Entscheidungsstichwort (Thema)
Bescheid und Urteil vom 15. Februar/4. Oktober 1962 V 241/59 U
Leitsatz (amtlich)
Additives, die zur Verbesserung von Schmierstoffen bestimmt sind, gehören nicht zu den notwendigen Rohstoffen und Halberzeugnissen im Sinne des § 29 Abs. 2 Ziff. 5 Buchst. a oder b UStDB 1951.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 4; UStDB 1951 § 29 Abs. 2 Ziff. 5 Buchst. a, b, § 30 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 2
Tatbestand
I. Bescheid
Die Steuerpflichtige befaßt sich u. a. mit der Herstellung und dem Vertrieb sogenannter Additives. Sie stellt von ihr erfundene, unter bestimmten Bezeichnungen für sie gesetzlich geschützte Additives her, die ihre Abnehmer Schmierstoffen zusetzen, um sie zu veredeln, insbesondere um die Druckaufnahmefähigkeit zu erhöhen und dadurch zu verhindern, daß auch bei großer Inanspruchnahme von Maschinenteilen der Ölfilm reißt.
Streitig ist, ob in den Veranlagungszeiträumen 1952 bis 1954 die Steuerpflichtige für ihre Großhandelslieferungen der Additives Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Ziff. 4 UStG in Verbindung mit § 29 Abs. 2 Ziff. 5 Buchst. a oder b UStDB 1951 beanspruchen kann. Das Finanzamt hat die begehrte Steuerfreiheit versagt, weil die Additives keine Schmierstoffe im Sinne des § 29 Abs. 2 Ziff. 5 Buchst. a seien, sondern als Zusatzstoffe verwendet würden; es handle sich auch nicht um ein Zwischenerzeugnis der Ziff. 5 b (a. a. O.), da die Additives nicht zur weiteren Veredelung auf Schmierstoff, sondern als Zusatzmittel für Schmierstoffe verwendet würden.
Im Berufungsverfahren hatte die Steuerpflichtige teilweise Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts läßt sich eine Verkehrsauffassung, nach der der Liefergegenstand des Streitfalles ein Erdölerzeugnis ist, nicht mit Sicherheit feststellen. Solchenfalls glaubte das Finanzgericht dem Sinn und Zweck des Mineralölprivilegs am besten dadurch gerecht zu werden, daß es Stoffe, die nicht nur aus Erdöl bestehen, aber einen bestimmten Erdölanteil enthalten, nur teilweise begünstigte. Bei der Frage, in welchem Umfange Steuerfreiheit zu gewähren ist, hat das Finanzgericht berücksichtigt, daß Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer das Entgelt ist, und hat daher nicht auf den Gehalt an mineralölhaltigen Bestandteilen (Unverseifbarem), sondern auf den hierauf entfallenden Entgeltsanteil abgestellt, der mit der Steuerpflichtigen auf 20 v. H. des Gesamtentgelts geschätzt worden ist. Das Finanzgericht hat demgemäß nur 20 v. H. der streitigen Entgelte als steuerfrei angesehen.
Hiergegen haben sowohl die Steuerpflichtige mit dem Ziele, die volle Steuerbefreiung zu erreichen, als auch der Vorsteher des Finanzamts Rb. eingelegt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts hat Erfolg.
Zutreffend ist die Vorentscheidung davon ausgegangen, daß der Liefergegenstand nicht unter § 29 Abs. 2 Ziff. 5 Buchst. b UStDB 1951 fällt. Bei den dort genannten Zwischenerzeugnissen muß es sich um Erzeugnisse handeln, die aus den in der Ziff. 5 (a. a. O.) eingangs aufgeführten Rohstoffen (Erdöl, Kohle, Ölschiefer oder Torf) hergestellt sind, aber noch keinen fertigen Kraft- oder Schmierstoff darstellen. Steuerfreiheit ist gegeben, wenn diese Zwischenerzeugnisse zur weiteren Veredelung auf Kraft- oder Schmierstoffe verwendet werden sollen; dagegen liegen die Voraussetzungen nicht vor, wenn die Erzeugnisse -- wie im Streitfalle -- zur Veredelung der bei den Abnehmern der Steuerpflichtigen vorhandenen Schmierstoffe dienen sollen. Der Liefergegenstand selbst müßte zur Veredelung bestimmt sein. Dies ist unstreitig nicht der Fall. Es kommt im Falle der Ziff. 5 b (a. a. O.) nach seinem klaren Wortlaut also auf den speziellen Verwendungszweck an. So kann Steinkohlenteer, der zur Veredelung auf Kraftstoff bestimmt ist, steuerfrei geliefert werden, die Befreiung entfällt jedoch, wenn der Teer zur Herstellung von Dachpappe bestimmt ist.
