Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wahlkampfkosten eines höheren Gemeindebeamten, der zum Landrat eines bayerischen Landkreises gewählt werden will, sind keine Werbungskosten bei der Einkunftsart Nichtselbständige Arbeit. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Bewerber gewählt wird oder nicht.
Normenkette
EStG § 9 S. 1, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Stpfl., der Oberrechtsrat einer kommunalen Körperschaft war, bewarb sich in einer Wahl um die Stelle eines Landrats, wurde aber nicht gewählt. Die Kosten des Wahlkampfes, die sich aus Aufwendungen für Fahrten und Unterkunft, zusätzliche Verpflegungskosten, dem Wahlkampfkostenanteil sowie den Kosten für zusätzliche Telefongespräche und Zeitungsbeschaffungen zusammensetzen, machte er als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das FA erkannte diese Kosten nicht als abzugsfähig an.
Die Berufung hatte Erfolg. Das FG führte zur Begründung seiner Entscheidung aus: Daß die Aufwendungen nicht zu den beabsichtigten Einnahmen als Landrat geführt hätten, sei ohne Bedeutung. Aufwendungen für die Berufsausbildung seien zwar nicht abzugsfähig, weil sie nicht in konkretem Zusammenhang zu bestimmten Einnahmen ständen. Bei den Wahlkampfkosten sei dieser Zusammenhang aber gegeben. Er würde allenfalls zu verneinen sein, wenn ein Kandidat nicht ernsthaft mit seiner Wahl rechnen könne. Da der Stpfl. aber 46 v. H. der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt habe, liege ein ausreichender Zusammenhang zwischen den streitigen Aufwendungen und den angestrebten Einnahmen vor, so daß die Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen seien.
Das FA hat gegen das in EFG 1966, 267 veröffentlichte Urteil des FG Revision eingelegt und Verletzung des § 12 EStG gerügt. Es führt aus, der Stpfl. habe mit der Wahl einen Berufswechsel angestrebt. Der Auffassung des FG, die Aufwendungen für einen Berufswechsel seien Werbungskosten, wenn sie zur Erlangung eines bestimmten Arbeitsverhältnisses gemacht würden, sei nicht zuzustimmen. Im Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung seien die Kosten für einen Berufswechsel ebenso wie die Kosten für die Berufsausbildung nichtabzugsfähige Kosten der Lebenshaltung im Sinn von § 12 EStG. Im übrigen ständen die Wahlkampfkosten mit den erstrebten Einnahmen als Landrat nur in mittelbarem Zusammenhang; denn sie hätten nur dazu gedient, die Wahlberechtigten in einem für den Stpfl. günstigen Sinn zu beeinflussen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des Urteils des FG.
Bewerber für das Amt eines Landrats wurden in Bayern im Streitjahr 1964 nach dem Bayerischen Landkreiswahlgesetz in der Fassung vom 11. Dezember 1959 (GVBl 1959 S. 273) von politischen Parteien oder von Angehörigen einer Wählergruppe aufgestellt und von den Kreisbürgern unmittelbar für sechs Jahre gewählt. Die Landräte sind Beamte. Das FA nimmt zutreffend an, daß der Stpfl., der zur Zeit der Wahl Beamter im höheren Dienst einer kommunalen Körperschaft war, mit der Bewerbung um das Amt eines Landrates einen Berufswechsel angestrebt habe, nämlich den übergang vom Laufbahnbeamten zum Wahlbeamten. Der Stpfl. hätte, falls er gewählt worden wäre, höhere Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gehabt. Es geht also darum, ob die Wahlkampfkosten steuerlich Aufwendungen sind, die der Stpfl. gemacht hat, um höhere Bezüge zu erlangen.
