bankmässige Tätigkeit der Bfin. dar.
Da die gesamte Einnahmeseite der Bfin. auf eine derartige bankmässige Tätigkeit zurückzuführen ist - was übrigens der Prüfungsbericht des Genossenschaftsverbandes zur DM-Eröffnungsbilanz durch die Bemerkung bestätigt, daß die Geschäftsumsätze ausschließlich aus dem Delkrederegeschäft stammen -, muß sie in übereinstimmung mit den Ausführungen in Abschnitt 64 Absatz 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien II/1948 und 1949 als Kreditgenossenschaft beurteilt werden. Die dort aufgeführten bankmässigen Tätigkeiten, wie "übernommene Haftungen, Garantien und Bürgschaften, außerdem Vorschüsse, Wechseldiskontierungen" gehören zu dem Aufgabengebiet der Bfin. Sie verleihen ihr den Charakter einer Kreditgenossenschaft. Das Gesetz über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1934 (Reichsgesetzblatt I S. 1205) zählt nach § 1 Absatz 2 zu den Kreditinstituten auch die Girokassen und Giroverbände und Girozentralen und sonstigen Einrichtungen, welche dem Abrechnungsverkehr dienen. Unter die sonstigen Einrichtungen, welche dem Abrechnungsverkehr dienen, fällt für einen begrenzten Bereich nach der tatsächlichen Gestaltung der Dinge auch die Tätigkeit der Bfin. Wenn die Ansicht vertreten wird, daß die Delkredereübernahme durch Genossenschaften diese nicht zu Kreditinstituten mache, so kann diese Auslegung - wenigstens für die steuerliche Beurteilung - dann nicht Platz greifen, wenn - wie hier - der ganze Zahlungsverkehr von 100 Großhändlern in bankmässiger Weise von der Bfin. erledigt wird und sie dadurch in eine fühlbare Konkurrenz mit anderen Bankinstituten tritt. Diese Konkurrenz einer Genossenschaft mit sonstigen Bankinstituten, wenigstens zum Teil, steuerlich auszugleichen, ist Aufgabe der Bestimmung des § 34 KStDV 1949, die den Gewinn von Kreditgenossenschaften zu einem ermäßigten Steuersatz von 1/3 heranzieht. Eine Kreditgenossenschaft kann daher nicht gleichzeitig von der Warenrückvergütung des § 36 KStDV Gebrauch machen, da sie dadurch in die Lage versetzt würde, ihren ganzen, aus dem Bankgeschäft erzielten Gewinn körperschaftsteuerfrei an die Mitglieder auszuschütten. Da die Bfin. als Kreditgenossenschaft zu behandeln ist, braucht nicht näher geprüft zu werden, unter welchen Voraussetzungen eine abzugsfähige Warenrückvergütung im Sinne des § 36 KStDV 1949 vorliegt.
Die Sache geht an das Finanzamt zurück zur Vornahme der endgültigen Veranlagung. Dabei ist die Bfin. als Kreditgenossenschaft zu behandeln, die Anspruch auf den ermäßigten Steuersatz des § 34 KStDV 1949 hat.
Fundstellen
Haufe-Index 407405 |
BStBl III 1952, 155 |
BFHE 1953, 399 |
BFHE 56, 399 |
DB 1952, 502 |