Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsgewährung an den Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
Wird die Arbeitslosenhilfe des Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft wegen des Zusammenlebens mit dem Steuerpflichtigen nach § 137 Abs.2 a des Arbeitsförderungsgesetzes gekürzt, so ist der Steuerpflichtige dem arbeitslosen Partner gegenüber aus sittlichen Gründen zur Gewährung angemessenen Unterhalts verpflichtet. Im Regelfall ist davon auszugehen, daß die Zahlung der die Kürzung der Arbeitslosenhilfe ausgleichenden Beträge nicht unangemessen ist (Folgerung aus dem Urteil vom 30. Juli 1993 III R 38/92, BFHE 174, 19, BStBl II 1994, 442).
Normenkette
EStG § 33a Abs. 1, § 33 Abs. 2; AFG § 137 Abs. 2a
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, lebt seit 1987 in eheähnlicher Gemeinschaft mit G zusammen. G ist zu 60 v.H. erwerbsgemindert. Seit 1987 ist er arbeitslos. Von Februar 1989 an wurde er von der Klägerin unterhalten. Die monatlichen Lebenshaltungskosten für die Klägerin und G beliefen sich auf rund 1 950 DM. Davon entfielen rund 50 v.H. auf G.
Nach Fortfall des Arbeitslosengeldes stellte G Ende 1988 einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe. Dem Antrag wurde nur teilweise entsprochen, weil auf die Arbeitslosenhilfe Unterhaltsleistungen der Klägerin angerechnet wurden. Die Kürzung betrug 162,20 DM wöchentlich. Ohne die Kürzung hätte die Arbeitslosenhilfe 203,40 DM betragen. Insgesamt erhielt G im Streitjahr 1989 eine Arbeitslosenhilfe in Höhe von 1 648 DM. Weitere Einkünfte hatte G nicht. Er verfügt auch über kein Vermögen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragte die Klägerin, die Unterhaltsleistungen gegenüber G für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 1989, die sie mit 6 481 DM angab, nach § 33a Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte --auch im Einspruchsverfahren-- die Aufwendungen nicht. Während des Klageverfahrens änderte das FA den angefochtenen Bescheid aus Gründen, die nicht im Streit sind. Der Änderungsbescheid wurde auf Antrag der Klägerin Gegenstand des Verfahrens.
Die Klage, mit der die Klägerin noch begehrte, die Unterhaltsleistungen in Höhe von 4 125 DM (11/12 von 4 500 DM) zu berücksichtigen, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam zu dem Ergebnis, die Klägerin habe sich den Unterhaltsaufwendungen aus sittlichen Gründen nicht entziehen können.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts sowie mangelnde Sachaufklärung.
Es trägt vor, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geforderten Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an den Lebenspartner seien nicht gegeben. Die Kürzung der Arbeitslosenhilfe aufgrund es gemeinsamen Haushaltes sei zwar gemeinschaftsbedingt. Gleichwohl sei die Unterhaltsgewährung der Klägerin nicht von außen her unausweichlich aufgezwungen. Die Bedürftigkeit des G beruhe allein auf seiner langen krankheitsbedingten Arbeitslosigkeit, die schon vor der gemeinsamen Haushaltsführung mit der Klägerin bestanden habe. Die Lebenssituation des G sei der Klägerin bekannt gewesen. Sie habe davon ausgehen müssen, daß sich seine Bedürftigkeit mit der gemeinsamen Haushaltsführung aufgrund der Kürzung der Arbeitslosenhilfe verstärken werde. Aus den Vorstellungen der Allgemeinheit lasse sich kein sittlicher Zwang herleiten, den Partner während der Zeit der Arbeitslosigkeit zu unterstützen.
Die Kürzungen der Leistungen nach dem Sozialhilfe- bzw. Arbeitsförderungsrecht benachteiligten eheähnliche Gemeinschaften und Ehen in gleicher Weise. Die steuerliche Anerkennung der Unterhaltsleistungen an einen von der Kürzung betroffenen Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft würde dazu führen, daß das eheliche Zusammenleben gegenüber einer eheähnlichen Gemeinschaft benachteiligt würde.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat die geltend gemachten Unterhaltsleistungen zu Recht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs.1 EStG berücksichtigt.
1. Unterhaltsleistungen an den Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erwachsen nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig i.S. von §§ 33 Abs.2 Satz 1, 33a Abs.1 Satz 1 EStG. Auch eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen ist nicht schon aufgrund des --auch auf Dauer angelegten-- Zusammenlebens und wegen der gemeinsamen Haushalts- und Wirtschaftsführung gegeben. Jedoch kommt eine sittliche Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung dann in Betracht, wenn die Bedürftigkeit des Partners gemeinschaftsbedingt ist und besondere Umstände vorliegen, die die Unterhaltsgewährung bei Würdigung der gesamten Umstände als unausweichlich erscheinen lassen (vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 1993 III R 38/92, BFHE 174, 19, BStBl II 1994, 442 m.w.N.).