Steuerfreiheit käme hiernach allenfalls nach der Ziff. 5 a des § 29 Abs. 2 a. a. O. in Betracht. Hiernach müßte es sich um einen Schmierstoff handeln, der aus den eingangs erwähnten Rohstoffen hergestellt ist. Unstreitig beträgt der Anteil an solchen Rohstoffen bei dem einen Additive nur etwa 54 v. H., bei dem anderen nur 37 v. H. Es käme gegebenenfalls darauf an, ob das Gemisch trotz seiner aus nichtbegünstigten Rohstoffen (z. B. aus tierischen Fetten) hergestellten Anteile noch im Verkehr als mineralischer Schmierstoff angesehen werden kann. Die Vorinstanz hat bei ihren dahingehenden Untersuchungen übersehen, daß Additives zolltariflich nicht unter die hierfür in Betracht kommenden Kapitel 27 oder 34 des damals geltenden Zolltarifs fallen, sondern daß ihnen in der Zolltarifnummer 3826 B des Kapitels 38 eine besondere Tarifnummer zugewiesen ist (vgl. die Anmerkung zu dieser Tarifnummer). Dies spricht schon gegen eine entsprechende Verkehrsauffassung. Entscheidend ist jedoch, daß die Befreiungsvorschrift nach § 29 Abs. 2 Ziff. 5 Buchst. a UStDB voraussetzt, daß die dort genannten Erzeugnisse ihrem charakteristischen Verwendungszweck nach (nicht ihrem speziellen Verwendungszweck wie nach Ziff. 5 Buchst. b, a. a. O.) als Kraft- oder Schmierstoff verwendet werden (vgl. Herting, Steuer und Wirtschaft, 1939 Sp. 81 ff., 116). Es kommt also nicht darauf an, daß die Additives -- theoretisch -- auch unmittelbar Schmierzwecken dienen könnten; denn sie werden, wie die Steuerpflichtige selbst vorgetragen hat, zur Verbesserung von Schmierstoffen, denen sie lediglich zugesetzt werden, verwendet. Auch dem von der Vorinstanz in der mündlichen Verhandlung gehörten Sachverständigen war nicht bekannt, daß derartige Konzentrate selbständig als Schmiermittel tatsächlich verwendet werden. Hiernach muß davon ausgegangen werden, daß die Additives des Streitfalles ihrem charakteristischen, typischen Verwendungszweck nach nicht Schmierstoffe im Sinne der Befreiungsvorschrift sind, sondern solchen Schmierstoffen lediglich zur Verbesserung zugesetzt werden. Diese Feststellung ermöglicht eine klare Abgrenzung der begünstigten von den nichtbegünstigten Erzeugnissen nach objektiven Merkmalen, wie es der ständigen Rechtsprechung des Senats entspricht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 59/52 S vom 30. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 274, Slg. Bd. 57 S. 720). Für eine anteilsmäßige Begünstigung, wie sie das Finanzgericht zugelassen hat, ist schon deshalb kein Raum. Soweit sich das Finanzgericht dabei auf den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 20. Januar 1939 S 4015 -- 1 III (USt-Kartei S 4138 d Karte 24 S. 5) beruft, der eine anteilsmäßige Befreiung zugelassen hat, wird verkannt, daß diese Regelung nicht auf den Streitfall übertragen werden kann; denn nach diesem Erlaß soll nur für den Fall, daß selbst gewonnene und erworbene Rohstoffe verwendet werden, die Befreiung für den erworbenen Anteil erhalten bleiben. Für die Beimischung nichtbegünstigter Stoffe bestimmt jedoch derselbe Erlaß (im vorhergehenden Abs. 9) in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung, daß solchenfalls die Eigenschaft des Erzeugnisses als mineralischer Schmier- oder Kraftstoff gewahrt sein muß. Erzeugnisse wie die des Streitfalles können demnach nur entweder in vollem Umfange oder gar nicht befreit sein (vgl. Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Aufl. Tz. 2005).
