Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Private
Leitsatz (NV)
Zur Übertragung der Durchführung einer öffentlichen Aufgabe (Tierkörperbeseitigung) auf einen privaten Unternehmer (vgl. bereits Urteile vom 4. Juni 1992 V R 31/88, BFH/NV 1993, 276 sowie V R 22/90, BFH/NV 1993, 200).
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb im Streitjahr 1970 eine Tierkörperbeseitigungsanstalt. Sie war auf Grund eines noch von ihrem Rechtsvorgänger abgeschlossenen Vertrages vom 6. August 1942 gegenüber einigen Landkreisen - Aufgabenträgern - (deren Aufgabe gemäß § 5 des Tierkörperbeseitigungsgesetzes vom 1. Februar 1939, RGBl 1939, 187 - TierKBG 1939 -, die Beseitigung der Tierkörper in Tierkörperbeseitigungsanstalten war) verpflichtet, Tierkörper zu beseitigen, den Tierbesitzern für die Anlieferung von Tierkörpern eine angemessene Vergütung zu zahlen und ihnen darüber eine Empfangsbestätigung auszuhändigen, deren Durchschrift der jeweilige Aufgabenträger zu Kontrollzwekken erhielt. Die Aufgabenträger gewährleisteten eine jährliche Privatentnahme aus dem Betrieb der Anstalt, worin das Gehalt des Betriebsleiters eingeschlossen war. Ferner verpflichteten sich die Aufgabenträger zu einer Ausgleichszahlung, falls die Betriebseinnahmen der Anstalt nicht ausreichten, das für die Entnahme erforderliche Ergebnis zu erreichen. Grundlage dieses Vertrages war eine Vereinbarung vom 8. Oktober 1940 zwischen den Aufgabenträgern und der Preußischen Provinzial-Verwaltung. Diese zahlte Zuschüsse an die Aufgabenträger zur Deckung der für die Tierkörperbeseitigung entstehenden Kosten.
1964 vereinbarten die Landkreise als Aufgabenträger mit dem Landschaftsverband . . . (Landschaftsverband), daß dessen Tierseuchenkasse Beihilfen zur Tierkörperbeseitigung an die Aufgabenträger zu zahlen habe. Die Höhe der Beihilfe pro Tierkörper entsprach der von der Klägerin an die Tierbesitzer gezahlten Vergütung zuzüglich eines Beitrags von . . . DM je Vergütung. Der Landschaftsverband zahlte die Beihilfe unter der Voraussetzung, daß die Aufgabenträger der Klägerin die Vergütungen an die Tierbesitzer erstatteten. Die der Vereinbarung entsprechende Beihilfe überwies der Landschaftsverband einschließlich des Vergütungsbeitrags unmittelbar an die Klägerin. Die Abrede mit den Aufgabenträgern beruhte auf der Erkenntnis, daß die Tierkörperbeseitigung ein Zuschußgeschäft sei und voraussichtlich bleiben werde. Die Zahlung der Tierkörpervergütungen vergrößere nur den ungedeckten Betriebsaufwand der Tierkörperbeseitigungsanstalten, den die Aufgabenträger ihrerseits wiederum decken müßten.
Bei der Umsatzsteuerfestsetzung für 1970 vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, die von der Tierseuchenkasse an die Klägerin gezahlte Beihilfe sei kein Zuschuß, sondern Entgelt. Das ergebe sich daraus, daß die Tierkörperbeseitigung ein Verlustgeschäft sei, weil die Erlöse aus der Tierkörperbeseitigung die Aufwendungen nicht deckten. Die Tierseuchenkasse des Landschaftsverbands leiste die Zahlungen aufgrund der Vereinbarung mit den Aufgabenträgern nur deshalb, weil sich anderenfalls der von den Aufgabenträgern zu tragende Betriebskostenzuschuß noch weiter vergrößere. Nur die Aufgabenträger hätten Anspruch auf Auszahlung des Zuschusses.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage mit dem Ziel, die Beihilfen der Tierseuchenkasse, mit Ausnahme der Bearbeitungsgebühr von . . . DM je beseitigtem Tierkörper, von der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer auszunehmen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat im wesentlichen folgende Auffassung:
Bezüglich des Verhältnisses der Klägerin zu den Aufgabenträgern sei ein Leistungsaustausch nur insoweit festzustellen, als die Klägerin pro verarbeitetem Tierkörper mit . . . DM für ihre Verwaltungstätigkeit entschädigt werde. Dieser Betrag sei auf Grund der Vereinbarung vom 6. August 1942 in Verbindung mit der Regelung zwischen den Aufgabenträgern und dem Landschaftsverband aus dem Jahre 1964 die Gegenleistung, die die Klägerin für die Durchführung der Tierkörperbeseitigung von den Aufgabenträgern erhalte.