Wie der Senat in dem Urteil in BFHE 174, 19, BStBl II 1994, 442 für einen Fall, in dem die Arbeitslosenhilfe des Partners in vollem Umfang weggefallen ist, entschieden hat, ist dessen Unterhaltsbedürftigkeit gegenüber dem ihn unterstützenden Steuerpflichtigen gemeinschaftsbedingt, wenn er den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe aufgrund des § 137 Abs.2 a des Arbeitsförderungsgesetzes mit Rücksicht auf das Einkommen oder das Vermögen des unterstützenden Steuerpflichtigen verloren hat. Da der Partner in einem solchen Fall keine Arbeitslosenhilfe erhält, weil er in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit dem --über ein entsprechendes Einkommen oder Vermögen verfügenden-- Steuerpflichtigen zusammenlebt, liegen auch, zumindest dem Grunde nach, besondere Umstände vor, die die Unterhaltsgewährung bei Würdigung der gesamten Umstände für den Steuerpflichtigen als unausweichlich erscheinen lassen. Denn der Partner könnte seinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nur dadurch erhalten, daß er sich von dem Steuerpflichtigen trennt.
2. Hiervon ausgehend hat das FG zutreffend eine sittliche Verpflichtung der Klägerin zur Unterhaltsleistung gegenüber G dem Grunde nach bejaht. Die Klägerin lebt mit G in eheähnlicher Gemeinschaft. Der Anspruch des G auf Arbeitslosenhilfe ist aufgrund des eheähnlichen Zusammenlebens mit der Klägerin und im Hinblick auf deren Einkommen --teilweise-- weggefallen. G ist, da ihm nach der Kürzung seines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe von wöchentlich 203,40 DM um 162,20 DM lediglich pro Woche noch 41,20 DM verblieben sind, unterhaltsbedürftig geworden. Nach den Feststellungen des FG erhielt er im Streitjahr lediglich 1 648 DM Arbeitslosenhilfe.
Das FG hat auch zu Recht der Höhe nach den von der Klägerin geltend gemachten Betrag für 11 Monate von 4 125 DM (11/12 von 4 500 DM) als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs.1, 4 EStG berücksichtigt.
Die Unterhaltsbedürftigkeit des G ist allerdings nur so weit gemeinschaftsbedingt, wie sein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe mit Rücksicht auf das Zusammenleben mit der Klägerin und auf deren Einkommen gekürzt worden ist. Nur insoweit liegen auch besondere Umstände vor, die die Unterhaltsgewährung als unausweichlich erscheinen lassen. Denn nur hinsichtlich des Kürzungsbetrags bestand die Situation, daß G den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nur durch eine Trennung von der Klägerin hätte erhalten können.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß eine Pflicht zur Unterhaltsgewährung gegenüber dem bedürftigen Partner aus sittlichen Gründen der Höhe nach nur bis zu einem den Umständen nach angemessenen Betrag anerkannt werden kann. Als außergewöhnliche Belastung anzuerkennende Unterhaltsleistungen liegen daher nur insoweit vor, als sie --zusammen mit der dem Partner verbliebenen Arbeitslosenhilfe-- nicht unangemessen erscheinen. Im Regelfall ist aber davon auszugehen, daß die Zahlung der die Kürzung der Arbeitslosenhilfe ausgleichenden Beträge an den Partner nicht unangemessen ist.
Im Streitfall begegnet die Berücksichtigung des Abzugs des Unterhaltshöchstbetrags für 11 Monate gemäß § 33a Abs.1, 4 EStG von 4 125 DM im Hinblick auf die obigen Ausführungen keinen Bedenken. Zum einen ist davon auszugehen, daß die Klägerin Leistungen in der entsprechenden Höhe erbracht hat. Denn dieser Betrag wird von den von ihr angegebenen Unterhaltsleistungen (6 481 DM) bzw. von den auf G entfallenden hälftigen gemeinsamen Lebenshaltungskosten (1/2 von 1 950 DM = 975 DM monatlich; für 11 Monate 10 725 DM) überschritten. Zum anderen übersteigt den Betrag von 4 125 DM auch der Betrag, um den die Arbeitslosenhilfe des G gekürzt worden ist (162,20 DM wöchentlich x 48 Wochen --rund 11 Monate-- = 7 786 DM).
Fundstellen
Haufe-Index 65358 |
BFH/NV 1994, 86 |
BStBl II 1994, 897 |
BFHE 175, 127 |
BFHE 1995, 127 |
BB 1994, 2137 |
BB 1994, 2478 |
BB 1994, 2478-2479 (LT) |
DB 1994, 2271-2272 (LT) |
DStR 1994, 1651-1652 (KT) |
DStZ 1995, 52 (KT) |
HFR 1995, 67-68 (LT) |
StE 1994, 642 (K) |