Soweit sich die Rb. der Steuerpflichtigen darauf beruft, daß die Verwaltung auch sogenannte Compound-Öle als begünstigt ansehe (vgl. Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 2. Februar 1939 S 4138 -- 1 III, USt-Kartei S 4138 d Karte 25), ist darauf hinzuweisen, daß Compound-Öle Mineralschmieröle sind, die zur Erfüllung besonderer technischer Anforderungen Zusätze tierischen oder pflanzlichen Öls enthalten. Bei den Additives des Streitfalls handelt es sich aber nach dem Gesagten nicht um solche Schmieröle, sondern nur um derartige Zusätze (vgl. Plückebaum-Malitzky, a. a. O., Tz. 2016).
In der Vorinstanz hat sich die Steuerpflichtige noch auf einen Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 25. März 1954 III C -- V 8104 -- 36/54 berufen. Dem ist entgegenzuhalten, daß sich dieser Erlaß mit der Steuerbegünstigung für Mineralöle zur Herstellung von Additives nach dem Mineralölsteuergesetz befaßt. Für die Umsatzsteuer können aus diesem Erlaß Folgerungen nicht gezogen werden. Im übrigen vertritt auch die Rb. der Steuerpflichtigen in Übereinstimmung mit der Rb. des Vorstehers des Finanzamts die zutreffende Auffassung, daß eine anteilsmäßige Begünstigung des Liefergegenstandes im Gesetz keine Stütze findet. In aller Regel würde es umsatzsteuerlichen Grundsätzen widersprechen, einen einheitlichen Liefergegenstand einer verschiedenartigen Besteuerung zu unterwerfen. Die volle Steuerbefreiung scheitert nach den obigen Ausführungen aber daran, daß die Additives ihrem charakteristischen Verwendungszweck nach nicht als Schmierstoffe verwendet werden, sondern mineralischen Schmierstoffen zu Veredelungszwecken dieser Schmierstoffe zugesetzt, mithin nicht selbst veredelt werden.
Hiernach erweist sich die Rb. der Steuerpflichtigen als unbegründet. Auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung der Steuerpflichtigen gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.
Die Steuerpflichtige hat mündliche Verhandlung beantragt; es erschien dem Senat angezeigt, vorerst nach § 294 Abs. 2 AO einen Bescheid zu erlassen.
II. Urteil
In der mündlichen Verhandlung hat die Steuerpflichtige vor allem darauf hingewiesen, daß die von ihr hergestellten Additives als Compoundöle unter das Mineralölprivileg fielen. Dem Vorbringen der Steuerpflichtigen und dem von ihr angeführten chemischen Schrifttum kann jedoch nur entnommen werden, daß Compoundöle solche Mineralöle sind, denen zur Erlangung bestimmter Eigenschaften Fettstoffe beigemengt werden und die in aller Regel und nach ihrem charakteristischen Verwendungszweck auch als Schmierstoffe unmittelbar Verwendung finden. Wenn der Reichsminister der Finanzen im Jahre 1939 derartige Compoundöle noch als mineralische Schmierstoffe angesehen hat, so ist demgegenüber auf folgendes hinzuweisen. Die Verwaltungsanordnung, die offenbar auf einer entsprechenden Verkehrsauffassung beruht, bindet den Senat nicht. Auf Additives der im Streitfall verwendeten Art konnten sich die Untersuchungen des Reichsministers der Finanzen nicht erstrecken, da solche zu dieser Zeit in Deutschland noch nicht hergestellt wurden.
Da § 29 Abs. 2 Ziff. 5 a UStDB nach seinem eindeutigen Wortlaut nur Schmierstoffe aus mineralischen Bestandteilen begünstigt und der Anteil nichtmineralischer Stoffe bei den Additives ganz wesentlich höher liegt als bei den Compoundölen, die die Verwaltungsanordnung allein gemeint haben konnte, die Additives auch nicht unmittelbar als Schmierstoffe verwendet werden, sieht sich der Senat außerstande, im Wege der Auslegung über den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift hinauszugehen, so daß sich weitere Feststellungen über eine etwa herrschende Verkehrsauffassung erübrigen.
Fundstellen
BStBl III 1962, 546 |
BFHE 1963, 77 |