Die Beihilfe der Tierseuchenkasse hingegen sei ein Zuschuß. Zwar habe der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 31. Januar 1963 V 75/60 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964, 180) zum Umsatzsteuergesetz (UStG) 1951 die Auffassung vertreten, die von den Aufgabenträgern gemäß Vertrag vom 6. August 1942 gezahlten Ausgleichsbeträge seien Entgelt. Dieser Auffassung sei jedoch für das Streitjahr nicht zu folgen. Nach der neueren BFH-Rechtsprechung sei maßgeblich, ob eine Zahlung aus einer öffentlichen Kasse eine Preisauffüllung und damit ein Entgeltsbestandteil sei oder ob sie der Förderung des leistenden Unternehmers diene und damit Zuschuß sei, der nicht zur Bemessungsgrundlage des § 10 Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz UStG 1967 gehöre (vgl. BFH-Beschluß vom 31. August 1987 V B 78/87, BFH/NV 1988, 202; BFH-Urteil vom 9. Dezember 1987 X R 39/81, BFHE 152, 280, BStBl II 1988, 471). Eine Zahlung sei Zuschuß, wenn sie in erster Linie der Förderung des leistenden Unternehmers diene, d.h., wenn sie im Interesse des Unternehmers entrichtet werde, um ihn aus bestimmten strukturpolitischen, volkswirtschaftlichen oder allgemeinpolitischen Gründen zu subventionieren (BFHE 152, 280, BStBl II 1988, 471; Urteil vom 9. Oktober 1974 V B 88/74, BFHE 117, 307, BStBl II 1976, 105; ferner auch BFH, ,,Vorbescheid" vom 20. Dezember 1984 V R 103/75, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1985, 186).
Nach der übereinstimmenden Willensbekundung des Landschaftsverbands und der Aufgabenträger seien die Beihilfen als Dauersubvention der Klägerin zur Sicherung ihrer wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit gedacht gewesen. In einem Schreiben vom 19. Oktober 1964 an die Aufgabenträger weise der Landschaftsverband ausdrücklich darauf hin, daß bekanntermaßen die Tierkörperbeseitigung ein Zuschußgeschäft sei. Mit der Sicherung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit der Klägerin hätten der Landschaftsverband und die Aufgabenträger einen besonderen gesundheitspolitischen Zweck verfolgt.
Die Beihilfe des Landschaftsverbands sei bezüglich des Verhältnisses zwischen Klägerin und Tierbesitzern im wirtschaftlichen Ergebnis nur ein durchlaufender Posten. Die Vergütungszahlung habe lediglich dazu gedient, Tierbesitzer zur vollständigen Kadaverablieferung zu bewegen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es trägt vor, das Urteil des FG weiche von den Urteilen des BFH in HFR 1964, 180, und vom 15. Oktober 1964 V 202/63 U (BFHE 80, 525, BStBl III 1964, 662) ab. In diesen Entscheidungen habe der BFH die Auffassung vertreten, die von den Aufgabenträgern an Inhaber einer Tierkörperbeseitigungsanstalt, denen die Beseitigung von Tierkörpern übertragen worden sei, gezahlten Ausgleichsbeträge für nichtgedeckten Betriebsaufwand seien keine Zuschüsse, sondern entweder Leistungsentgelt für die Übernahme einer mit Kosten verbundenen Pflichtaufgabe der Gebietskörperschaften (Tierkörperbeseitigung) oder Entgeltsauffüllung der unzureichenden Entgelte bei der Tierkörperverwertung.
Der Umstand, daß im Streitfall unmittelbar die Tierseuchenkasse, nicht hingegen die Aufgabenträger die Ausgleichsbeträge zahlten, ändere nichts an dieser Beurteilung. Es handle sich lediglich um abgekürzte Zahlungswege.
Die in den vorbezeichneten BFH-Urteilen vertretene Auffassung sei durch die neuere BFH-Rechtsprechung zur Abgrenzung von Zuschüssen und Entgelt nicht überholt. Diese Rechtsprechung betreffe nur die Unterscheidung von Zahlungen Dritter als Zuschuß oder Preisauffüllung (z.B. BFH-Urteil vom 25. November 1986 V R 109/78, BFHE 148, 351, BStBl II 1987, 228). Wenn aber, wie im vorliegenden Fall, mit der Zahlung eine Leistung an den Zuschußgeber abgegolten werde, stelle sich das Problem der Abgrenzung von Leistungsaustausch und Zuschuß (durch einen Dritten) nicht. Durch den Vertrag vom 6. August 1942 sei ein solcher Leistungsaustausch zwischen Klägerin und Aufgabenträgern unmittelbar begründet worden. Die Klägerin sei mit der Tierkörperbeseitigung vor allem einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber den Aufgabenträgern nachgekommen und habe dafür die Ausgleichszahlungen erhalten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Das FA ging zutreffend davon aus, daß die Klägerin mit der Übernahme der Tierkörperbeseitigung von sog. Aufgabenträgern (deren Pflichtaufgabe die Tierkörperbeseitigung gemäß § 5 TierKBG 1939 war) eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung an die Aufgabenträger ausgeführt hat.