Das FG hat angenommen, die Aufwendungen seien Werbungskosten, wenngleich der Stpfl. nicht gewählt worden sei. Dieser Rechtsauffassung ist an sich zuzustimmen. Ein Steuerpflichtiger, der Aufwendungen zur Erzielung von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit macht, kann nicht anders behandelt werden wie ein Gewerbetreibender, bei dem die zur Vorbereitung seiner gewerblichen Betätigung aufgewendeten Beträge vorweggenommene Betriebsausgaben sind (vgl. z. B. Urteile des Senats VI 196/60 U vom 3. November 1961, BFH 74, 319, BStBl III 1962, 123; VI 112/63 U vom 17. April 1964, BFH 79, 415, BStBl III 1964, 383). Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit ist bei vorweggenommenen Betriebsausgaben und vorweggenommenen Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit aber, daß eine klar erkennbare Beziehung der Ausgaben zu den erstrebten Einnahmen besteht. Dieser Zusammenhang fehlt z. B. bei den zur Berufsausbildung gemachten Aufwendungen. Aufwendungen die ein Steuerpflichtiger jedoch macht, um eine eindeutig bestimmte Arbeitnehmerstellung zu erlangen und aus dieser Tätigkeit Einkünfte zu beziehen, sind Werbungskosten (Urteil des Senats VI 218/60 U vom 24. August 1962, BFH 75, 545, BStBl III 1962, 467). Daß hier ein enger Zusammenhang zwischen den Ausgaben des Stpfl. und den von ihm erstrebten Einnahmen vorlag, hat das FG zutreffend bejaht. Ob es dabei darauf ankommt, wie groß die Aussichten des Stpfl. waren, als Landrat gewählt zu werden, kann dahingestellt bleiben; denn die Abzugsfähigkeit der streitigen Aufwendungen ist jedenfalls aus einem anderen Grund zu verneinen.
Das Wahlrecht gehört in einer Demokratie zu den staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten der Wahlberechtigten. Das gilt nicht nur für die wahlberechtigten Bürger, sondern auch für die Wahlkandidaten. Alle mit einer Wahl zusammenhängenden Vorgänge gehören einkommensteuerrechtlich grundsätzlich in den Bereich der Lebenshaltung, auch die Wahlvorbereitungen und alles, was zur Durchführung einer Wahl erforderlich ist. Für Wahlkandidaten ist das trotz der für sie damit unter Umständen verbundenen materiellen Interessen nicht anders. Auch bei ihnen gehört die Wahl einschließlich der Kosten des Wahlkampfes in den staatsbürgerlichen und politischen Bereich und damit zur Lebenshaltung im Sinn von § 12 Nr. 1 EStG. In diesem Sinn hat der Reichsfinanzhof (RFH) bereits in den Entscheidungen VI A 147/30 vom 20. März 1930 (RFH 27, 82) und VI A 1216/30 vom 27. August 1930 (RStBl 1931, 740) bei der Ablehnung des Abzugs von Parteibeträgen als Werbungskosten ausgesprochen. Der BFH ist im Gutachten I D 1/52 S vom 17. Mai 1952 (BFH 56, 591, BStBl III 1952, 228) dieser Beurteilung hinsichtlich der Beiträge an politische Parteien oder Wahlfonds gefolgt. Dieser Gedanke greift auch durch für Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger als Kandidat für Wahlen in einem demokratischen Staat macht. Nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG müssen berufliche und auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete Interessen eines Steuerpflichtigen bei der steuerlichen Behandlung zurücktreten, wenn damit in den Bereich der Lebenshaltung gehörende Interessen untrennbar verbunden sind. Das ist der Fall bei einem Steuerpflichtigen, der Aufwendungen macht, um durch eine politische Wahl einen Berufswechsel vom Laufbahnbeamten zum Wahlbeamten zu vollziehen.
Die Vorentscheidung, die den Sachverhalt anders beurteilt hat, war daher aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Da die Einspruchsentscheidung zutreffend den Abzug der streitigen Aufwendungen abgelehnt hat, war die gegen sie gerichtete nunmehr als Klage zu behandelnde Berufung abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412716 |
BStBl III 1967, 772 |
BFHE 1968, 18 |
BFHE 90, 18 |