1. Die Übernahme der Aufgabendurchführung durch den Rechtsvorgänger der Klägerin von den Aufgabenträgern auf Grund des Vertrags vom 6. August 1942 entsprach § 7 Abs. 2 TierKBG 1939, wonach die Aufgabenträger die Tierkörperbeseitigungsanstalten selbst betreiben oder durch vertraglich verpflichtete Unternehmer betreiben lassen können. Die Klägerin hat es (wie früher ihr Rechtsvorgänger) für die Aufgabenträger übernommen, Tierkörper und Tierkörperteile unschädlich zu beseitigen. Sie hat sich damit zu einer nachhaltigen Leistungstätigkeit an die Aufgabenträger verpflichtet.
2. Steuerbare Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr.1 UStG 1967 führt ein Unternehmer aus, wenn sich seine Leistung auf den Erhalt einer (möglichen) - in der Regel vereinbarten - Gegenleistung richtet (BFH-Urteil vom 7. Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495). Das gilt auch, wenn ein privater Unternehmer Aufgaben kommunaler Gebietskörperschaften gegen Entgelt übernimmt (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 10. August 1989 V R 154/84, BFH/NV 1990, 398, UR 1990, 147).
Daß die Klägerin (wie früher ihr Rechtsvorgänger) die sonstige Leistung (Durchführung der übernommenen Aufgaben) gegenüber den Aufgabenträgern zum Zweck der Entgeltserzielung ausführte, ergibt sich bereits aus dem Vertrag vom 6. August 1942, demzufolge die Aufgabenträger der Tierkörperbeseitigungsanstalt zur Gewährleistung sog. Entnahmen - zur Deckung des Gehalts des Betriebsleiters - und zu Ausgleichszahlungen verpflichtet waren. Die Aufgabenträger haben damit ein bestimmtes Betriebsergebnis gewährleistet und die Tätigkeit der Klägerin bzw. ihres Rechtsvorgängers als Ganzes entgolten. Die Bezeichnung der Zahlungen im Vertrag ist im Hinblick auf ihre Einordnung als Gegenleistung für die sonstige Leistung der Klägerin unerheblich. Wie das FG festgestellt hat, war Grundlage dieses Vertrags eine Vereinbarung vom 8. Oktober 1940 zwischen den Aufgabenträgern und der Preußischen Provinzial-Verwaltung. Letztere zahlte Zuschüsse an die Aufgabenträger zur Deckung der für die Tierkörperbeseitigung entstehenden Kosten.
Für das Streitjahr 1970 ergibt sich keine andere Beurteilung dadurch, daß die zuletzt genannte Vereinbarung vom 8. Oktober 1940 durch eine Vereinbarung aus dem Jahre 1964 zwischen den Aufgabenträgern und dem Landschaftsverband abgelöst wurde. Nach der neueren Vereinbarung änderte sich lediglich der Zahlungsweg bezüglich der von den Aufgabenträgern an die Klägerin zu entrichtenden Gegenleistung. Nunmehr zahlte der Landschaftsverband (früher die Provinzial-Verwaltung) die sog. Beihilfe an die Aufgabenträger nicht mehr unmittelbar an diese - die daraus die Zahlungen an die Klägerin zu leisten gehabt hätten -, sondern - im Umfang der jetzt zugunsten der Klägerin vereinbarten Vergütungshöhe - unmittelbar an die Klägerin.
Das FA ging zutreffend davon aus, daß die Fallgestaltung des Streitjahres 1970 mit der des Jahres 1954, zu dem das BFH-Urteil vom 31. Januar 1963 V 75/60 (HFR 1964, 180) ergangen war, vergleichbar und weiterhin entsprechend zu beurteilen ist. Es hält dem angefochtenen Urteil zu Recht entgegen, daß die dort herangezogene Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung von Zuschuß und Entgelt (z.B. BFH-Urteil vom 25. November 1986 V R 109/78, BFHE 148, 351, BStBl II 1987, 228) nur die Unterscheidung von Zahlungen Dritter als Zuschuß oder Preisauffüllung betrifft, auf die es im Streitfall aber nicht ankommt. Hier geht es nicht um die Höhe der Bemessungsgrundlage i.S. von § 10 Abs. 1 UStG 1967 zu ohnehin steuerbaren Leistungen - also der Entgeltsbeeinflussung durch Zahlung eines Dritten auf den Leistungsaustausch zwischen dem Leistenden und einem Leistungsempfänger -, sondern nur um die Frage, ob eine Leistung an den Zahlenden steuerbar ist, weil der sog. Zuschuß als Entgelt dafür erwartet werden konnte. Dies ist zu bejahen.
3. Entgegen dem Urteil des FG war Bemessungsgrundlage für die steuerbare Leistung der Klägerin der gesamte Betrag von . . . DM und nicht nur der Teilbetrag, soweit er die Verwaltungsentschädigung von . . . DM je gezahlte Vergütung an die Tierkörperlieferanten betraf.
Das Urteil des FG, das auf anderen Rechtsgrundsätzen beruhte, war aufzuheben. Der Senat konnte in der Sache selbst entscheiden.
Fundstellen